Der böse Ruf des armen „Ja, aber“

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Einen Schwund des „Ja, aber“ beklagen manche in der Flüchtlingsdebatte. Tatsächlich gilt die Wendung – nicht immer zu Recht − als verkapptes Nein, für Kommunikationsspezialisten ist sie ein Unwort. Sie empfehlen Alternativen.

Im vorigen Jahrhundert kursierte eine Art von Witzen, die als Radio-Eriwan-Witze bekannt waren. Sie fingierten Antworten des fiktiven Senders Radio Eriwan auf angebliche Anfragen sozialistischer Hörer. Diese Antworten hatten fast alle eines gemeinsam – sie fingen mit den Worten „Im Prinzip ja, aber“ an. „Stimmt es, dass Iwan Iwanowitsch in der Lotterie ein rotes Auto gewonnen hat?“, hieß es da etwa, und der Sender antwortete: „Im Prinzip ja. Aber es war nicht Iwan Iwanowitsch, sondern Petr Petrowitsch. Und es war kein rotes Auto, sondern ein Fahrrad. Und er hat es nicht gewonnen, sondern es ist ihm gestohlen worden.“ Kurz gesagt, das freundliche „Im Prinzip ja, aber“ meinte eigentlich: „völliger Blödsinn“.

Das muss es nicht. Dennoch, kritisiert der deutsche Kolumnist André Mielke in der „Berliner Zeitung“, stehe das „Ja, aber“ in der Flüchtlingsdebatte unter Generalverdacht. Tendenziell gelte, wen das Mantra „Wir schaffen das!“ überfordere, als „Ja-aber-Nazi“. „Einen eklatanten Ja-aber-Schwund“ stellt auch Publizist Archi W. Bechlenberg bei Zuwanderungsfragen fest: „,Aber‘, der ,Neger‘ unter den Subjunktionen?“

„Ja, aber“-Methode: nur für Könner

Kommunikationsspezialisten werden sagen: nicht zu Unrecht. Sie verdammen die Wendung „Ja, aber“, es sei ein Unwort, Garant für schlechte Kommunikation. Ja-aber-Sager, behaupten sie, müssten davon ausgehen, dass das Gegenüber „nein“ höre – und nicht mehr zuhöre. Denn das „Ja“ werde nicht als wirkliche Zustimmung verstanden, sondern als Alibi-Ja, als rhetorisches Sprungbrett für das große „ABER“. Als solche könne die „Ja, aber“-Methode zwar kommunikationstechnisch sinnvoll sein, rät eine Website, aber nur, wenn sie gekonnt durchgeführt werde: „weil die gängige Einwandbehandlung nach diesem Muster meist im Gesprächspartner nur Widerstand erzeugt“. Sinnvoll sei sie nur, wenn es einem gelinge, vor dem Einwand noch wirkliche Wertschätzung für die „Ja-Haltung“ auszudrücken.

Das „Ja, aber“ kann also ein Trick sein, um Andersdenkende „einzufangen“, geneigt zu stimmen. So rät auch ein Buch über den arabischen Raum, im „Orient“ (sic!) statt nein „Ja, aber“ zu sagen – weil ein Nein dort als unhöflich gelte. Nicht zufällig nennt sich ein Blog zur Widerlegung von Vorurteilen „Yes, but no“. Und ein Kaffeehaus im kanadischen Montreal Oui mais non – offensichtlich mit der Botschaft: Nur auf den ersten Blick scheinen wir normgemäß, hinter der Fassade sind wir unangepasst und „alternativ“.

Der Ruf des „Ja, aber“ als verkapptes Nein ist umso auffälliger, als die Wortverbindung ja eigentlich nicht Selbstbarrikadierung ausdrückt, sondern im Gegenteil ein auf den anderen Zugehen. Mit Vorbehalten. „Ja, aber“ signalisiert eingeschränkte Zustimmung – grundsätzlich teilt man die Meinung des Gegenübers, aber in bestimmten Aspekten ist man anderer Meinung. „Ja, aber“ klingt nach nuanciertem und kompromissbereitem Denken: eine Haltung, die das „Manager Magazin“ während der Eurokrise etwa Deutschlands oberstem Verfassungsrichter bescheinigte; der Mann, der darüber entscheiden sollte, ob der Euro-Rettungsfonds ESM mit dem Grundgesetz in Einklang steht, wurde als „der Ja-aber-Sager“ porträtiert – und zwar in lobender Absicht.

Diese Wertung wird man sonst in Management- und auch in Lebenshilfebüchern eher nicht finden. Dort hat man die „Ja-aber-Sager“ als die großen Blockierer ausgemacht, als Fortschrittsfeinde auf dem Weg zur betrieblichen oder persönlichen Veränderung. Ursprung der „Ja-aber-Haltung“ sei stets die Angst, erfährt man da. „Ja, aber“ ist gleich „nein“, suggeriert auch der deutsche Bundesarbeitskreis „No Borders“. Er hat eine Grafik aus Argumenten und Gegenargumenten erstellt, ausgehend von der Phrase „Ich hab nichts gegen Ausländer, aber . . .“ Diverse Fortsetzungen dieser Phrase (zum Beispiel: „. . . die sind doch alle kriminell!“) führen per Pfeil zum jeweiligen Gegenargument (wie: „Kriminalität hängt mit Armut zusammen, nicht mit der Herkunft.“); auf dieses folgt wieder ein Einwand der „Ja, aber“-Fraktion, usw. Interessant ist das Ende all dieser Pingpongspiele: Auf neue Argumente der „Ja“-Fraktion (z. B.: „Lohndumping ist ein Problem des Kapitalismus und nicht ein Problem von Bevölkerungsgruppen.“) hat die „Ja, aber“-Fraktion sachlich nichts mehr zu erwidern, sie reagiert mit einem unvermittelten „Die gehören einfach nicht hierher.“ – was zum Ergebnis der Grafik führt: „Dein Problem heißt Rassismus.“

„Ja, und“, „Was, wenn?“, „Gerade weil“

So wie durch diese Grafik suggeriert, können Diskussionen verlaufen, müssen es aber keineswegs. Sie erinnert an den angeblichen Beschluss eines Unternehmens, die Worte „Ja, aber“ aus dem internen Sprachgebrauch zu streichen und durch „Warum nicht?“ zu ersetzen: Einladung zu kreativer Offenheit oder Ausladung des Widerspruchs? Nicht nur das „Ja, aber“ kann Zeichen von Angst sein, auch dessen Ablehnung. Außerdem hängt die Inflation des „Ja, aber“ mit der Inflation des eingeforderten „Ja“ zusammen, dem Zwang zum moralischen Grundbekenntnis als Eintrittskarte in die Debatte. Und wenn das geforderte „Ja“ so allgemein ist, dass es inhaltsleer wird (wie das Ja „zu Flüchtlingen“), kann das „Ja, aber“ schlicht der Versuch sein, konkret zu werden.

Es gibt aber auch Alternativen. „Gerade weil“ („. . . wir für die Aufnahme von Flüchtlingen sind“) würden Psychologen wohl statt des „Ja, aber“ gegen innere und äußere Verhärtung empfehlen, im Denken wie im Sprechen; ein offenes „Ja, und . . .“, oder auch die neugierige „Was, wenn?“-Frage. Sinn hat sie natürlich nur, wenn man sich nicht einbildet, die Antwort schon zu kennen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2016)

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