Ronald Isley: Das Erbe einer Soul-Dynastie

Standesgemäß. Das Jazzfest hat den Isley Brothers die Staatsoper reserviert.
Standesgemäß. Das Jazzfest hat den Isley Brothers die Staatsoper reserviert.(c) Universal
  • Drucken

Mit Ronald Isley kommt heuer eine der wichtigsten Soulstimmen erstmals nach Österreich.

Das Geheimnis der über fünfzig Jahre währenden Karriere der Isley Brothers aus Cincinnati/Ohio ist ihre Anpassungsfähigkeit. In jeder Dekade haben sie das Klangbild ihrer Musik an die jeweils modernen Sounds angepasst und dabei dennoch immer nur Soul, Funk und ganz früher auch Rock gemacht. In den frühen Sechzigerjahren spielte sogar der spätere Gitarrengott Jimi Hendrix in der Isley-Brothers-Band. Ihre ersten Singles haben die Isley Brothers  bereits 1956 aufgenommen. Und dann ist da natürlich die charismatische Stimme von Leadsänger Ronald Isley, einem Mann der sämtlichen Gefühlslagen Autorität verleiht. Zur tollen Stimme kommt ein Arbeitsethos, das eigentlich keine Zeit für Rückblicke lässt. Wie viele Kollegen interessiert Ronald Isley nur die Zukunft.

Bestenfalls zur Gegenwart will er zuweilen etwas sagen. Zum Beispiel zu seinem aktuellen Album „This Song Is for You“, einem Soul-Kammerspiel in dreizehn hitzigen Akten. „Das Business hat sich wahnsinnig verändert. Es ist so schwer geworden, ganze Alben zu verkaufen. Die Tendenz, dass sich mehr und mehr Menschen nur mehr für einzelne Lieder erwärmen, macht mich sehr nachdenklich. Egal, ich habe versucht, jeden Song so attraktiv zu gestalten, dass er als Single erfolgreich sein könnte.“ Die Soloalben von Ronald Isley, genauso wie die Isley-Brothers-Alben mit seinem Bruder Ernie, sind sublime Angelegenheiten. Der raue Funksound der Siebzigerjahre wird nur mehr in Konzerten in Europa zelebriert.

Auf Platte dominiert die Ballade. Für sein Crooning wird Ronald Isley seit jeher auch von der Hip-Hop-Gemeinde geliebt und gesampelt. Für einzelne Rapper sang Isley auch neue Melodien ein. So arbeitete er etwa mit dem verstorbenen 2Pac, Warren G. sowie dem zwei Generationen jüngeren R&B-Meister R.   Kelly. Durch Letzteren erfuhr Isley einen besonderen Karriereschub. In R. Kellys Hitvideo „Down Low (Nobody Has To Know)“ spielte er den Wüstling Mr. Biggs, eine Schlawinerfigur, die sich größter Beliebtheit erfreute. Isley liebäugelte mit diesem Image über mehrere eigene Alben und hatte 2003 mit „Body Kiss“ sogar ein Nummer-eins-Album in den USA. Und zwar nicht nur in den R&B-Charts, sondern auch in den Popcharts. „Heutzutage herrscht wahnsinnige Konkurrenz. Jeder will der Erste sein, aber nur einer kann es wirklich sein. Da darf man nicht melancholisch werden. Wichtig für eine lange Karriere ist, dass du dich immer wieder auf dich selbst besinnst. Wenn du authentisch bist, dann spüren das die Menschen. Nur dann mögen sie deine Songs.“

Motown-Legenden. Die Isley Brothers haben sich in ihrer langen Geschichte allerdings auch auf andere Songwriter verlassen. Etwa 1966 bei ihrem Erfolgsalbum „This Old Heart of Mine“ auf Motowns Erfolgstrio Holland/Dozier/Holland. Mit flotten Liedern wie „Nowhere To Run“ und dem dramatischen „Stop! In The Name of Love“ trugen sie sich in die lange Liste der Motown-Legenden ein. Vor allem der herzerweichende Tenor von Ronald Isley wusste zu entzücken. Umrahmt von den Harmonien seiner Brüder Rudolph und O’Kelly Isley brach er drei Jahre (von 1966 bis 1969) lang die Herzen der stolzesten, amerikanischen Teenager. Den geigenumflorten Schleicher „This Old Heart of Mine“ machten sie 1966 zum Soulklassiker. Auch das 1967 unter der Regie von Ivy Jo Hunter aufgenommene „Soul on the Rocks“ wies die richtige Mischung aus lebhaften Stompern und nachdenklichen Balladen auf. Das passionierte, waghalsig instrumentierte „Behind a Painted Smile“ zählte zu den markantesten Songs des Jahres.

