„Così“: Mozart, bitter wie selten

Gezerre um die Liebe in den schönsten Tönen.  Mozarts „Così fan tutte“, im Juni bei den Festwochen.
Gezerre um die Liebe in den schönsten Tönen. Mozarts „Così fan tutte“, im Juni bei den Festwochen.(c) Javier del Real/Teatro Real Madrid
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Michael Hanekes viel gelobte „Così“-Inszenierung aus Madrid kommt ins Theater an der Wien: Von Wodka, Rausch und Kater.

Michael Haneke beschert seinen Liebenden eine harte, auch filmische Lehrstunde.
Michael Haneke beschert seinen Liebenden eine harte, auch filmische Lehrstunde. (c) ORF (Denis Manin)

Und sie kommt doch noch nach Österreich! Michael Hanekes Inszenierung von „Così fan tutte“. Mozarts Wett-, Verkleidungs- und Partnertauschspiel in der Interpretation des großen Filmregisseurs. Dem umtriebigen, streitbaren, aus Salzburg bestens bekannten und im heurigen März verstorbenen Gerard Mortier ist es als Intendant des Teatro Real in Madrid gelungen, Haneke zu dieser Opernregie, seiner zweiten, zu bewegen. Getreu dem Motto „Never change a winning team“ – denn schon Hanekes erste Opernarbeit war Mortier zu danken, der ihn 2006 in Paris zu Mozarts „Don Giovanni“ animieren konnte. Den Madrider Coup hätte man natürlich gerne ans dritte Wiener Opernhaus im Theater an der Wien weiterreichen wollen. Doch dort setzte man in Sachen „Così fan tutte“ lieber auf das bewährte Team Nikolaus Harnoncourt und Martin Kušej. Doch: Kušej sagte die Regie ab, und das Theater an der Wien schwenkte auf konzertante Aufführungen der Da Ponte-Opern unter Harnoncourt um. Die Festwochen springen nun ein, um die szenische „Così“-Lücke im Theater an der Wien zu füllen. Zur großen Freude von Festwochen-Chef Markus Hinterhäuser, der sich bereits im letzten Sommer von der Madrider Produktion, die danach auch in Brüssel zu sehen war, ganz begeistert zeigte und sie unbedingt nach Wien bringen wollte.

Sogar Holender lobte.
„Sie gilt als eine der beispielgebendsten Operninszenierungen unserer Zeit“, meinte sogar der für Überschwänglichkeiten nicht gerade bekannte Ex-Staatsopernchef Ioan Holender. Er reiste rund um die Premiere nach Madrid, um eine Ausgabe seiner TV-Sendung „kulTOUR“ zu drehen, die jetzt als Feature auf der DVD-Aufzeichnung nachzusehen ist. Holender war bei weitem nicht der einzige Medienvertreter, den es damals in die spanischen Kapitale zog. Denn auch dank zeitgleicher Oscar-Nominierungen für seinen Film „Amour“ herrschte ein gewaltiger internationaler Medienrummel um Haneke und seine zweite Opern-Inszenierung. Auf die Premiere, am 23. Februar 2013, musste der Regisseur dann allerdings verzichten. Hollywood rief, wo ihm ein Oscar überreicht wurde.

Famose Sänger. Der Abend faszinierte auch ohne ihn. Selten zuvor hatte man so präzises, minutiös bis in die kleinste Regung des letzten Choristen durchchoreographiertes Musiktheater gesehen. Haneke hatte jene atemberaubende Genauigkeit, die man aus seinen Filmen kennt, auf die Opernbühne übertragen. Kein Wunder also, dass diese Produktion die gängigen Konventionen des Betriebs aushebelte. Die famosen Sänger wurden aus über hundert Kandidaten gecastet. Die Proben gingen über acht statt der sonst üblichen sechs Wochen und dauerten nicht nur sechs, sondern acht Stunden pro Tag.

