Den richtigen Ton treffen

Social-Media-Marketing. Kommunizieren via Facebook, Twitter und Blogs: Seminare können vermitteln, wie man die verschiedenen Zielgruppen in sozialen Netzwerken am besten anspricht.

Ob US-Präsident, dem vom eigenen Umfeld die Verantwortung für seinen Twitter-Account entzogen wird, oder Unterwäschehersteller, der mit einem missglückten Remake eines Kultwerbesujets einen kleinen Shitstorm auslöst – die Bedeutung von Social Media ist unbestreitbar und mitunter gar von weltpolitischer Relevanz. Bei Kursen und Workshops, die sich im weitesten Sinn mit Texten für Social Media beschäftigen, sind aber nicht in erster Linie Politiker die Zielgruppe, sondern Menschen, die für Unternehmen kommunizieren. Denn eines ist Social Media mittlerweile auch: eine günstige Alternative, Werbung für das eigene Produkt zu machen.

So betont Sepp Wiesbauer, zuständig für die fachliche Leitung Mediengestaltung und Social Media beim Wifi Wien: „Soziale Medien sind eine bedeutende Möglichkeit, kostengünstiges Marketing zu betreiben, und aus dem Kommunikationsmix vieler Unternehmen nicht mehr wegzudenken.“ Wiesbauer hält das Seminar „Texten“, Zielgruppe sind „Personen, die in ihren Unternehmen für Social Media und Content Marketing zuständig sind, sowie Einpersonenunternehmen (EPU), die ihr eigenes Wording definieren und entwickeln wollen“. Denn nach dem Motto „Der Ton macht die Musik“ gilt es beim Texten für soziale Medien nicht nur, Nachrichten zu verbreiten, sondern auch, die Leser auch zur Interaktion aufzufordern. Schließlich leben die sozialen Medien vom Liken, Geteiltwerden und Kommentieren. „Wenn wir viel Interaktion und eine hohe Reaktionsfähigkeit für die jeweiligen Kanäle erreichen wollen, dann gilt es auch, sich mit dem Fan/Follower/Abonnenten auseinanderzusetzen“, weiß Wiesbauer.

Welche Zielgruppe adressieren

Schreibtrainerin Ana Znidar erklärt: „Es geht darum, die richtige Stimme für soziale Medien zu finden.“ Sie hält im Writersstudio in Wien das Seminar „Geniale Textbausteine für Facebook, Blogs & Co.“, das vier Nachmittage dauert. „Bei sozialen Medien muss ich mir genau überlegen, wen ich anspreche“, betont Znidar. Bis zu zehn verschiedene Zielgruppen würden mit einem einzigen Social-Media-Auftritt erreicht. Znidar nennt als Beispiel ein Nachhilfeinstitut. Hier lesen Kinder, Jugendliche, Eltern und Lehrer mit. „Jede Zielgruppe hat andere Bedürfnisse, Ängste oder Wünsche.“ Oder anders gesagt: Was die Eltern zum Lachen bringt, empfinden die Kinder vielleicht alles andere als komisch – und umgekehrt. Bevor man also schreibt, gilt es zu überlegen, welche Zielgruppen mit diesem Text angesprochen werden sollen. „Die meisten unterschätzen, dass für einen erfolgreichen Auftritt in sozialen Netzwerken viel strategische Planung notwendig ist“, so Znidar.

Welche Kanäle bedienen?

Dass eine Strategie hinter dem Social-Media-Auftritt stehen muss, bekräftigt auch Andrea Huttegger, Leiterin des Büros des Kuratoriums für Journalistenausbildung (KFJ) in Wien. „Welche Inhalte passen für welche Kanäle?“, sei eine wesentliche Frage. „Was gehört auf Facebook, welche Nachrichten sind auf Twitter besser aufgehoben und wofür ist Instagram geeignet?“ Das KFJ bietet etwa die Kurse „Texten für Online“ und „Webtexten für Profis“ an. Bei „Texten für Online“ geht es laut Huttegger einerseits um die Frage, wie man texten sollte, damit die Leser dranbleiben. Andererseits soll die Frage „Was will Google?“ beantwortet werden – also wie Texte gestaltet sein müssen, dass sie bei der Google-Suche möglichst nach oben gereiht werden. Wiesbauer erklärt: „Die Social-Media-Kanäle sind durch eine sehr feine, klare und aktive Sprache definiert. Bei jedem Kanal muss beachtet werden, wie viele Hashtags, Kurzlinks, Erwähnungen und welche Keywords eingebaut werden sollen.“

Die Experten betonen, dass mitunter auch weniger mehr ist. Statt möglichst alle Kanäle mit demselben Inhalt zu füllen, sei es zielführender, seine Kommunikationskanäle genau auszuwählen und die Texte zielgruppenorientiert zu adaptieren. Huttegger: „Es ist nicht sinnvoll, Printinhalte eins zu eins ins Netz zu stellen.“ Eine Adaptierung von Printartikeln für die digitalen Kanäle sei erfolgsversprechender. Znidar weist auch auf einen elementaren Unterschied zwischen der klassischen Werbung und Social Media hin: „Klassische Werbung ist unfreiwillig“ – das Plakat an der Bushaltestelle oder das Inserat auf der Titelseite kann man sich im Normalfall nicht selbst aussuchen. „In den sozialen Netzwerken sind die Menschen freiwillig.“ Das ist die entscheidende Differenzierung, denn wenn sich der Leser langweilt, wird er nicht wiederkommen.

Welche Mitarbeiter betrauen?

Daher sei es auch nicht zielführend, die Social-Media-Agenden einem Mitarbeiter zusätzlich oder nebenbei zuzuteilen. Denn nebenbei geschriebene Texte gingen im Normalfall an der Zielgruppe vorbei. Oder wie Wiesbauer sagt: „Mit Texten transportieren wir viel Emotionen und haben die Möglichkeit, Beziehungen aufzubauen und zu pflegen.“ Eine Information, die vielleicht auch US-Präsidenten helfen könnte, den richtigen Ton zu finden.

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