Wiener Festwochen: Eineinhalb Stunden Nonsens

(c) Thomas Aurin/Wiener Festwochen
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„Ohne Titel Nr. 1 – Eine Oper von Herbert Fritsch“ kann man lustig finden – oder ziemlich langweilig.

Es wird reichlich gelacht an diesem Festwochen-Abend im Burgtheater, aber der beste Witz steht auf Karte und Programm: „Oper von Herbert Fritsch“. Eine vollendete Contradictio in adiecto. Entweder es ist von Fritsch, dann ist es keine Oper. Oder es ist eine Oper, dann ist sie nicht von Fritsch. Aber eine Oper soll es auch gar nicht sein. Wollte man das Stück schubladisieren, wäre angesichts der Nummern- und Zirkushaftigkeit „Revue“ grenztauglich.

„Ohne Titel Nr. 1“ also. Da es zwar schon an der Berliner Volksbühne gelaufen ist, aber doch ein neues Werk ist, zunächst ein paar Worte zum Geschehen: Hauptrolle spielt ein überdimensionales Sofa, effektvoll immer wieder anders beleuchtet und von den zwölf Protagonisten mal solistisch, mal im Kollektiv bespaßt. Mit diesem Sofa kann man allerhand machen, zum Beispiel repetitiv den Kopf dagegenknallen, was lustige Schädel-krach-Gehirn-platsch-Geräusche macht. Man kann sogar darauf singen, aber darum geht es ja nicht eigentlich („Oper“). Um 8.10 – man blickt gelegentlich auf die Uhr – ein Wortspiel: Fliege (Tier) vs. Fliege (Accessoire), dann eine Furz- und Durchfallorgie. Gelächter. Um 8.20 fällt einer der Darsteller von der Bühne. Ist diese wieder erklommen, folgt ein „Zaubertrick“ in rührender Durchschaubarkeit, an dessen Ende die Zunge durch ein Raschel-Requisit gesteckt wird. Bäh. Eine Darstellerin nimmt den Faden auf und vollführt eine Schlangenbeschwörernummer mit ihrer Zunge . . .

Schnitt, Neustart, so kommt man dem Stück nicht bei. Nähern wir uns dem Sofa sinnseitig: Das Riesending als Bild einer aus den Fugen geratenen Welt, darin die Menschlein verloren ihre armseligen Spielchen treiben? Nochmal Schnitt, Sinnsuche führt, wo Sinnlosigkeit Programm ist, nicht weiter. Und die Anspielungen auf den Opernbetrieb wie etwa ein höchst theatralischer Selbstmord und die verordnete Textunverständlichkeit sind zu platt, um subversiv zu sein. So billig gibt es Fritsch nicht. Hoffentlich. Nein, das Subversive ist hier das Fehlen jeglicher Subversivität.

Hier sitzt jeder Rülpser!

Der einzige Weg, dem Stück beizukommen: Hirn ausschalten, Ohren auf Durchzug (die von Ingo Günther komponierte und unter seiner Leitung höchst präzise exekutierte Musik, die das Spektrum vom Knarzen bis zur Arienparodie abschreitet, verlangt keine Konzentration) – und eineinhalb Stunden in geballtem Nonsense baden. Lässt man sich darauf ein, kann man sich an der mimischen Virtuosität des Ensembles berauschen und an seiner Akrobatik. Bis ins letzte Detail sitzt jedes Zucken des Mundwinkels, jeder Laut, jedes Beinschlenkern, jeder Rülpser. Man kann das lustig finden. Man kann sich aber auch zusehends langweilen und zum Schluss kommen: Der Nonsense ist auch nicht mehr das, was er vielleicht nie war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2015)

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