Ist das zu viel verlangt?

Management im Kopf: Folge 20. Komplexität meistern. Diesmal mit Gerfried Zeichen, Pionier der Industrierobotik in Wissenschaft und Praxis.

In unserer Kolumne „Management im Kopf“ stellt Maria Pruckner international anerkannte Wissenschaftler und Experten vor, die Verlässliches für den professionellen Umgang mit komplexen Problemen und Systemen beitragen können.

Unternehmer, Führungskräfte und Manager, die heute aktiv sind, wurden noch von einer Welt aus Organisationen geprägt. Jetzt leben und arbeiten sie in einer Welt aus Systemen, für die sie Systeme entwickeln und die sie in Systeme einbetten müssen. Dieser fundamentale Wandel macht die Spielregeln des Erfolgs früherer Zeiten unwirksam. In den bisherigen Beiträgen habe ich daher verlässliche Regelwerke für den nachhaltig erfolgreichen Umgang mit komplexen Systemen vorgestellt. Und nun down-to-earth. Ab heute steuern auf dieser Basis international anerkannte Wissenschaftler und Praktiker ihre Anregungen für das Meistern von Komplexem bei.

Gerfried Zeichen - Wegbereiter der Industrie 4.0

Mit Gerfried Zeichen kommt heute ein international anerkannter Pionier der Automatisierungs- und Regelungstechnik zu Wort. Er hat den rasanten Epochenwandel als Führungskraft in der Wirtschaft und als Universitätsprofessor in der Wissenschaft im vollen Bogen miterlebt und mitgestaltet. Seine beiden jüngsten Bücher (siehe Kurzbiografie) sprechen insbesondere die Techniker unter den Führungskräften an.

Folgender Beitrag von Gerfried Zeichen richtet sich an Führungsverantwortliche und Manager aller Fachgebiete.

Die Zeit tradierter Formeln ist abgelaufen

Nach Sichtung der Fülle von 19 theoretischen Problemlösungen aus der großartigen Serie von Maria Pruckner zum Gebiet Kybernetik und Management im Kopf erkennen wir viele praktikable Empfehlungen für die tägliche Praxis. Wir brauchen diese dringend, weil wir mit alten Schlagworten sitzen bleiben. Formeln wie „der Erfolg hat einen Vater, der Misserfolg viele Väter“ oder „reformieren ist disruptiv und zerstört Althergebrachtes“ bringen uns nicht weiter. Andauernde Konfliktbeschwörungen zwischen Sparen oder Investieren sind Bremsen. Aktuelle Reizworte wie „neue Manager und Berater müssen her“ oder „wir brauchen mehr Teamarbeit und Geld“ bringen für die zunehmenden Zielkonflikte keine nachhaltigen Lösungen.

Wirtschaften verlangt heute kybernetische Regeln

Kybernetiker wissen: Kontinuierliche Qualitätssteigerung erfordert das Berücksichtigen wirksamer Umfeldbedingungen, das Bemühen um die Gesamtsicht und ständige Wirkungsprüfung. Die bisherigen Beiträge dieser Kolumne liefern viele praktikable Empfehlungen für die tägliche Praxis, aus denen sich endlich konkrete Chancen für ein neues Agieren und Fortschritte in schwierigen Situationen ergeben. Wir brauchen dieses neue Denken und Handeln dringend für den systematischen Abbau vieler lähmender Schnittstellen.

Das Umsetzen kybernetischer Prinzipien ist gar nicht so schwierig. Erfolgreiche agieren längst nach Formeln wie diesen: Was immer du tust, bedenke die Konsequenzen! Das eine tun und das andere nicht lassen! Handle sofort, aber vergiss nicht, Alternativen zu entwickeln. Wir brauchen einseitige Spezialisten, aber sie müssen sich den Umfeldbedingungen beugen! Zusammenarbeit ist zwar schwierig, aber nachhaltiger als jeder Egotrip.