1969 war ein Schlüsseljahr für die Band. Zum einen beschloss sie, die alte Idee vom eigenen Label T-Neck mithilfe des damaligen Businessgiganten Buddah Records Wirklichkeit werden zu lassen. Zum anderen besann sie sich darauf, sich soundmäßig weiterzuentwickeln. Die Funkansätze sollten forciert, die Soulsongs noch viel weicher werden. Ihr 1969 veröffentlichtes Album „It’s Your Thing“ wurde ein massiver Verkaufserfolg. Der knochentrockene, funkige Titeltrack wurde zur bislang kommerziell erfolgreichsten Single der Vokalgruppe: Platz zwei in den amerikanischen Billboard Charts. Dann stiegen die jüngeren Brüder Ernie und Marvin Isley sowie Cousin Chris Jasper zu den erfahrenen Isleys mit in den Ring und brachten neue Ideen mit ein. Es folgte ein Reigen von heute als klassisch angesehenen Alben wie „Brother, Brother, Brother“, „3+3“, „Givin’ It Back“, „Harvest for the World“ und „The Heat Is On“. Diese Alben zeichnen sich durch große Zeitlosigkeit aus. Butterweiche, manchmal zehnminütige Balladen und raue Funkszenarien wechseln einander effektvoll ab. Zu den Klassikern dieser Ära zählen rasante Lieder wie „That Lady“, „Fight the Power“, aber auch Balladen wie „Love Put Me on the Corner“, „For the Love of You“ und „Summer Breeze“. Das letzte Album in der sechsköpfigen Siebzigerjahrebesetzung sollte dann das verführerische „Between the Sheets“ werden.

Fit für die Bühne. Das 1983 eingespielte Werk ist ein Klassiker des nun unter dem Signet „Quiet Storm“ firmierenden Satin Soul. Es sollte immerhin noch zwei Millionen Stück verkaufen. Danach spalteten sich die jüngeren Mitglieder ab und gründeten Isley-Jasper-Isley. Mit „Caravan of Love“ hatten auch sie bald einen Millionenseller. 1986 starb Kelly Isley. Rudy Isley nahm noch zwei Alben mit Ronald auf, ehe er sich ab Ende der Achtzigerjahre als Pfarrer betätigte. In den Neunzigerjahren entwickelte Ronald seine Solokarriere. Da auch Marvin Isley nicht mehr auftreten kann, weil er durch Diabetes seine Beine verloren hat, kann sich der wackere Ronald von der Originalbesetzung nur mehr auf den Gitarristen Ernie Isley stützen. Neben der Pflege des Isley-Brothers-Erbes findet Ronald immer wieder Zeit für Neues. Sein 2003 eingespieltes Album „Here I Am“ zeigte ihn im Duett mit Songwriterlegende Burt Bacharach. Seine Interpretation von Klassikern wie „Windows of the World“, „The Look of Love“ und „Raindrops Keep Falling on My Head“ begeisterten nachhaltig. Von seinem Österreich-Debüt beim Jazzfest Wien ist das Beste zu erwarten. Der Mann ist in Spitzenverfassung und wird einen klingenden Karriereüberblick von seinem ersten, in den Fifties geschriebenen Welthit „Shout“ bis zu seiner aktuellen Single „My Favourite Thing“ geben. Jubel!

Tipp

Jazzfest Wien. Im Rahmen des Jazzfests spielen The Isley Brothers in der Wiener Staatsoper auf und gastieren damit erstmals in ihrer 58-jährigen Karriere in Österreich. 6. Juli, 19.30 Uhr.

www.viennajazz.org

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.