Die Berufswelt wird interkulturell

Berufswelt wird interkulturell
Berufswelt wird interkulturell(c) AP (FABIAN BIMMER)
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Welche Qualifikationen brauchen Bewerber von morgen? »Fachliches Innovationswissen«, meint eine aktuelle Studie von AMS und Industriellenvereinigung. Darüber hinaus internationalisieren sich alle Branchen immer mehr.

„Fachliches Innovationswissen“, beantwortet Johannes Kopf die Frage, was von Kandidaten morgen erwartet wird, knapp: „Das ist die Qualifikation, die in Zukunft am Arbeitsmarkt benötigt wird.“ Damit meint der AMS-Chef fachliche Fähigkeiten, die kontinuierlich erweitert werden müssen. Aufgrund der immer geringeren Halbwertszeit des Wissens sei lebenslanges Lernen unumgänglich.

„Wir leben in einer Welt, in der die Qualifikationsanforderungen immer höher werden“, wiederholt Kopf. „Und es sind fachliche Anforderungen, die in der Arbeitswelt nach der Krise zählen.“ Aufgrund der Halbwertszeit des Wissens sei es notwendig, seine fachlichen Qualifikationen weiter zu verbessern und zu verbreitern. Auch das Wissen von Akademikern veralte und müsse kontinuierlich aktualisiert werden. „Lebenslang“, betont Kopf in Richtung älterer Arbeitnehmer.

Was das in der Praxis bedeuten kann, erläutert Wolfgang Tritremmel, Arbeitsmarktexperte der Industriellenvereinigung (IV). „Nehmen Sie einen Mechaniker in einer Fahrradwerkstätte“, schildert er: „Während dieser früher oft nur Reifen flicken musste, benötigt er heute auch Elektronikwissen, weil auch Eigentümer von Elektrofahrrädern mit Reparaturen zu ihm kommen.“ Gemeinsam mit den Leitern von Forschungsabteilungen, Entwicklern und Personalverantwortlichen haben die beiden Organisationen AMS und IV den Qualifikationsbedarf der heimischen Wirtschaft erhoben. Fünf von elf Branchenclustern wurden bereits fertiggestellt. Deren Ergebnisse liegen der „Presse“ bereits jetzt exklusiv vor.

»Österreich als Drehscheibe«

Quer durch alle Branchen werden interkulturelle Fähigkeiten immer bedeutender, heben die beiden Fachleute hervor (siehe auch Beitrag rechts). „Interkulturelle Kompetenzen werden ab dem mittleren Management zu einem absoluten Must-have“, betont Tritremmel. In den untersuchten Clustern bekommen diese Qualifikationen und vor allem auch Fremdsprachenkenntnisse – sehr gute Englischkenntnisse werden häufiger zur Voraussetzung – immer größere Bedeutung. „Österreich ist einfach ein Drehpunkt für verschiedene Nationen“, stellt AMS-Chef Kopf klar. „Diese Funktion spiegelt sich auch am Arbeitsmarkt wider.“

In den Bereichen Gesundheit, Wellness und Tourismus werden unter anderem IT-Fachkenntnisse, der Umgang mit neuen Technologien sowie Selbstmanagementkompetenzen unumgänglich. Wer in der Baubranche erfolgreich sein will, der sollte Kenntnisse der Bauökologie sowie Umweltmanagement mitbringen. Ein ähnlicher Fokus wird in den Bereichen Kunststoff und Chemie erwartet: Know-how über Energieeffizienz und neue Materialien sind hier unter anderem gefragt.

In der Verwaltung werden Projekt- und Prozessmanagement sowie Kundenorientierung immer wichtiger. Diese Skills werden auch im Maschinenbau nachgefragt. Hinzu kommen Kenntnisse um neue Antriebstechnologien sowie der Mechatronik. Allen Branchen gemein sind perfekte Englischkenntnisse sowie interkulturelle Kompetenzen.

Trainer gesucht

„Wir können Facharbeiter zwar qualifizieren“, sagt Kopf. „Wir können ihnen aber nicht die Neugierde am Lernen lehren.“ Unbestritten ist bei den beiden Arbeitsmarktexperten, dass Bildung die wichtigste Ressource für den Wirtschaftsstandort Österreich ist.

„Als einziger Staat neben Finnland wissen wir nun, welche Qualifikationen in den Branchen zukünftig benötigt werden“, ist sich Tritremmel angesichts des Projekts sicher: „Wir arbeiten nun mit den Bildungsanbietern daran, diese neuen Inhalte auch in Kursen anzubieten.“ Eine weitere Hürde ist das Problem der fehlenden Trainer. „Gute Lehrende zu finden, ist schwierig. Daher investieren wir in ,Train the Trainer‘-Projekte.“

Ein Qualifikationsbarometer, das unter anderem auf den Inhalten dieser Umfrage basiert, ist auf www.ams.or.at zu finden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2010)

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