Natürlich will Haneke auch bei einer Opernregie den Filmemacher nicht ganz verleugnen, kann aber auch auf seine Erfahrung als Theaterregisseur bauen. Er inszeniert erfrischend, aber nicht gewollt gegen Opernkonventionen, lässt schon einmal mit dem Rücken zum Publikum singen. Als besonders schöner Moment bleibt in Erinnerung, wenn Dorabella und Guglielmo die letzten Takte ihres Duetts nur noch aus der Gasse, bereits am Weg ins Schlafzimmer singen. Manche Szenen blenden geradezu filmisch ineinander über. Haneke erlaubt sich Pausen zwischen der Musik, stille Momente, in denen Regungen, Gesten, Blicke wirken können. Die Rezitative huschen diesmal nicht als arienverbindend-unverbindliches Parlando vorbei, sondern sind messerscharf wie Theaterdialoge gearbeitet. Auch das Bühnenbild erinnert in seiner ausladenden Breite an eine Kinoleinwand. Christoph Kanter, der Haneke-Filme wie „Das weiße Band“, „Caché“ und „Die Klavierspielerin“ ausgestattet hat, baute ihm einen Einheitsraum. Es ist eine alte italienische Villa, ein im Inneren modernisiertes Herrenhaus, das sich, von Glastüren getrennt, auf eine Terrasse hin öffnet. Rechts lodert im zweiten Akt das Feuer im Kamin, daneben erstreckt sich eine lange Sitzbank in die Mitte der Bühne. Links blickt man an der Wand auf das Fragment einer Szene à la Watteau. An der Stirnseite daneben wartet ein großer Kühlschrank voll mit Alkoholika, Stoff, der die sechs Seelen bei ihrem bitteren Liebespiel, das Haneke mit Mozart hier vorführt, begleiten wird. Vom anfangs freudig genippten Wodka bis zum betäubenden Schluck, wenn die Sache unaufhaltsam ins Grausame kippt.
Spätestens dann ist er da. Haneke, der Realist, wie er bekennt, der auch nur realistische Opernstoffe, wie er sie eben in Mozarts „Don Giovanni“ und in der „Così“ sieht, inszenieren möchte.

Pierrot à la Watteau. „La scuola degli amanti“, so das Werk im Untertitel, diese Schule der Liebenden hat einen harten Lehrplan. Das Dramma giocoso glitzert nur kurz im südlichen Licht, führt die vom Philosophen Don Alfonso mit den jungen Liebhabern Ferrando und Alfonso angezettelte Wette, um die Treue der Geliebten Dorabella und Fiordiligi herauszufordern, nicht als leichtes Rokoko-Geplänkel vor. Die Symmetrie des Spiels wird noch einmal verdichtet. Die Kammerzofe Despina und der alte Alfonso sind ein Paar. Zwei Menschen, die sich nichts mehr zu sagen haben, deren Liebe in Hass umgeschlagen ist. Aus dem gerissenen Spielmacher ist ein brutaler Zyniker geworden, der verbissen den Beweis für sein eigenes Versagen führt. Der die naiven Jungen genussvoll in das von ihm gezückte Messer laufen lässt. Dennoch gelingt es Haneke das Ganze immer wieder auch wunderbar in Schwebe zu bringen.
Der Abend eröffnet sich als Empfang für ein Kostümfest. Gastgeberin Despina ist in ein Pierrot-Gewand à la Watteau geschlüpft, Alfons steckt so wie der Großteil der Gäste ganz im prächtigen Rokoko von Kostümbildnerin Moidele Bickel. Die jungen Liebenden erscheinen modern gewandet. Die nur lapidar als „Fremde“ verkleideten Liebhaber werden kurz später wohl noch als Teil eines harmlos scherzhaft gestarteten Rollentauschspiels erkannt, dessen ernüchternde, katalytische Dimension sich nach und nach offenbart. Bitterer hat diese so süß klingende Mozart-Pille selten geschmeckt. Man sollte sie unbedingt kosten!

Tipp

Mozarts „Così fan tutte“ in der Regie von Michael Haneke am 2., 4., 5. Juni um 19 Uhr im Theater an der Wien, Dirigent: Sylvain Cambreling, mit Anett Fritsch, Paola Gardina, Andreas Wolf, Juan Francisco Gatell, Kerstin Avemo, William Shimell
www.festwochen.at

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