Arbeiten im Ausland: Sieben Jahre in China

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Arbeiten Ausland Sieben Jahre(c) AP (Andy Wong)
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Warum Kleinstädte reizvoll sind, Absolventen überzogene Gehaltswünsche haben und westliche Unternehmen selbst schuld sind, wenn ihre Erfindungen abgekupfert werden.

Bloß nicht in die Metropolen gehen!“ Diesen Rat schreibt Rudolf Siebenhofer jedem China-Interessenten ins Stammbuch: „40 Prozent der US-Firmengründungen scheitern wegen falscher Standortwahl.“ Von 2003 bis 2010 hat Siebenhofer für die inzwischen aufgelöste Siemens PSE eine Software-Entwicklung in Nanjing aufgebaut.

Warum nicht im ebenfalls am Jangtse gelegenen Shanghai? Shanghai ist zum unleistbaren Hochlohngebiet geworden, erläutert der 53-Jährige, was „der Firmenstrategie, die Kosten durch den Einsatz günstiger Ressourcen zu senken“, empfindlich entgegengelaufen wäre. Gut ausgebildete Talente werden in den Metropolen Beijing, Hongkong und Shanghai immer knapper und teurer, weshalb westliche Unternehmen in „Second Tier Cities“ ausweichen. „Zweitgereiht“ ist hier nach chinesischem Standard zu verstehen: Second Tiers zählen immer noch vier bis sechs Millionen Einwohner.

Junge mit hohen Erwartungen

350 Mitarbeiter rekrutiert der Siemens-Manager, pro besetzten Job muss er zweihundert Bewerbungen sichten und 20 Interviews führen. Das Selbstbewusstsein der gut ausgebildeten Elite ist groß. Dank jahrzehntelanger Einkindpolitik investieren Eltern und Großeltern den halben Jahresverdienst in ihre Ausbildung – in der sicheren Erwartung, es werde sich später rechnen.

Der Nachwuchs kompensiert Erwartungsdruck mit großem Ego: „Sie haben überzogene Vorstellungen von der eigenen Karriere. Auf die Frage, wo sie sich in drei Jahren sehen, antworten sie immer: an der Unternehmensspitze.“ Entsprechend hoch sind die Gehaltsforderungen: „Nahezu westliche Grundgehälter und jährlich 17 bis 22 Prozent plus sind normal.“ Daher bereitet ihm das europäische Lohnniveau keine Sorgen: „In Shanghai sind Ingenieursgehälter schon jetzt vergleichbar.“

Der Ansturm auf die Universitäten schlägt sich auf die Qualität nieder: „Was vor 15 Jahren ein Bachelor war, ist heute ein Master. Das Niveau ist immer noch gut, aber es sinkt.“ Westliche Unternehmen sind nur bei zehn Prozent der Absolventen als Arbeitgeber begehrt: „Sie fürchten den Druck.“

Als gelernten Österreicher fasziniert Siebenhofer die Mobilität der Chinesen: „Ein Wiener würde nie einen Posten in Sankt Pölten annehmen. Ein Chinese fliegt tausende Kilometer, wenn er von einem guten Job hört.“
Die Kehrseite der Medaille: Für ein besseres Angebot wechselt er sofort. 30 Prozent Fluktuation „sind ganz normal“. 

Nachbauer und Innovatoren

Wie er in seiner Technikschmiede mit Industriespionage umgegangen ist? „In sieben Jahren gab es keinen Vorfall!“ Gefährlicher sind Versäumnisse bei Zertifizierungs- und Homolgationsvorgängen. In China müssen Baupläne vor Produktionsbeginn den Behörden ausgehändigt werden: „Westliche Unternehmen sind oft nachlässig.“

Denn in der Zwischenzeit werden die Prototypen heimlich fotografiert, mit den Patentlisten verglichen und gegebenenfalls unter chinesischem Namen registriert: „Wer hat dann Schuld? Der säumige Westler oder der Chinese, der unsere Nachlässigkeit ausnützt?“ China auf ein Nachbauzentrum zu reduzieren, hält der Ex-Siemens-Manager für gefährlich: „Chinesen sind Kopierer und Innovatoren zugleich. Vor ein paar Jahren hat man sie bei Solarenergie, Biotechnologie und Telekom noch ausgelacht. Heute sind sie Weltspitze.“

Das Reich der Mitte lässt Siebenhofer auch nach seiner Heimkehr nicht los. Der Green-Card-Halter plant, dort seine eigene Software-Entwicklung hochzuziehen. Österreichs Lage sieht er kritisch: „Wir müssen uns auf die Hinterbeine stellen und nachdenken, wo unser Platz im künftigen System ist. Machen wir uns Sorgen um die Alpen wegen der chinesischen Touristen oder wollen wir eine Chance als Industriestandort?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2011)

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