Ich war noch niemals in New Work

Reorganisation. Viel hat man sich von der „Neuen Welt der Arbeit“ versprochen. Dennoch scheitern 60 bis 70 Prozent der ambitionierten Projekte. Das hat drei Gründe.

Arbeit, das ist die Zeit, die man am Arbeitsplatz verbringt. Dieser in Stein gemeißelte Glaubenssatz stammt aus der Zeit der industriellen Revolution, als immer mehr Handwerker ihre Werkstätten im eigenen Haus zusperren und sich auf den Weg in die Fabrik machen mussten. Fortan verdienten sie den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien als Fabriksarbeiter. Arbeit und Leben, das war ab jetzt räumlich voneinander getrennt.

Jetzt sind wir mitten in der Gegenbewegung: Arbeit und Leben fließen wieder zusammen. Plötzlich sind die Ideen des Sozialphilosophen Frithjof Bergmann aus den 1980er-Jahren genau im Trend. Überall schießen „New World of Work“-Projekte aus dem Boden. Dabei wird an drei Dimensionen geschraubt: Menschen („people“), Gebäude („places“) und Werkzeuge („tools“). Das verspricht große Einsparungen, ist aber auch mit beachtlichen Kosten und Umstellungsaufwand verbunden.
Doch 60 bis 70 Prozent dieser Projekte scheitern, fand eine Autorengemeinschaft um den deutschen Strategieprofessor Benedikt Hackl heraus. Im Sammelband „New Work“ geht sie den Ursachen auf den Grund.

Gebäude. Fälschlich beginnen fast alle Projekte mit dieser Dimension, weil sie die größte Einsparung und Effizienzsteigerung verspricht. Die Logik: Viele Büros und Schreibtische sind wegen Meetings, Auswärtsterminen, Krankheits- und Urlaubstagen nur zu 30 bis 40 Prozent ausgelastet.

Also weg mit den teuren Individualarbeitsplätzen und hin zu Desksharing: Man setze sich, wo gerade Platz ist, klappe den Laptop auf und arbeite drauflos. Widerstände bei den Mitarbeitern werden mit der Aussicht auf stylishe Kuschelmuscheln für traute Zweiergespräche und Wuzlertischen für die Gruppenrekreation erstickt. Ein Fehler, denn sie gären im Untergrund weiter. Die Mitarbeiter argumentieren mit dem Verlust wohlerworbener Sitzplatzrechte, mit längeren Rüstzeiten, schlechter Luft und Lärm in den nunmehr dicht besetzten Räumen.
Richtig wäre, so die Autoren, alle drei Dimensionen ganzheitlich durchzuplanen, in der Umsetzung aber zu priorisieren. Gebäude dürften niemals Priorität 1 sein, sondern ergeben sich aus den beiden anderen Dimensionen.

Zur Vervollständigung ein paar Eckpfeiler der Gebäudedimension: kurzfristige Mietverträge, um bei Bedarf rasch wechseln zu können, umbautaugliche Architektur, Raumlayout nicht für die aktuelle, sondern für die künftige Mitarbeiterzahl planen, offene Räume für Desksharing (nicht zu verwechseln mit Großraumbüros), Thinktanks für konzentrierte Arbeit, Rückzugs-, Kreativ- und Meetingräume – am wichtigsten aber: HR, Führungskräfte und Mitarbeiter in die Planung einbeziehen.

Menschen. Diese Dimension ist (natürlich) die wichtigste. Sie betrifft drei Gruppen: Die erste, das Management, hat geschlossen hinter dem Projekt zu stehen und es aktiv vorzuleben – was oft nicht der Fall ist. Viele Projekte scheitern, weil einzelne Vorstände bestenfalls mitziehen.

Auch der zweiten Gruppe, den Führungskräften, wird viel abverlangt. New Work heißt, dass sie ihre Rolle als Arbeitsverteiler und Kontrolleure aufgeben und zu Coaches und Mentoren mutieren – müssen, ob sie wollen oder nicht. Ab jetzt motivieren sie ihre Leute nur mehr und überlassen es ihnen, wie sie zum Ziel kommen. Das verkraftet nicht jede Führungskraft ohne Weiteres. Beliebter Fehler: Viele Unternehmen adressieren das Thema erst in einer späten Projektphase und denken, es wäre mit einem Workshop erledigt.

Für die dritte Gruppe, die Mitarbeiter, bedeutet New Work doppeltes Ungemach: Sie verlieren ihren fixen Schreibtisch und sie müssen mit den neuen Freiheiten erst einmal umgehen lernen. Wird das falsch kommuniziert, geschult oder motiviert, haben Parallel- und Schattenhierarchien schon so manches New-Work-Projekt zu Fall gebracht.

Werkzeuge. Hier geht es um die technische Infrastruktur, mit dem Hintergedanken, dank technischer Effizienz Einsparungen zu erzielen. Passendes Videoequipment etwa ersetzt Dienstreisen. Leider scheitert der gute Wille oft an instabilen Leitungen und abgestürzten Videokonferenzen. Viele Unternehmen nehmen New Work auch zum Anlass, von E-Mails auf Instant Messenger oder Social Intranets umzusteigen, was die von den vielen Umstellungen genervten Mitarbeiter noch mehr irritiert. Simpler Praxistipp: Ein einziges Log-in für alle Anwendungen erleichtert die Akzeptanz.

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