Festwochen-Tandem zum Abschluss

ARCHIVBILD: FOTOPROBE / WIENER FESTWOCHEN / 'HERZOG BLAUBARTS BURG'
ARCHIVBILD: FOTOPROBE / WIENER FESTWOCHEN / 'HERZOG BLAUBARTS BURG'WIENER FESTWOCHEN/BERND UHLIG
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Wiener Festwochen: Bartóks Einakter "Herzog Blaubarts Burg" und Schumanns "Geistervariationen" sorgten im Theater an der Wien für einen gemischten Abend.

Musiktheater, das nur eine Stunde dauert, hat es schwer. Es verlangt nach einer Ergänzung. Béla Bartóks Einakter „Herzog Blaubarts Burg“ teilt dieses Schicksal mit zahlreichen anderen Opernklassikern. Meist kombiniert man ihn mit Arnold Schönbergs Melodram „Erwartung“, wie vor Jahrzehnten in der Wiener Staatsoper in einer unvergesslichen Produktion. Aber nichts ist in Stein gemeißelt. Warum nicht nach einem Stück Ausschau halten, das mit einer ähnlichen Thematik aufwartet wie dieser Bartók? Bei Robert Schumanns „Geistervariationen“ – das letzte Werk, das er zu Papier brachte – ist dies der Fall. Nach Clara Schumanns Aufzeichnungen meinte ihr bereits schwer gezeichneter Mann, die Idee für diese fünfteilige Variation für Klavier von Schubert und Mendelssohn bekommen zu haben. Anklänge an diese Musik finden sich allerdings bereits in seinem zweiten Streichquartett, vor allem in seinem Violinkonzert.


Hoher Raum. Dieser Schumann ist wie die Bartók-Oper ein geheimnisvolles Werk, das Anlass zu Assoziationen geben kann. Andrea Breth siedelt die Geschichte in einem Männeraltersheim an. Die Szenerie wird nur ab und zu von Geräuschen begleitet, versagt sich jeder Musik. Ironisch persiflierend wirkt auch die Ausstattung: ein hoher holzgetäfelter Raum (Bühne: Martin Zehetgruber), in dem die Protagonisten Sinnloses von sich geben, auch die drei meist auf einem Sofa sitzenden Frauen dürfen in diesen Wahnsinn einstimmen. Aus dem Hintergrund erklingt, subtil musiziert von Elisabeth Leonskaja, die man dabei nicht sieht, Schumanns kurzes Variationenwerk. Das Ende eines Abends, der ungleich aufregender mit dem Bartók-Einakter begann.

Ob nicht seelische Einsamkeit mein Schicksal wird, sinnierte Béla Bartók während der ihn zehn Jahre beschäftigenden Arbeit an seiner Oper, deren Uraufführung einst wegen Unspielbarkeit abgelehnt wurde. Als seelisch Einsamen zeichnet auch Andrea Breth, hier ganz auf der Höhe ihrer Kunst, den von Gábor Bretz mit makelloser Diktion und exzellenter Phrasierung gestalteten Herzog Blaubart. Von Beginn an spürt man den fatalen Ausgang dieses Geschehens. Dafür hat sich die Regisseurin ein so packendes wie suggestives Bühnenbild schaffen lassen: eine Wand mit sieben Türen, die sich dreht und Einblick in wenigstens sechs der dahinterliegenden Räume ermöglicht. Denn für Breth hat das Schicksal schon nach der Öffnung der sechsten zugeschlagen. Danach lässt sich für Judith – die in dieser Szenerie zu farblos gezeichnet ist, kaum mehr als naiv und neugierig erscheint, was sich in der vokalen Gestaltung durch Nora Gubisch fortsetzt – nichts mehr ändern. Deshalb wird im sechsten Raum nur die Tür zum folgenden siebenten sichtbar. Statt das dahinterliegende Ambiente preiszugeben, holt Blaubart, nachdem er seiner Judith noch siebenmal dasselbe Kleid angelegt hat, von dort drei seiner früheren Geliebten heraus. Mit ihnen konfrontiert, erleidet auch Judith das Schicksal der früheren Gespielinnen: Sie fällt reglos zu Boden. Das fatale Ende einer ebensolchen Beziehung.

Ehe dieses Finale erreicht wird, steht eine packende Bilderreise bevor. Dem schon während des Prologs mit dem Rücken zum Publikum auf der Bühne stehenden Mann, dessen Züge jenen Béla Bartóks gleichen, begegnet man bei der blutigen Arbeit in der Folterkammer. Später mit seiner ebenfalls von Gebrechlichkeit gezeichneten Frau. Ihr will es in dem hier die Mühen des Alters thematisierenden Zaubergarten nicht gelingen, Judith die weißen Blumen zu überreichen. Starr, mit nicht eindeutig definierbaren Gegenständen in den Händen, bilden Männer die bedrohliche Kulisse der Waffenkammer.

Als schmuckloser Tresorkeller präsentiert sich die Schatzkammer. Darin legt Blaubart eine rote Kette nach der anderen um den Hals. Ein letzter Versuch, sie vom Öffnen der kommenden Türen abzuhalten. Düster-gespenstisch das fünfte Bild: Blaubart, hier neben seiner Judith liegend, konfrontiert sie mit ihrem künftigen schönen und großen Land. Welche Welten zwischen den Geschlechtern klaffen, ist doch der Kampf der Geschlechter das eigentliche Thema dieses Sujets, macht das sechste der Bilder, der See der Tränen, deutlich – diese elegische Musik hat Bartók am Ende seines Lebens zum ergreifenden Herzstück seines „Concerto for Orchestra“ verdichtet. Den Ort bewachen jene Männer, die bereits die Waffenkammer fest in ihrem Besitz haben. Nachdem sie zu Boden gegangen sind, ist der Weg für die endgültige Besiegelung von Judiths Schicksal frei, die Öffnung der finalen siebenten Tür.

„Du warst die schönste Frau“, widmet ihr Blaubart einen letzten Satz, ehe die Nacht hereinbricht. Das Dunkel des Beginns kehrt eindrucksvoll zurück. Damit bewies wenigstens der erste Teil dieses Abends Festwochen-Format. Nicht zuletzt auch wegen der exzellenten Leistung des Bartóks Partitur mit differenzierten Farben exzellent darstellenden Gustav-Mahler-Jugendorchesters unter der sensiblen Leitung des kommenden Hamburger GMD, Kent Nagano.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2015)

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