Die Königsidee: Kybernetisches Engineering und Führen

Kybernetisches Engineering beschreibt ein neues Paradigma für das erfolgreiche Steuern und Regulieren komplexer Systeme. Es werden sowohl technische Anforderungen als auch die wirtschaftlichen und sozialen Randbedingungen regelungstechnisch betrachtet und bei der Umsetzung berücksichtigt. Angestrebt wird dabei eine möglichst schnelle Rückkopplung der Ergebnisse mit den jeweiligen Einzelkompetenzen im Entwicklungsprozess. Denn Irren ist zwar menschlich, soll aber schnell korrigiert werden können. Das gilt vom kleinsten Alltagsprozess bis zu den großen Systemarbeiten, wie sie die Industrie 4.0, Zusammenarbeit von Mensch zu Mensch und von Mensch und Maschine mit sich bringen.

Ein Anstoß

Aus den bisher genannten Gründen eignet sich Kybernetisches Engineering auch hervorragend für organisatorische, soziale und strategische Aufgabenstellungen, für die Menschenführung und das Führen ganzer Unternehmen. Dies geschieht aber noch zu selten. Rein statisch basierte Analysen, Entscheidungen, Empfehlungen und dergleichen können sich bei dauernd verändernden Randbedingungen als falsch erweisen. Das macht Komplexkönner dringend notwendig.

Werfen wir einen Blick auf versierte Krisen- oder Feuerwehrmanager. Genauso denken Führungskräfte, die sich professioneller Kybernetik bedienen. Sie denken in mehreren Dimensionen. Sie verstehen es, sowohl konsequent als auch tolerant zu sein. Sie sind sowohl Kurzfrist- als auch Langfristdenker. Sie finden das jeweilige Optimum in Konfliktsituationen - durch Management im Kopf. Ist das zu viel verlangt?

Kurzbiografie Gerfried Zeichen

Gerfried Zeichen
Gerfried ZeichenGerfried Zeichen

Geboren 1934 in Wien, Studium Maschinenbau und Elektrotechnik an der TU Graz. 1963 Promotion, und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Carl Zeiss AG, ab 1966 technischer Leiter der Industriellen Messtechnik. Ab 1973 technischer Werksleiter der Steyr-Daimler-Puch AG - heute MAGNA STEYR, 1977 bis 1984 als Vorstand verantwortlich für die Fahrzeugentwicklung und Produktion. 1984 Ruf an die TU Wien. Als ordentlicher Professor für Flexible Automation wird er zum Initiator und Koordinator zahlreicher Forschungsprojekte und Kooperationen mit führenden High-Tech-Unternehmen. 2002 Emeritierung, seither weiterhin als Brückenbauer zwischen Forschung und Praxis aktiv - im Top-Management internationaler Forschungsgesellschaften, -zentren und -projekte, als Beirat für die österreichische Bundesregierung, als Gründer, Aufsichtsrat bzw. Geschäftsführer von Industrieunternehmen. Die neuesten Bücher: „Unternehmerische Eigensynergie für die Produktionstechnik“ (2010), “Ingenieure an die Schalthebel“ (2014) – in diesem Buch beleuchtet Gerfried Zeichen die Komplexität heutiger Führungskriterien sowie die kybernetischen Methoden zur Beherrschung komplexer Zielkonflikte in der Wirtschaft. Mehr…

Maria Pruckner entwickelt seit 1992 verlässliche kybernetische Denkwerkzeuge für den professionellen Umgang mit hoher Komplexität und Dynamik. Als Beraterin, Trainerin und Coach auf diesem Gebiet gehört sie weltweit zu den am längsten dienenden Problemlösern in der Praxis. Sie arbeitet stark vernetzt mit international führenden Experten aus Wissenschaft und Praxis. Im Rahmen ihres Unternehmens in Wien stattet und bildet sie interne und externe Experten aus, die sich in Unternehmen und Institutionen auf das professionelle Meistern komplexer Situationen konzentrieren.

Wie geht es Ihnen mit dem Meistern von Komplexität?

Schreiben Sie Ihre wichtigste Frage an Maria Pruckner.
Sie wird darauf eingehen.

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