Gesiezt wird nur der König

(c) AP (Michael Probst)
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In „Corporate Wording“-Projekten lernen die Mitarbeiter die Unternehmenssprache. Die kann salopp, gestelzt oder kumpelhaft sein wie in einem schwedischen Möbelhaus.

Als der schwedische Elch kam, staunten die Österreicher nicht schlecht. Über die Möbel, aber auch über die jovialen Du-Botschaften auf den Werbeplakaten. In Schweden wird kaum jemand gesiezt – außer dem König. In der schriftlichen Kundenkommunikation bei Ikea ist das genauso. „Das ,Du‘ ist Ausdruck eines partnerschaftlichen Umgangs“, sagt Ikea-PR-Managerin Barbara Riedl. Für viele andere ist es ein Beispiel für konsequentes „Corporate Wording“, die Unternehmenssprache oder die „vergessene Säule der PR“, wie sie Ursula Soukup von Soukup Communications nennt.

Floskeln ins Altpapier

Wie man mit Kunden spricht, ist Einstellungssache. Genauso, ob man Mitarbeiter darin schult und die verbale Unternehmenskultur in einem Manual verbrieft. „In Unternehmen und Organisationen bilden sich sprachliche Gewohnheiten heraus, die oft historisch bedingt sind“, meint Martin Novak, Geschäftsführer der PR-Agentur Conclusio in Graz. Wenn er Manager und Öffentlichkeitsarbeiter in Unternehmen trainiert, gehe es ihm um das Bewusstmachen und Aha-Effekte. „Von Zeit zu Zeit sollte man seine Gewohnheiten auf sprachlichen Müll untersuchen“, so Novak. Viele Unternehmen schicken noch immer verstaubte Phrasen aus den Aktenschränken durch hochmoderne Glasfasernetze zu den Kunden: Floskeln und Termini, die Kunden nicht verstehen oder längst nicht mehr lesen wollen. Das sprachliche Unternehmenserbe müsse man entrümpeln, und man solle nach Alternativen suchen, so Novak. Weglassen, was verzichtbar, ist eine davon. In Wording-Manuals könne man Sprachrichtlinien festlegen. Etwa keine Verwendung von Anglizismen, Worthülsen oder Abkürzungen. „Natürlich ist auch die genderneutrale Schreibweise oft ein Thema“, sagt Novak. Genauso wie die Anrede- und Verabschiedungsformeln. Bei Ikea duzen Lehrlinge ihre Chefs, Mitarbeiter ihre Kunden. Schwedische Lockerheit wird auch schriftlich großgeschrieben: Ganz oben in den E-Mails steht „Hej“ statt „Sehr geehrter“ und ganz unten „Hej då“ statt „Mit freundlichen Grüßen“.

Sprachliche Identität

„Corporate Wording ist ein Teil der Corporate Identity“, sagt Novak. Sie lässt sich genauso definieren wie die Farbe des Unternehmenslogos. Wer man ist oder sein will, das transportiert die Sprache. „Griaß Di“ kann zu salopp oder gerade richtig sein. Je nachdem, ob man als Anwalt, Hightech-Unternehmen oder als „Pension Waldesruh“ kommuniziert.

„Vielen Unternehmen ist nicht bewusst, wie viel Schaden man ohne konsequentes Corporate Wording anrichten kann“, meint Soukup. Zumindest sollte man einmal über die Sprachgewohnheiten nachdenken. Oder noch besser intern ein Wording-Projekt starten. Soukup setzt sich dazu auch direkt in die Abteilungen, um zu sehen, „was nach draußen geht“. Schließlich sei die Kontrolle über die E-Mail-Kommunikation abhanden gekommen, so Soukup.

Die Gebrauchs- und Alltagstexte werden analysiert, und danach wird, je nach Abteilung und Unternehmenskultur, die Sprache festgelegt, die man in Zukunft sprechen will. Manchmal zählt die Sympathie, fast immer Verständlichkeit und Kundenorientierung, oft auch die Verbindlichkeit der Sprache: „Warum soll man eine dritte Mahnung noch übertrieben höflich formulieren?“, fragt sich Soukup. Auch bei Absagen auf Bewerbungen könne man viel falsch machen. Deshalb sitzt sie manchmal auch in den Personalabteilungen und schaut den Assistenten auf die Wörter. Viele schreiben die Absageformeln stur noch immer so, wie sie längst niemand mehr lesen will. „Was zählt, ist die Wahrhaftigkeit“, sagt Soukup. Wer etwa Papierkorb meint, sollte nicht Evidenz sagen. Die Empfänger spüren, was stimmt und was nicht. Schließlich zählt in der Kommunikation die Beziehung. Deshalb wirkt die Absage von guten Kumpels wie ein freundschaftlicher Schulterklopfer. Besonders wenn sie mit „Hej då“ endet. PHI

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2009)

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