Wenn Luxus demokratisch wird

Hoffnungsmarkt. Wenn die reiche ausländische Klientel weniger kauft, muss sich der Luxushandel nach unten öffnen. Doch die nächste Ebene hat spezielle Erwartungen.

Hoch wie das Empire State Building waren die Erwartungen, die man in das Goldene Quartier in Wien gesetzt hatte. Reiche Kunden aus aller Welt wollte man bedienen, mit Nobeldesignern, teuren Marken und edlen Juwelen.

Es hat nicht funktioniert. Die zahlungskräftige ausländische Klientel bleibt aus. Wer soll nun all den Luxus kaufen? Es wäre nicht Zukunftsforscher Matthias Horx, wenn er darauf keine Antwort hätte. Und einen verheißungsvollen neuen Markt obendrein.

Denn neben den ostentativ Neureichen ist eine lukrative Parallelwelt entstanden, schildert Horx in seinem Retail Report. Dieser neue Luxus-Konsument will gar nicht prunken und protzen. Er will sich selektierte First-Class-Produkte gönnen, die ihm tatsächlichen Nutzen im täglichen Leben bringen. Statt der Edel-Limousine leistet er sich das von Hand und extra für ihn gefertigte Fahrrad aus gehärtetem Bambus. Das kostet bloß 1500 Euro statt sechsstellig wie die Limousine, verschafft ihm aber ein subjektiv vergleichbares Gefühl von Individualität, Stil – und eben persönlichem Luxus.

Bereits 55 Prozent der Konsumenten gönnten sich Premiumprodukte, Zweitlinien und selektierte Luxusaccessoires, errechnete die Unternehmensberatung Bain & Company. Wenn sich aber immer mehr Menschen teuren, aber leist- und vor allem nutzbaren Luxusartikeln zuwenden, entstehen breitenwirksame, massentaugliche Märkte. Für den gehobenen Handel bringt das neue Umsatzchancen, wenn er nur eine glaubhafte Balance zwischen Exklusivität und Massenzugänglichkeit schafft.

Saubere Trennung der Welten

„Mastige“, ein Kunstwort aus Masse und Prestige, nennen Designer ihre Zweitkollektionen. Die vertreiben sie am liebsten im neuen Online-Shop. So bleibt die elitäre Klientel im Geschäft unter sich, während die Massenklientel im Web vor den von ihr so gefürchteten abwertenden Blicken des Verkäufers geschützt ist. Unter Mastige fällt auch Teslas Strategie, mit dem Model 3 in breitere Segmente hineinzuwachsen.

Erfolgreiche „demokratische“ Luxusangebote zeichnen sich durch einige Gemeinsamkeiten aus. Ihre potenziellen Kunden erfreuen sich an teuren Dingen, die sie als Freiheitszugewinn empfinden. Das Bambusfahrrad ist ein gutes Beispiel: Es bildet einen Antipoden zu Stress, Beschleunigung, Rationalität und Effizienzdenken, alles Lifestyle-Faktoren, von denen sich der neue Luxuskäufer bewusst abgrenzen will.

Vom Haben zum Sein

Dazu kommt eine gewisse Konsumverweigerung. Das ist Statement, kein Widerspruch: Wer wenige, aber handverlesene Dinge besitzt, entschleunigt sein Leben, weil er sich dem Druck immer neuer (Konsum-)Entscheidungen entzieht. Vor allem die jüngeren Vertreter dieser Zielgruppe lassen sich noch gut von Image und Markenauftritt beeinflussen.

Auf den elitären Handel kommen damit Hausaufgaben zu, zwei Fragen, die jeder für sich beantworten muss: Wie er den Mastige-Kunden erreicht. Und wie er damit nicht sein Elite-Klientel vergrault.

(Print-Ausgabe, 10.09.2016)

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