Burn-out-Prophylaxe „Wertschätzung“

Leadership. Friedhelm Boschert, Vorstandsvorsitzender der Volksbank International AG, propagiert Achtsamkeit, Selbstreflexion und aufmerksames Zuhören als für die Zukunft unabdingbare Führungsqualitäten von johanna zugmann

Sich selbst führen. Und dann die anderen“ lautet der Titel des vor kurzem im Bambus Verlag erschienen Buchs, das ein neues Leadership-Konzept beschreibt. Sein Autor, Friedhelm Boschert, ist Vorstandsvorsitzender der Volksbank International AG. Und einer, der nicht Wasser predigt und Wein trinkt, sondern vorlebt, was er auf 181 Seiten als Führungsstil der Zukunft propagiert.

Gemeinsam mit Gabriele Lehner (Lehner Executive Partners) präsentierte er im Management Club vor hundert geladenen Führungskräften sein Konzept. Das Thema des Abends: „Burn-Out-Vorsorge durch Wertschätzung“.

Wie das funktioniert?

Boschert: „Verschiedene Studien haben gezeigt, dass mangelnde Wertschätzung der Grund für Depressionen und Burn-out ist. Das gilt auch für Führungskräfte. Laut der umfangreichen deutschen SHAPE-Studie wirkt sich schon eine geringe Erhöhung der Gaben an Wertschätzung deutlich auf den Gesundheitszustand der Betroffenen aus. Und abseits der Studien sagt das einfach auch die Lebens- und Führungserfahrung. Wer sich unwirksam fühlt, agiert im Leerlauf und kommt nicht vom Fleck. Burn-out ist bei Menschen, die sich als Person nicht anerkannt fühlen, vorprogrammiert“.

Ob die logische Schlussfolgerung der konfliktlose Umgang mit allen Mitarbeitern ist?

Boschert: „Auf keinen Fall. Ein Zeichen von Respekt ist gerade, dass man auch offene und klare Worte spricht, dass Mitarbeiter wissen, woran sie sind. Das wichtigste Mittel der Wertschätzung ist aber das Zuhören, nicht das Reden. Das Nicht-Zuhören gehört zu den größten Führungsfehlern“.

Wertschätzung zu vermitteln, gelingt nach Ansicht des Buchautors nur Menschen, deren eigenes Selbstwertgefühl im Lot ist. Was wiederum reflektierte Persönlichkeiten voraussetze, so Boschert, der täglich um fünf Uhr morgens aufsteht und den Tag mit einer einstündigen Zen-Meditation beginnt. Warum diese fernöstliche Methode und nicht Joggen oder Golfen, was die meisten heimischen Topmanager tun, um den Kopf frei zu kriegen?

Boschert: „Mit Meditation erreicht man unterschiedliche Dinge. Man kann sie zur Stressreduktion einsetzen, man kann sich selbst klarer sehen, man kann Konzentration lernen, man lernt, seine Gedanken zu beherrschen“.

Wie sich das im Führungsalltag auswirkt? „Führungskräfte haben zumeist den Anspruch, den Dingen auf den Grund zu gehen, unter die Oberfläche zu schauen, Menschen zu durchschauen.“ Warum nicht bei sich selbst auf den Grund gehen, sich selbst durchschauen? „Da haben wir ein riesengroßes Manko bei Führungskräften, die alles kennen, nur nicht sich selbst!“, so der 52-Jährige.

Kalendereintrag „Reflexion“

Das Argument „keine Zeit“ lässt er nicht gelten. Man müsse sie sich nur nehmen, meint der gebürtige Deutsche und empfiehlt dringend, Zeit zum Nachdenken und Reflektieren im Kalender einzutragen. Wer das unterlässt, riskiere, am Ende nicht mehr zu wissen, was sie oder ihn bewegt, gefällt und antreibt. In der Folge lasse die Wirksamkeit solcher Führungskräfte bei den Mitarbeitern nach.

„Da ist dann der Schwung raus, die Bonus-Karotte wirkt auch nicht mehr, und es werden immer mehr Abstimmungsgespräche notwendig“, resümiert Boschert, der deutlich gestiegene Anforderungen an die Persönlichkeit der Führungskräfte registriert: „Zum Beispiel an die Integrationsfähigkeit, an die Fähigkeit zum Interessenausgleich und dazu, Vertrauen zu erzeugen, und zwar in ihre eigene Person.“

Der Weg zur eigenen Mitte führe über die vier Schritte „Innehalten“, „Stille“, „Loslassen“ und „Achtsamkeit“. Was es Managern, die gerne die Zügel in der Hand haben, bringt, loszulassen?

Boschert: „Viele Führungskräfte schätzen Prioritäten richtig ein, arbeiten aber an Zweit- und Drittrangigem. Weniger Wichtiges loszulassen ist Voraussetzung für das Denken in Szenarien, wie es etwa die Langfrist-Planung erfordert.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.