Das VITAMIN B wirkt nicht mehr

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Netzwerken. Compliance hat die Freunderlwirtschaft rund um Postenvergaben eingedämmt. Beziehungen zu pflegen ist wichtig, es geht aber nicht darum, wahllos Kontakte anzuhäufen.

Eines vorweg: Ohne B-Vitamine läuft im menschlichen Körper nichts, weder körperlich noch geistig. Wichtig war Vitamin B auch für Generationen österreichischer Töchter und Söhne, um beruflich Fuß fassen zu können. Das Vitamin Beziehung wohlgemerkt.

Doch diese Zeiten, in denen den eigenen Kindern oder jenen der Freunde Versorgungsposten zugeschanzt wurden, sind vorbei. Aus mehreren Gründen, sagt Personalexperte Oliver Suchocki (Suchocki Executive Search): der Compliance-Vorschriften wegen, weil Führungskräfte strenger kontrolliert werden und sich keine Fehler leisten können. Und, weil „Teams schlanker aufgestellt sind als früher und man keine Personen mehr ,verstecken‘ kann“. Ähnlich sieht das auch Manuela Lindlbauer (Lindlpower Personalmanagement). Transparenz- und Arbeitgeberbewertungsplattformen im Internet würden Druck ausüben: „Die Entscheidungsträger haben Spundus“, sagt sie, keiner wolle sich wegen einer geschobenen Besetzung anpatzen lassen. Daher achte man heute im Recruiting primär auf die Qualifikation der Bewerber und im zweiten Schritt, ob die Person auch menschlich ins Team passe, sagt Lindlbauer.

Im Schlepptau der Chefs

Nach wie vor keine Seltenheit ist, dass Führungskräfte, die den Arbeitgeber wechseln, auch ihre engsten Mitarbeiter mitnehmen. In erster Linie meist, weil sie ihnen vertrauen. Oder aus Dankbarkeit. Oder mitunter auch aus schlechtem Gewissen.

Außerdem kommt es – speziell im (halb-)öffentlichen Bereich – vor, dass Jobs zwar offiziell ausgeschrieben werden, die Favoriten aber längst feststehen – vorausgesetzt, sie oder er bringt die geforderten Qualifikationen mit.

Das Vitamin B im klassischen Sinn hat also doch deutlich an Bedeutung verloren. In einer anderen Façon ist es aber als Trend vor wenigen Jahren wieder in die Unternehmen zurückgekehrt. Und wurde von Arbeitgebern wie Arbeitnehmern unter dem Titel Empfehlungsmanagement begeistert aufgenommen: Mitarbeiter empfehlen ihrem Unternehmen geeignete Personen aus ihrem Freundes- und Bekanntenkreis als potenzielle Kandidaten.

Empfohlene Kandidaten

Matthias Wolf hat sich als Co-Founder des Start-ups Firstbird der Thematik angenommen. „Durch Mitarbeiter empfohlene Kandidaten passen nicht nur vom kulturellen Fit besser ins Unternehmen“, fasst er die Erfahrungen der vergangenen Jahre zusammen, „sie weisen auch eine durchaus höhere Bewerberqualität auf. Denn man achtet als Empfehler darauf, die eigene Reputation durch eine unpassende Empfehlung nicht aufs Spiel zu setzen.“ Die Daten würden zudem zeigen, dass durchschnittlich einer von sieben empfohlenen Kandidaten auch tatsächlich eingestellt werde – und das auch mit relativ hohem Tempo: „Die durchschnittliche Dauer bis zur Einstellung eines Kandidaten liegt bei einer Empfehlung bei 29 Tagen“, sagt Wolf.

Mit Vitamin B im konventionellen Verständnis habe Empfehlungsmanagement nichts zu tun. „Letztendlich geht es nicht darum, seinem persönlichen Netzwerk einen Vorteil zu verschaffen, sondern passive Kandidaten anzusprechen, die das Unternehmen als interessanten Arbeitgeber gar nicht auf dem Radar hatten.“ Und durchaus auch umgekehrt, weil Mitarbeiter auch (Arbeitgeber-)Marken-Botschafter sind.

Botschafter auch in eigener Mission zu sein und zu netzwerken, empfehlen Suchocki und Lindlbauer: „Im Zweifel wählen Entscheidungsträger Menschen, die sie kennen“, sagt Lindlbauer. Es zahle sich aus, via Netzwerke Sympathie und Vertrauen aufzubauen. Und, sagt, Suchocki, Hintergrundwissen zu bekommen und Wissensvorsprung zu haben.

Klasse statt Masse

Zu gänzlich strategischem Netzwerken rät Berater Josef Mantl. In seinem Buch „I Connect“ beschreibt er, wie man passende Netzwerke findet: Am Anfang stehen die Fragen „Welche Ziele möchte ich erreichen?“, „Wo möchte ich in fünf Jahren sein?“ und „Was möchte ich sofort ändern?“. Als zweiten Schritt empfiehlt Mantl, Zwischenziele zu definieren, um bei der Sache und motiviert zu bleiben. Schritt drei sei, Verbände, Klubs und Vereine zu identifizieren, die zu den eigenen Zielen passen, und zu überlegen, ob nicht Freunde oder Kollegen bereits Teil dieser Netzwerke sind. Und, so Mantl: „Man legt eine Primärplattform fest.“ Eine, mit der man beginnt, auf der man erste Kontakte knüpft, sich engagiert und von der aus sich Kontakte in andere Netzwerke ergeben. „Wobei: Es geht nicht darum, möglichst viele Kontakte anzuhäufen. Das Motto lautet: ,Klasse statt Masse‘.“ Noch etwas ist Mantl wichtig: „Man schließt sich mit anderen zusammen und erreicht dadurch mehr.“

Diesen Ansatz verfolgt auch Martina Schöggl, Obfrau des Frauennetzwerks Sorority. Da sie im Gegensatz zu Lindlbauer und Suchocki Vitamin B auch heute noch zum Teil als gängige Praxis erlebt, hält sie Netzwerke für wichtig, um sich auszutauschen, Erfahrungen zu teilen, sich zu unterstützen und „nicht alle Wege allein gehen zu müssen“. Aber, sagt sie, es gehe nicht darum, sich gegenseitig Posten zuzuschieben – denn das wäre Vitamin B in Reinform.

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