Armut ist nicht der Mangel an Ressourcen

Kolumne "Karrierewege": Ein Experiment ließ Menschen einen Monat lang von Sozialhilfe leben. Die meisten von uns können sich in Krisenzeiten auf ihr Netzwerk verlassen.

In einem Experiment versuchten Forscher herauszufinden, ob es möglich ist, sich im sozialen Sicherheitsnetz in Westeuropa ein schönes Leben zu machen. Die Fragestellung lautete: Ist es möglich, ein angenehmes Leben zu führen, indem man ausschließlich von staatlicher Unterstützung lebt?

Einen Monat lang lebten verschiedene Menschen – Familien, Singles, Junge, Ältere – ausschließlich vom Betrag, der ihnen laut Gesetz im Armutsfall zustehen würde. Als das Projekt abgeschlossen war, kamen alle unabhängig voneinander zum selben Schluss: Ja, es ist möglich, mit dem Sozialleistungen des Staates zu überleben, auch wenn es kein besonders angenehmes Leben ist.

Weiterhin bio kaufen

Viele kauften nach wie vor beim gleichen Supermarkt ein und mussten nicht einmal besondere Kompromisse beim Kauf von Bio-Lebensmitteln machen. Die meisten stellten ihr Leben um, ohne an Lebensqualität zu verlieren, gingen weniger in Restaurants und luden stattdessen Freunde zum Essen und Trinken ein. Manche Ausgaben gingen sich nicht mehr aus, wie etwa der private Zahnarzt, Reisen in Vier-Sterne-Hotels oder ein teures Geschenk zu einer Hochzeitseinladung.

Doch viele Themen sind spannender als die Frage, ob es möglich ist, einen Monat lang von staatlicher Unterstützung zu leben. Denn natürlich macht es einen Unterschied, ob ich ein gut ausgebildeter, gesunder Mensch in einem guten Umfeld bin, der ein paar Wochen lang jeden Euro zweimal umdrehen muss, um die Zielsetzung eines Projekts zu erreichen, oder ein schlecht ernährter, ungebildeter Mensch ohne soziale Kontakte, der auch morgen nach dem Aufwachen noch keine Ahnung haben wird, wie es mit ihm weitergehen soll.

Niemand, der diese Zeilen liest, wird jemals unfreiwillig auf der Straße schlafen, weil jeder von uns Menschen in seinem Netzwerk hat, die dies niemals zulassen würden. Diese Menschen stabilisieren uns kurzfristig in Krisenzeiten und zeigen uns, wie wir von dort aus Schritt für Schritt in ein besseres Leben finden.

Meine Überzeugung ist: Armut ist nicht der Mangel an Ressourcen, sondern der Mangel an Perspektiven, wie ich meine persönliche Lage aus eigener Kraft verbessern kann. Die Armut effektiv zu bekämpfen, bedeutet daher in erster Linie, Sichtweisen auf neue Möglichkeiten zu schaffen, die das Gegenüber mit eigenen Mitteln erreichen kann. Schließlich kann jeder von uns Hoffnung erzeugen, Perspektiven aufzeigen und Vorbild für andere sein, das Leben besser zu meistern.

Conrad Pramböck ist Berater und Speaker zu Gehalts- und Karrierethemen. Er leitet bei der Personalberatung Pedersen & Partners den Geschäftsbereich Compensation Consulting.

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