Ausstellung: „Weltmeister im Improvisieren“

Karin Zimmer betreut internationale Angelegenheiten im Kulturministerium.
Karin Zimmer betreut internationale Angelegenheiten im Kulturministerium.(c) Foto Wilke
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Karin Zimmer und Annemarie Türk über die in Sarajewo startende Wanderausstellung „Share“.

Annemarie Türk ist Kuratorin mit Schwerpunkt Ost- und Südosteuropa.
Annemarie Türk ist Kuratorin mit Schwerpunkt Ost- und Südosteuropa.(c) Tommi Schneider

Die Ausstellung „Share“, die ausgehend von Sarajewo durch Museen Europas tourt, versammelt Videoarbeiten von zwölf Künstlerinnen und Künstlern, die teils aus Bosnien-Herzegowina stammen, teils in Österreich leben. Ein Gespräch mit den Verantwortlichen, Annemarie Türk und Karin Zimmer, über die teils prekären Produktionsbedingungen.

Wie ist das Projekt in Sarajewo entstanden?
Annemarie Türk: Ich kenne die dortige Szene seit Langem, nicht zuletzt durch meine Arbeit für „Kulturkontakte“. Ich habe mich oft gefragt, wie unter den herrschenden Bedingungen solche Leistungen möglich sind. Es existieren ja im Grunde keine Förderstrukturen. Zwar gibt es vier Kunstakademien, wovon drei erst nach dem Krieg entstanden sind, zwei davon sind interessanterweise in ehemaligen k.  k. Kasernen untergebracht. Doch die Künstlerinnen und Künstler sind auf internationale Kooperationen angewiesen. Das Gedenkjahr ist für uns nun Anlass für einen Anstoß in diese Richtung. So haben wir mit Arbeiten, die für die Ausstellung entstanden sind, eine Video-Edition produziert, um den Künstlern eine Art Visitenkarte in die Hand zu geben. Dafür haben sie auch Tantiemen erhalten, und nicht nur einmal haben wir Sätze wie diesen gehört: „Die Tantiemenzahlung rettet mich!“
Karin Zimmer: Vor diesem Hintergrund war es uns auch ein besonderes Anliegen, im Zuge der Ausstellung für die jungen bosnischen Videokünstler einen Förderpreis auszuloben, der mit einer weiteren Video-Edition sowie einem Artist-in-residence-Aufenthalt in Wien verbunden ist.

Wie läuft das Ausstellungswesen in Bosnien Herzegowina?
Annemarie Türk: Auch die Museumsleute arbeiten unter den schwierigsten Bedingungen. Oft werden monatelang keine Gehälter bezahlt, und die Museen sind geschlossen.
Karin Zimmer: Und sie sind finanziell sehr abhängig von internationalen Kooperationen, was wiederum das Niveau des Programms insofern beeinflusst, als aufgrund des schlechten Etats sehr viele eingekaufte Ausstellungen stattfinden.
Annemarie Türk: Generell sind die Arbeitsbedingungen für alle nicht einfach. Zwar gibt es in Bosnien eine sehr gute literarische Szene, doch die Autoren haben alle auch noch andere Berufe und müssen zum Beispiel als Lehrer, Übersetzer oder Journalisten arbeiten. Die bildenden Künstler halten sich oft mit Assistentenjobs an der Uni über Wasser.

Sie haben für die Ausstellung nur Videoarbeiten ausgewählt. Ist nicht gerade Video ein aufwändiges Medium – etwa in der Hinsicht, dass die Kameras und anderen notwendigen Apparate teuer sind, Schnittplätze benötigt werden und so weiter?
Annemarie Türk: Nein, ganz im Gegenteil! Ein großer Vorteil von Video ist, dass die Künstler kein Atelier benötigen. Insbesondere was die Ausstattung betrifft, sind die Bosnier ja auch Weltmeister im Improvisieren. So jobben sie zum Beispiel bei Werbeagenturen oder bei der Presse, nur um sich eine Kamera auszuborgen oder einen Schnittplatz zu organisieren.
Karin Zimmer: Gerade Video ist ein Medium, mit dem Aussagen viel direkter umgesetzt werden können. Dazu kommt, dass sich Videos viel leichter transportieren lassen als Bilder, Skulpturen oder dergleichen. Denn eine DVD oder ein USB-Stick ist schnell einmal eingesteckt. Das wiederum erleichtert auch internationale Kooperationen, da Zollformalitäten, Kosten des Kunsttransports wegfallen. Was allerdings die technische Umsetzung und Präsentation betrifft, konnte die Nationalgalerie in Sarajewo außer vier Monitoren keine Infrastruktur bereitstellen, wir mussten fast das ganze Equipment kaufen, von DVD-Playern bis zu Beamern.

