Was Konzipienten bedenken sollten

Berufseinstieg Juristen. Konzipient sein: viel Arbeit, wenig Lohn. Mag sein. Karrieretechnisch ist es ein Sesam-öffne-Dich.

Vorausdenken war schon immer die Stärke von Pablo Essenther (27). Schon als Jusstudent begriff er, dass niemand Scheuklappenanwälte sucht, sondern ganzheitliche Berater: "Es ist ganz wesentlich, nicht nur die juristischen Probleme zu sehen, sondern auch die dahinterstehenden wirtschaftlichen Erfordernisse."

Anders als viele seiner Studienkollegen entschied er sich gegen das Zweitstudium Wirtschaft. Wirtschaftsingenieurwesen an der FH Technikum, das war praxisnäher und fremdsprachenbetont. "Englisch wird am Juridicum wahnsinnig vernachlässigt."

Essenther war kein Einserstudent. Er hatte zwei Praktika im Talon, eines bei einer Kanzlei, eines in einem Industriekonzern. Nach seinem Gerichtsjahr ("Eine relativ entspannte Zeit") wollte er nicht wieder zurück in seine Praktikumskanzlei. Der Schritt vom Praktikanten zum Konzipienten sei schwierig, sagt er. "Viele nehmen dich ewig als Praktikant wahr. Dann machst du plötzlich wieder Kopierarbeiten und Botengänge." Noch ein Argument: Neue Kanzleien kennenzulernen erweitert den Horizont.

Also Blindbewerben. An dieser Stelle ist ein Tipp angebracht. Auch wenn die Kanzleien gerade nicht das suchen, was man kann: trotzdem bewerben. Für Talente wird immer ein Platz freigemacht.
So erlebte es auch unser Jurist. Fünf Einladungen auf zehn Bewerbungen sind eine ausgezeichnete Quote. Gleich der erste Termin war bei Baker McKenzie, einer der Top-Ten-Kanzleien des Landes (die größten sind Wolf Theiss und Schönherr). Zum Interview saß Essenther mit seinem heutigen Senior Partner und einem der Anwälte zusammen. Sie waren sich sofort einig. Den anderen Kanzleien sagte er daraufhin gleich ab. Anders als eine Studienkollegin, die dann die Qual der Wahl hatte. Sollte sie die Kanzlei mit dem klingendsten Namen nehmen? Die in Citylage? Oder die am besten zahlende? Sie entschied sich für die Kanzlei mit der besten Reputation und verließ sie ein Jahr später wieder.

Knochenjob Konzipient. Das Konzipientendasein ist kein Honigschlecken. Man arbeitet viel (in manchen Kanzleien bis zu 60 Wochenstunden) und bekommt laut Branchenmagazin "Juve" 2500 3350 Euro, je nach Vorbildung. All-in, versteht sich. Anders als angehende Wirtschaftstreuhänder gibt es keinen Kollektivvertrag, darf sich aber über bis zu 15-prozentige Gehaltssprünge jährlich freuen.

Der junge Jurist Essenther ist seit nunmehr zwei Jahren bei Baker McKenzie als Konzipient für Gesellschaftsrecht und M&A. Wenn alles gut läuft, wird er nach der Anwaltsprüfung noch einmal zwei Jahre Konzipient sein, dann drei Jahre Associate (Anwalt), Senior Associate (mit höherem variablen Gehaltsanteil), Local Partner (noch nicht an der Gesellschaft beteiligt), später Equity Partner (beteiligt). Eilige schaffen das mit 40 Jahren, wenn sie viele Mandanten und Umsatz bringen. So sieht die perfekte Anwaltskarriere aus.

(c) Studeny Nadine

Es geht aber auch anders. Der heute 31-jährige Benedikt Stockert wusste schon immer, dass er einmal gründen würde. Als Konzipient in vier Kanzleien saugte er alles Know-how auf, das er bekommen konnte.
Heute hat der junge Anwalt ein eigenes Büro in Spitzenlage. Bewusst macht er vieles anders, als er es selbst erlebt hat.

Anwalt im T-Shirt. "Jeder sagt dir, du sollst ,out of the box denken", philosophiert er, "aber wie kannst du das, wenn du bis Mitternacht nur Gesetzestexte wälzt?" Deshalb verweigert er 24/7 und kümmert sich lieber um ein breites Wirtschafts- und Allgemeinwissen. Auch die alten Insignien seiner Zunft bedeuten ihm wenig. Statt dunkelblauer Anzüge trägt er gern T-Shirts (und auch vor Gericht bloß ein Sakko). Statt 100-seitiger Memos (die ohnehin nicht gelesen werden) schickt er auch eine Nachricht per WhatsApp. Statt sich mit der minutiösen Verrechnung jedes Telefonats zu quälen, legt er Pauschalangebote. Den Klienten gefällt's.

Seine Konzipientenzeit will Stockert dennoch nicht missen. "Die Lehrjahre waren wichtig", sagt er, "weil man sich in dieser Zeit selbst findet."

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