Der Paukenschlag im Belvedere

Agnes Husslein-Arco, hier im Atelier ihres Großvaters, des Malers Herbert Boeckl. Husslein steht wegen Verstößen gegen Compliance-Vorschriften in der Kritik. Ihre Ära als Belvedere-Chefin dürfte bald zu Ende gehen.
Agnes Husslein-Arco, hier im Atelier ihres Großvaters, des Malers Herbert Boeckl. Husslein steht wegen Verstößen gegen Compliance-Vorschriften in der Kritik. Ihre Ära als Belvedere-Chefin dürfte bald zu Ende gehen.(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Nach dem Skandal: Die Museumsführung werde neu ausgeschrieben, kündigte Kulturminister Drozda an. Am 1. 1. 2017 soll das neue Team bereits antreten. Die Bundesmuseen werden reformiert.

Wien. Reparaturarbeiten auf Museumskosten in der Privatwohnung, Reisespesen für die Fahrt ins Urlaubsdomizil, vor allem aber autoritärer Führungsstil – seit Wochen prasseln Vorwürfe auf Belvedere-Chefin Agnes Husslein ein, die bis Jahresende amtiert. Dann aber wird es wohl vorbei sein. Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) lässt die Belvedere-Führung erneut ausschreiben, es wird eine Doppelspitze geben, einen kaufmännischen und einen wissenschaftlichen Leiter. Das Belvedere wird neu aufgestellt. Und die Bundesmuseen werden insgesamt reformiert. Sektionschefin Andrea Ecker übernimmt von Hans Wehsely interimistisch den Kuratoriumsvorsitz im Belvedere. Wehsely habe seinen Rücktritt angeboten, so Drozda: „Ich habe ihn angenommen.“

Auch die übrigen Kuratoriumsmitglieder des Belvederes wollten demissionieren, er habe sie aber aus Gründen der Kontinuität gebeten, vorläufig zu bleiben. Aufgelöst wird der Vertrag von Prokuristin Ulrike Gruber-Mikulcik, die Strafanzeige wegen des Verdachts der Untreue gegen Husslein eingebracht hat – im Gefolge der gegen die Belvedere-Chefin erhobenen Vorwürfe wegen Verstößen gegen Compliance-Vorschriften.

Hohes Wirtschaftsprüferhonorar

Auf die Frage, ob Gruber-Mikulcik nicht in den vorgeworfenen Tatbestand involviert sei, da sie Reiserechnungen unterzeichnete, die Husslein vorlegte, nachdem sie sommers in ihrem Domizil in Kärnten tätig gewesen war, sagte Drozda: „Meiner Ansicht nach, ja.“ Gruber hat sich einen Anwalt genommen. Stein des Anstoßes für den Rücktritt Wehselys war eine Sonderprüfung des Belvederes, die bei Wirtschaftsprüfern und Juristen in Auftrag gegeben wurde und angeblich den Steuerzahler 130.000 Euro kosten könnte. Drozda wollte diese Zahl nicht bestätigen, über die Höhe des Honorars werde verhandelt, er werde es keinesfalls akzeptieren: „Ich habe Erfahrung mit solchen Angelegenheiten. Eine Bilanz kostet 9000, eine Wirtschaftsprüfung 10.000 Euro. Diese hohe Summe ist mir unbegreiflich und schleierhaft!“

Personalberater sichtet Bewerber

Der mächtige Mann im Hintergrund wird im Belvedere in den nächsten Monaten Museumsexperte Dieter Bogner sein, den Drozda zum interimistischen Geschäftsführer des Museums berufen hat. Mit seinem wirtschaftlichen und museologischen Background sei Bogner „die Idealbesetzung“, so Drozda. Allerdings wird Bogner die nächsten Monate dafür sorgen müssen, dass die neue Leitung geordnete Umstände vorfindet. Das Belvedere müsse organisatorisch und strukturell völlig neu aufgestellt werden, betonte Drozda. Die nunmehrige Ausschreibung der Belvedere-Führung ist bereits die zweite, bei der ersten war eine Findungskommission eingesetzt, der u. a. die Künstlerin Eva Schlegel, Yilmaz Dziewior, Österreich-Kommissär bei der Biennale in Venedig 2015 und Direktor des Ludwig-Museums in Köln, Christian Kircher, Chef der Bundestheater-Holding, angehört haben. Bei der Neuausschreibung soll eine Personalberatung die Bewerbungen sichten. Da man bei der ersten Ausschreibung angenommen hat, dass Hussleins Vertrag verlängert wird, dies aber nun unwahrscheinlich ist, werden bei der zweiten Ausschreibung mehr Interessenten erwartet.

Lob für Hussleins agile Führung

Drozda lobte Hussleins agile Museumsführung und ihre Ausstellungen von ?lafur Elíasson bis Ai Weiwei (derzeit im 21er-Haus). Ob das Belvedere-Imperium mit Haupthaus, 21er-Haus und Winterpalais erhalten bleibe, dazu wollte sich der Minister vorerst nicht äußern. Er will nun eine Reform der Bundesmuseen starten, eine solche versuchte bereits eine seiner Vorgängerinnen, Claudia Schmied (SPÖ), der aufwendige Diskurs mit Experten aus aller Welt brachte aber kaum Ergebnisse. „Diesmal wird das gelingen!“, ist Drozda überzeugt. 15 Jahre sind seit der Ausgliederung der Bundesmuseen verstrichen, es sei Zeit für eine Evaluierung.

Ex-Mumok-Chef Köb reorganisiert

Dass es wie beim Belvedere keine Protokolle von Kuratoriumssitzungen für den Bund gebe, sei inakzeptabel. Es soll auch eine Obergrenze von Gagen für Direktoren eingeführt werden: „200.000 Euro im Jahr plus minus zehn Prozent je nach Bedeutung des Hauses.“ Ferner kündigte Drozda ein Weißbuch für die Bundesmuseen an, mit dessen Hilfe Organisation und Struktur verbessert werden sollen. Weißbücher enthalten Vorschläge für das Vorgehen in bestimmten Bereichen. Edelbert Köb, der frühere Direktor des Wiener Museums moderner Kunst (Mumok), wird den Reformprozess gestalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2016)

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