Party, Party, Party

Erasmus glänzt im Lebenslauf nicht wie früher. Und es klingt nach Dauerparty. So überzeugen Sie den Personalchef, dass die Zeit doch lehrreich war.

Man findet sie im "Travel Shack" beim Westbahnhof. Oder im "Club Loco" unter den Gürtelbögen. Sie sind jung, Anfang Zwanzig vielleicht, feiern, flirten und ziehen sich Shots mit ausdrucksstarken Namen wie Fire oder Cum hinein. Die Erasmus-Studenten machen gerne Party. Manche jeden Abend. Ob da noch Energie fürs Lernen übrig ist?

Früher einmal hatte es Strahlkraft, Erasmus im Lebenslauf stehen zu haben. Heute ist das etwas verblasst. Erasmus ist mittlerweile ein Massenprogramm. Denn Reisen, früher ein elitäres Vergnügen, ist erschwinglich geworden. Das Auslandssemester, einst ein Adelsprädikat für jeden Lebenslauf, ist nichts Besonderes mehr.

Es liegt aber auch daran, so sagen Personalberater, dass in den Köpfen der Personalchefs beim Wort Erasmus automatisch "Party!!!" aufpoppt. Mit drei Rufzeichen. Daher wird zumindest nachgestochert, welchen beruflichen Wert das Auslandssemester hat. "UniLive" hat drei renommierte Personalberater gefragt, wie Profis dabei vorgehen und welche Bewerberreaktion am besten zieht.

Amsterdam oder Siena?

Erster Knackpunkt ist die Destination. Wenn man Amsterdam hört, woran denkt man? Richtig, als erstes fällt auch einem Personalchef der süße Rauch ein. "Jetzt muss man schnell sein", sagt Headhunter Florens Eblinger (Eblinger & Partner). Die Kunst ist, diese erste Assoziation zu vereiteln und blitzschnell andere Bilder im Kopf des Personalchefs zu erzeugen. Da gilt es, von einem besonders wertvollen Kurs zu schwärmen, von einem Projekt oder einer Gruppenarbeit. Zu erzählen, was dabei zu tun war und was es gebracht hat. Und vor allem, ob diese Arbeit vielleicht sogar jemand anderem nützte. Dem Institut, einem Unternehmen? Auch Name-Dropping kann helfen. Es lohnt sich, mit klingenden Namen und Fakten um sich zu werfen. Das hebt sofort das Image solange man es nicht übertreibt.

Einfacher ist es, wenn die Erasmus-Destination nicht Amsterdam, sondern Siena war. Dort ist das Partyleben genauso fröhlich, aber Siena klingt nicht danach. Jetzt ein paar Sätze zur italienischen Kunstgeschichte bei der Hand zu haben, zu den Ausstellungen, die damals gelaufen sind (und die man natürlich besucht hat!), zu den Museen. Damit lässt sich nicht nur ein bildungsnahes Bild von sich selbst zeichnen, es schafft auch Anknüpfungspunkte für lockeres Geplauder mit dem Personalchef (Achtung: Das Wissen muss tief genug sein, um nicht beim ersten Nachfassen umzukippen).

Der Wert solcher Plaudereien ist nicht zu unterschätzen: Sie sagen mehr über die Persönlichkeit aus als der schönste Lebenslauf. Ein Personalchef will ja immer herausfinden, wie gut Kandidaten in das Team passen. Das Schlimmste für Personalisten sind Bewerber, denen sie jedes Wort aus der Nase ziehen müssen.

Trotzdem gilt: Als Bewerber sollte man sich bewusst sein, welche Bilder im Kopf des Personalisten entstehen können, wenn man persönliche Informationen von sich preisgibt. Personalberater Eblinger nennt ein Beispiel: Wer etwa Kochen als Hobby angibt und vielleicht nicht gertenschlank ist, kann vor dem geistigen Auge des Personalers als langfristig gesundheitsgefährdet scheinen.

Nie gehört von dieser Uni

Es gibt Universitäten, die jeder kennt. Und andere, von denen keiner je gehört hat. Personalberaterin Manuela Lindlbauer (Lindlpower) machte ihr Auslandssemester in Caen in der Normandie. Das kennen nur Insider. Hier musste sie zuerst die Uni aufwerten und gut darstellen. Lindlbauer rät, in solchen Fällen einen Einseiter mit den Schwerpunkten der Hochschule vorzubereiten, mit Link natürlich. Selbstverständlich wird auch jede eigene Leistung hochgewürdigt, Zeugnisse, Noten, Projektarbeiten und Referenzen ("to whom it may concern"). Stoßrichtung: mit Content überzeugen und damit vom Image ablenken. Wie immer gilt: Fakten ein bisschen zu behübschen ist okay. Lügen niemals.

Hablas Espanol?

Sechs Monate in Barcelona aber keine Ahnung von Spanisch (von Katalanisch ganz zu schweigen)? Bei gängigen Landessprachen müssen Bewerber darauf gefasst sein, vom Personalchef übergangslos in diesen angeredet zu werden. Wer nicht mehr als ein "Hola chicas!" beherrscht, ist besser beraten, auf Englisch zu antworten und zu argumentieren, dass die Kurse wegen der internationalen Beteiligung in dieser Sprache abgehalten wurden. Das Englisch sollte dann allerdings konversationstauglich sein.

Was haben Sie überhaupt gelernt?

Manche Personalchefs schießen scharf. Sehr scharf. Sie sagen Bewerbern auf den Kopf zu, im Erasmus-Jahr nur Party gemacht zu haben. Das lässt sich etwa so kontern: "Ich hätte mir gewünscht, mehr Kurse machen zu können. Aber ich habe daneben meinen Lebensunterhalt verdienen müssen." Und dann sofort von der Arbeit erzählen.

Oder man schießt zurück: "Es wäre einseitig, einen Auslandsaufenthalt auf Kurse zu reduzieren. Ich habe meine Selbstständigkeit trainiert/Social Skills erworben/meine interkulturellen Kompetenzen geschärft/Freunde fürs Leben gefunden." Die Liste lässt sich beliebig erweitern.

Wenn alles nichts hilft, ist der beste Rat, gnadenlos ehrlich zu sein. Dem auf Technik und IT spezialisierten Personalberater Alexander Wozak (HR Consulting) sind jene Bewerber am liebsten, die mit entwaffnender Ehrlichkeit antworten: "Ja, ich habe Party gemacht bis zum Abwinken. Ich habe das gebraucht. Aber jetzt bin ich erwachsen geworden." Und das hat schließlich auch einen Wert.

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