Büro: Glückliche Hühner

Buero Glueckliche Huehner
Buero Glueckliche Huehner(c) Bene
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Warum nachhaltiges Bauen langfristig nicht nur billiger ist, sondern auch gesünder.

Der Einzelne als fröhliches Pixel in einem großen bunten Bild: „Einen völlig neuen Bürotypus“ setzte Netzwerkanbieter Cisco in seiner Stuttgarter Niederlassung um. Das „nonterritoriale Büro“ besteht aus flexiblen Working-Units statt gängiger fixer Arbeitsplätze. Der Großteil der 130 Mitarbeiter ist mobil, erledigt seinen Job am Notebook und so papierlos wie möglich. Auffallend: Zwei Drittel der Gesamtfläche beanspruchen die Kommunikations- und Touch-Down-Bereiche. Das gängige Backoffice ist auf das letzte Drittel zurückgestutzt.
Räume nach Befindlichkeiten

Das Raumangebot wird je nach Tätig- und Befindlichkeit genützt: „Mal ist einem nach Gesellschaft zumute, mal nach stiller Abgeschiedenheit“, meint Architekt Stephan Kerkel. Für konzentriertes Arbeiten ziehen sich die Kollegen in Einzelkapseln zurück, für lockeren Austausch in informelle Kommunikationszonen. Homogene Arbeit erledigen sie in einer klassischen Großraumstruktur, Meetings im akustisch abgeschirmten Konferenzraum. Schadstoffarme Büromöbel von Bene setzen das Konzept fort. Sitzende Mitarbeiter werden von brusthohen Stauraumkästen mit integrierten Blumentöpfen geschützt; Gehende haben stets den vollen Überblick.

Kühlere Farbtöne fördern die Konzentration „in den ohnehin schon sprachbunten Räumen“, der textile Bodenbelag trennt die unterschiedlichen Zonen optisch durch verschiedene Braunschattierungen.  Glückliche Mitarbeiter leisten mehr: Weil Entspannung Kreativität und Leistung fördert, sind die Arbeitsbereiche durch Freizeit- und Relaxzonen aufgelockert, natürlich in den Corporate-Design-Farben. Ihrer amorphen Form wegen werden sie „Amöben“ genannt: Die gelbe Amöbe birgt Teeküche und Bar, die grüne einen Fußballtisch, und in der hellblauen stehen Massagestuhl und Chaiselongue bereit. Ein vergleichbares Konzept fährt auch Google in seiner kalifornischen Unternehmenszentrale, die ihren Mitarbeitern ebenfalls stille Plätzchen für konstruktiven Mittagsschlaf zur Verfügung steht.

Von solchem Luxus lässt sich in den Niederungen eines gewöhnlichen Büroalltags nur träumen. Die Realität besteht aus zusammengewürfelten Büros mit schadstoffbelasteten Möbeln, keimverseuchten Teppichen und veralteten Klimaanlagen. Büros können krank machen. Experten führen bis zu 20 Prozent aller unklaren Krankenstände auf das „Sick-Building-Syndrom“ (SBS, siehe Kasten) zurück. Die Beweislage ist schwierig. Ein Einzelner steht mit seinen Beschwerden meist allein auf weiter Flur. Umweltmediziner werten als ersten Hinweis auf SBS, wenn mehrere Menschen, die unter einem Dach arbeiten oder leben, an denselben Symptomen leiden.
 Daher müssen sich typischerweise mehrere Mitarbeiter zu einer konzertierten Aktion zusammenschließen und Betriebsrat oder –arzt einschalten. Selten verfügen Unternehmen über einen Nachhaltigkeitsmanager, der sich auch für interne Themen begeistern lässt.

Argumentationshilfe: Nach der üblichen CSR-Gliederung in ökonomische, ökologische und soziale Aspekte wird eine gesunde Arbeitsumgebung der letzten Gruppe zugeordnet.
„Man darf nur bauen, was die Menschen gesund hält“, sagt Anton Kottbauer. Er ist als Assistenzprofessor am Institut für Architektur an der TU Wien für Raumgestaltung und nachhaltiges Entwerfen zuständig. Wie im Cisco-Beispiel sieht auch er einen Zukunftstrend in der Mehrfachnutzung von Arbeitsplätzen: „Ein ökonomischer Aspekt. Wenn sich mehrere Mitarbeiter einen Arbeitsplatz teilen, fallen geringere Bau- und Betriebskosten an.“ Kosten senken und Lebensqualität steigern lässt sich auch mit optimaler Lichtführung: „Wir wollen Tageslicht möglichst tief ins Gebäude hineinbringen. Es darf weder blenden noch sich in den Bildschirmen spiegeln.“

Eine große Rolle für das Wohnbefinden spielen auch Belüftung und akustische Bedingungen. Die Architektur muss ein flexibles Kombinieren von Heim-, Office- und Gruppenarbeit erlauben. Kottbauer empfiehlt, weit über den aktuellen Bedarf hinaus zu denken: „Wer spätere Weiternutzung mitbedenkt, hat vielleicht zu Beginn höhere Planungskosten. Dafür kommt es nachher billiger.“ Tatsächlich macht sich eine ganzheitliche Bedarfs- und Projektplanung in den Folgekosten bezahlt. Nicht nur Betrieb, Energie, Wartung und Reparatur, Verbrauchsmaterial und Entsorgung kommen billiger. Auch die Krankenstände fallen geringer aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2011)

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