Der Anwalt im schwarzen T-Shirt

Porträt. Benedikt Stockert steht für die neue Generation junger Juristen. Diese schaut sich das Beste von den alten Traditionen ab, stellt aber so manche heilige Kuh infrage.

Wenn sich Benedikt Stockert (30) an seinem Schreibtisch umdreht, blickt er in die Fenster einer noblen Innenstadtboutique. „Fünf Verkäuferinnen und nur ein einziger Kunde den ganzen Nachmittag“, sagt er kopfschüttelnd, „das würde ich nicht aushalten.“ Dazu giere sein Kopf viel zu sehr nach Anregung, Abwechslung und immer frischem Denkfutter.

In Stockerts Büro dominieren zwei riesige Kunstfotografien: ein alter indischer Guru in Schwarz-Weiß („weil ich so jung bin und er so viel Weisheit ausstrahlt“) und ein paar auf Strandtüchern aufgereihte Pin-ups in quitschbunt. Damit ihm nicht „fad im Kopf“ werde, sagt er, und weil er einen Kontrast zur altehrwürdigen Stuckdecke brauche.

Der junge Anwalt steht stellvertretend für eine neue Juristengeneration: jung, hemdsärmelig und rebellisch. Von der alten Tradition schaut er sich das Beste ab („ein Büro in der City, das muss sein“). Alles andere stellt er infrage.

Am augenfälligsten zeigt sich das in seinem Dresscode. Anzug? Lieber nicht. Selbst vor Gericht genügt oft ein Sakko. Weil: „Die inhaltliche Arbeit sieht man nicht am äußeren Erscheinungsbild.“

Ideen wichtiger als Geld

Vor seiner Selbstständigkeit arbeitete Stockert bei vier renommierten Wiener Kanzleien. Dort blieb er zwischen neun Monaten und drei Jahren. „Das ist nicht ungewöhnlich“, meint er. Er wusste, er hatte noch viel zu lernen und würde sich bei erster Gelegenheit selbstständig machen.

Sein Spezialgebiet, Immobilienrecht, stand von Anfang an fest. „Das war strategisch geplant. Alles andere hat sich ergeben.“ So wie seine Start-up-Klienten nebenbei. Mit denen arbeitet er besonders gern, obwohl sie nicht viel zahlen können. Dafür ist er unter jungen Menschen und „bei coolen Ideen sowieso immer dabei.“

Jetzt kann er sich leisten, Dinge, die ihn als Konzipient störten, anders zu machen. „Jeder hat gesagt, du sollst out of the box denken. Und gleichzeitig erwartet, dass du täglich bis Mitternacht an deinem Schreibtisch sitzt und keinen anderen Berührungspunkt als das Gesetz hast.“

Trauriges Smiley am Morgen

Oft wurde er gefragt, ob er denn nicht ausgelastet sei, wenn er die Kanzlei schon um 19 Uhr verließ. Er erinnert sich an Wettbewerbe zwischen Konzipienten, wer am längsten im Büro blieb. Oder an Aufträge der Anwälte, erteilt um zwei Uhr morgens: „,Bitte erledige das gleich als Erstes in der Früh.‘ Dazu ein trauriges Smiley.“ Viele Anwälte seien keine glücklichen Menschen, meint Stockert. Sie wüssten es nur nicht.

Ihm war dieses Leben zu wenig. Ein Anwalt müsse sich doch auch Gedanken über das Geschäft seiner Klienten machen, findet er, Ideen einbringen, die über den Gesetzestext hinausgehen. Diese habe man nur bei vielfältigen Interessen. Also arbeitet er jetzt „vernünftig lang“ und widmet sich danach der persönlichen Horizonterweiterung.

Noch etwas macht er anders: Er schreibt keine 100-Seiten-Memos. Deren Sinn habe sich ihm nie entschlüsselt. Vielleicht bei Aktiengesellschaften, die sich „gegen alle Absurditäten“ absichern müssen, nicht aber bei KMU. Die wollten keine 100 Seiten Juristendeutsch bekommen und zwei Wochen darauf warten. Deswegen antwortet er auch mal per WhatsApp, jedenfalls aber schnell.

Und er will nicht „jedes Fünf-Minuten-Telefonat mitschreiben“ oder im Nachhinein „eine obszön hohe Stundenzahl verrechnen, von der niemand weiß, wie sie zustande gekommen ist.“ Lieber nennt er ein Fixum im Voraus, das bisher „noch immer gepasst“ habe. Und wenn es einmal nicht passt, „dann werden wir reden“. Er sei nicht der einzige selbstständige Anwalt, sagt Stockert, der all das infrage stelle: „Da draußen, da sind viele, die so denken wie ich.“

ZUR PERSON

Benedikt Stockert (30) studierte Rechtswissenschaften an der Universität Wien und machte anschließend einen Master in Immobilienmanagement und -bewertung an der TU Wien. Seine Konzipientenjahre verbrachte er u. a. bei Dorda Brugger Jordis und bei Nepraunik Prammer Rechtsanwälte. Seit 2015 ist er zugelassener Rechtsanwalt. Im Juli dieses Jahres eröffnete er seine eigene Kanzlei gleich neben dem Stephansdom.

(Print-Ausgabe, 12.11.2016)

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