Über Geld spricht man – doch

Karriere Gehalt Anreize
Karriere Gehalt AnreizeMarin Goleminov
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Entlohnung. Gehaltssysteme werden zwar kaum kreativer, aber immerhin transparenter. Was letztlich aber zu einer Nivellierung führt. Und Personalabteilungen vor neue Aufgaben stellt.

Auch Sprichwörter sollten sich gelegentlich neuen Gegebenheiten anpassen. „Über Geld spricht man nicht“ ist ein Beispiel dafür. Denn gewollt oder nicht, wir geben im Internet Daten zu unserem Einkommen preis, die von zahlreichen Anbietern gern gesammelt und publiziert werden. Auch in Social Media und auf Bewertungsplattformen heißt es heute vielmehr: „Über Geld spricht man – doch.“

Derzeit versuchen viele Unternehmen mühevoll mithilfe ausgefeilter Arbeitsplatzbewertungen gerechte Gehaltssysteme zu etablieren, die individuell die jeweiligen Aufgaben berücksichtigen, auch wenn diese nur temporär übernommen werden. Das ist nicht nur inhaltlich anspruchsvoll, sondern die aufwendigen Bewertungen müssen auch regelmäßig durchgeführt werden. Unternehmen versuchten so für sich festzulegen, wie sie welche Aufgabe dotieren, und auch ein Dienstgeberprofil zu erarbeiten, sagt Oliver Fabel, Vorstand des Instituts für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Wien.

Besonders Unternehmen, die Agilität zum Prinzip ihrer Arbeit erhoben haben, versuchen, über Funktionszulagen für attraktive und gerechte Gehaltssysteme zu sorgen. In der Praxis meist mit überschaubarem Erfolg.

Nivellierung und ihre Folgen

Dennoch sieht Markus Kittler vom Management Center Innsbruck (MCI) daneben eine andere Entwicklung: Das Feld, sagt er, sei „rechtlich komplex und die Kreativität der Unternehmen eng begrenzt“. Zudem verhielten sich Unternehmen oft eher passiv und orientierten sich an den Mitbewerbern. „Man könnte damit im Bereich der Gehaltsmodelle und sogar generell im Personalbereich von einer weit verbreiteten Tendenz zur Nivellierung sprechen.“

Zurück zum eingangs erwähnten Sprichwort: Das wurde in manchen Ländern (zumindest für einige Gruppen) noch weiter gedreht. In den USA heißt es nicht nur für die Profis der National Football League (NFL), „über Geld muss man reden“ und die Einkommen offenlegen. Das gibt es nicht nur in Übersee, in Finnland werden Gehälter jenseits von rund 150.000 Euro publiziert, und die neue Offenheit reicht sogar bis an Österreichs Grenze: Deutschland führte im Vorjahr das Entgelttransparenzgesetz ein, das Mitarbeitern seit 6. Jänner 2018 einen individuellen Auskunftsanspruch einräumt, ob gleich(wertig)e Arbeit gleich(wertig) bezahlt wird. Das gilt, sofern im Unternehmen mehr als 200 Mitarbeiter beschäftigt sind. Für größere Unternehmen gibt es weitreichendere Vorschriften.

Was dazu führen könnte, dass Gehälter noch stärker nivelliert werden. Das würde die Personalabteilungen fordern, neue Anreizsysteme zu finden, die sich an den individuellen Bedürfnissen der Mitarbeiter orientieren, sagt Kittler: Auto, bestimmte Services oder Freizeit statt (mehr) Geld, selbstdefinierte Arbeitsplatzbedingungen und Aufgaben – oder schlicht mehr Lob und Wertschätzung.

Transparente Gehaltssysteme sorgen jedoch nicht zwingend für mehr Jobzufriedenheit. Die kalifornischen Forscher David Card, Alexandre Mas, Enrico Moretti und Emmanuel Saez stellten 2012 fest, dass Mitarbeiter, die weniger verdienen, auch weniger zufrieden, aber Gutverdiener nicht unbedingt sehr zufrieden sind.

Zeig mir deine Kompetenzen

Fabel ortet daher bei Unternehmen einen anderen Zugang, ein Gehalt zu berechnen, das transparent und gleichzeitig auch gerecht ist. Nicht die Arbeitsplatzbewertung dient dabei als Grundlage, die ja auch insofern mühsam ist, als sich die Aufgaben permanent verändern und am Ende des Jahres oft ganz anders darstellen als zu Beginn. Diese Unternehmen ziehen zur Bewertung die Kompetenzen der Mitarbeiter als Messlatte für das Gehalt heran. Mitarbeiter, die zusätzliche Kompetenzen, die sie für die konkrete Arbeit benötigen, erwerben, dürfen dieser Logik zufolge auch mit mehr Geld auf dem Gehaltszettel rechnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2018)

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