Die Angst des Mannes vor der Chefin

Auf orf.at findet sich heute ein Artikel, der auf demselben Buch basiert, das hier schon im September besprochen wurde. Zum Nachlesen: Es geht um das uralte Mama-Trauma vieler Männer.

Frauen sind empathisch. Sie erkennen Zusammenhänge intuitiv. Sie halten sich nicht mit Rangkämpfen auf und lassen sich nicht von Statussymbolen blenden. Sie kommunizieren hervorragend, sind selten narzistisch und kaum psychopathisch. Glaubt man unzähligen Studienergebnissen, sind Frauen einfach die besseren Führungskräfte.

Nicht aus Sicht der meisten Männer. Vergleichsweise gut dran sei, meint Psychologe und Autor Werner Dopfer, wenn eine weibliche Vorgesetzte „nur“ das männliche Ego kränkt. Von der Chefin zum Beurteilungsgespräch zitiert zu werden brüskiert nun einmal den maskulinen Überlegenheits- und Beschützerinstinkt, bei aller kognitiven Akzeptanz der Chefin. Dessen Stärke wiederum definiert die gefühlte Attraktivität und die Stellung im Rudel.

Richtig schlimm dran ist aber, wen die Chefin unbewusst an die eigene Mutter erinnert (Buchtipp: Werner Dopfers „Mama Trauma“). Es gibt noch eine Steigerung: wenn diese Mutter ihren Sohn auch noch allein erzogen hat. Dann nämlich projizierte sie ihre eigenen Ängste und Enttäuschungen auf ihn. Sie versuchte, ihn nach ihrer (weiblichen) Vorstellung zu formen, ohne ein väterliches Korrektiv an ihrer Seite. Gleichzeitig lief das allgemeine Sozialisierungsprogramm „Richtige Männer kennen keine Angst“. Das zwang ihn, ebendiese zu unterdrücken statt zu artikulieren.

Ängste gibt es genug. Dopfer listet sie auf – und empfiehlt Chefinnen, ihre Mitarbeiter darauf abzuklopfen. Samt Anleitung, wie man sie umschifft.

Angst vor Bedeutungslosigkeit.

Mehr Bonus, mehr Statussymbole: Die männliche Psyche giert nach Anerkennung. Die weibliche weniger, weshalb die Chefin auch weniger davon verteilt. Die Folge: Sie wird abgelehnt und vom Rudel ausgegrenzt. Dopfer empfiehlt, an den männlichen Beschützerinstinkt zu appellieren – zum Wohl aller Beteiligten.

Angst vor dem Versagen.

Ich leiste, also bin ich: Viele Männer definieren ihren Selbstwert über ihre Leistungsfähigkeit. Und denken dabei schwarz/weiß: Ein kleiner Anlass schon lässt ihr Selbstbild kippen. Dann schämen sie sich und ziehen sich zurück, was die Chefin fälschlich als Ablehnung deutet. Dabei wäre mit einem bisschen Anerkennung alles wieder gut.

Angst vor Hilflosigkeit und Demütigung.

Männer tun sich schwer, Fehler zuzugeben. Für Dopfer sind daran die vielen Demütigungen schuld, die der kleine Junge von seiner übermächtigen Mutter erdulden musste – und die er von seinem Bewusstsein abgespalten hat. Das erklärt das unsinnige Vertuschen von Fehlentscheidungen (Stichwort VW) oder die Flucht in die Aggression, wenn das Verborgene doch ans Licht kommt.

Die größte Schmach aber ist, von einer Frau (=Mutterprojektion) im Kampf um die Spitze geschlagen zu werden – gut zu sehen beim irrationalen verbalen Rundumschlag Gerhard Schröders, als er 2005 das Kanzleramt an Angela Merkel abgeben musste. Auch wenn keine Frau deshalb auf einen Karrieresprung verzichtet: Sie sollte wissen, was in ihrem Konkurrenten vorgeht.

Angst vor Identitätsverlust.

„Richtige Männer“ sind attraktiv (Helden), fürsorglich (Beschützer) und wissend (weise Väter). Als Frauenversteher, Softie oder gar schwul zu gelten, bedroht dieses Selbstbild. Mann braucht also die Hilfe der Chefin, wie er sich ihr gegenüber positionieren soll.

Angst vor Nähe und Autonomieverlust.

Männer brauchen Raum und Distanz. Von klein auf lernen sie, Widersacher aus ihrem Revier zu vertreiben.

Frauen wiederum brauchen Nähe. Dringt die Chefin nun unbeabsichtigt in das Hoheitsgebiet ihres Mitarbeiters ein, erinnert ihn das an „die Mama“. Egal was er nun tut, es ist falsch: Verteidigt er sein Revier, wird es ihm als Attacke ausgelegt; zieht er sich zurück, als Ablehnung. Lässt er es zu, gibt er seine Autonomie auf. Die Chefin tut gut daran, die männliche Reviersprache zu lernen.

Angst vor der weiblichen Emotionalität.

Mit Wut und Ärger kommen Männer klar. Nicht aber mit Stimmungsschwankungen und empathischen Befindlichkeitsgesprächen. Hier liegt es an der Chefin, selbst einen stabilen emotionalen Rahmen vorzuleben.

(Print-Ausgabe, 03.09.2016)

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