Der Anlass der Ausstellung ist das Gedenkjahr 2014. Welche Rolle spielt die Geschichte bei der Auswahl der Arbeiten? Der Untertitel „Too Much History – More Future“ drängt den Begriff Geschichte ja eigentlich zurück. Ist das ein Freibrief für alle, die behaupten, Avantgarde zu sein?
Annemarie Türk: Wir wollten junge zukunftsweisende Positionen zeigen. Zwar beschäftigen sich die bosnischen Künstler vor allem mit der jüngeren Vergangenheit und auch weiter zurückreichenden Themen wie dem Zweiten Weltkrieg, der Widerstandsbewegung und (wenn auch seltener) mit 1914. In dem Sinn ist die Geschichte sehr präsent und viel evidenter als bei uns, weil die Suche nach einer neuen Identität und die Aufarbeitung der Geschichte im Zuge der Ereignisse seit dem Zerfall von Jugoslawien viel dringlicher ist. Auch bei der Auswahl der österreichischen Künstler haben wir den Umgang mit Vergangenheit, mit persönlicher und mit kollektiver Erinnerung in die Überlegungen miteinbezogen. Auch wenn die einzelnen Arbeiten vom künstlerischen Gegenstand bis zur künstlerischen Ausformung hin insgesamt sehr sehr unterschiedlich sind, ergibt sich in Summe ein roter Faden, der von einer Arbeit zur anderen führt.

Welche Schlüsselthemen haben sich ergeben?
Annemarie Türk: Die Videos handeln von der Erinnerung, vom Umgang mit der persönlichen, aber auch der kollektiven Geschichte und der Suche nach einer Identität. Solche Fragen lassen sich im Rahmen einer Ausstellung zum Gedenkjahr gut verhandeln. Auch wenn der Erste Weltkrieg als solcher kaum Gegenstand der Arbeiten ist, geht es viel um das Erbe von Kriegen, um Fragen wie: „Was bleibt?“, „Wie baut man darauf neue Gesellschaften?“.

Im Zusammenhang mit dem Gedenkjahr gibt es, nicht überraschend, europaweit eine wahre Flut von Ausstellungen, wobei die meisten historische Zugänge gewählt haben. Welche Rolle kann in dem Zusammenhang speziell die zeitgenössische Kunst spielen?
Karin Zimmer: Die zeitgenössische Kunst wird dem Land am gerechtesten, weil sie imstande ist, den Bezug zwischen Gegenwart und Zukunft herzustellen. Das ist mit ein Grund, warum wir den Videowettbewerb unter jungen Künstlerinnen und Künstlern aus Bosnien-Herzegowina begleitend zur Ausstellung ausgeschrieben haben. In dem Sinn ist es uns auch ein Anliegen, dass „Share“ zahlreiche Stationen hat: So folgen auf die Ausstellung in Sarajewo Präsentationen mit Künstlergesprächen in Ljubljana, Belgrad, Zagreb. Am 27. und 28.  Juni findet zum 100. Jahrestag des Attentats auf  Franz Ferdinand und seine Gattin im Belvedere in Wien eine Kinonacht statt. Anschließend macht die Ausstellung Station im Klagenfurter Museum moderner Kunst sowie beim internationalen Filmfestival in Trebinje, in der Republika Srpska, wo am 9.  Oktober auch der Preis vergeben wird. Angefragt sind weiters für 2015 Präsentationen im belgischen Mons, in Straßburg sowie in Bratislava und Regensburg. Vor allem Mons - wo die erste Schlacht der britischen Armee im Ersten Weltkrieg stattfand - und Straßburg sind wichtig, um dem Projekt auch einen weiter reichenden politischen Zusammenhang und Background zu geben. 

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