Der Aufstand findet nur im Container statt, und das ist gut so


Durch Gucklöcher blickt man auf ein tristes Szenario nach niedergeschlagenen Unruhen: Die Installation "The Aftermath Dislocation Principle", zunächst am Ottakringer Yppenplatz, erinnert daran, dass der Ausnahmezustand kein popkultureller Spaß ist.

„Wir malen eure Bobohütte an“, hat eine Narrenhand auf einen der neuen Beton-Quader geschrieben, die den Yppenplatz nicht gerade verschönern. (Dass dieser dennoch der schönste Platz Wiens ist, wird jeder Ottakringer bestätigen.) Seit Beginn der Festwochen steht ein weiterer Quader dort, allerdings nicht aus Beton, sondern aus Metall: ein Schiffscontainer, wild bekritzelt, beschrieben, beschmiert, besprüht, beklebt.

Alle Graffiti stammen von Vandalen, erklärt Jim Cauty, der Schöpfer dieser Installation namens „The Aftermath Dislocation Principle“ (ADP), auf einem Begleitblatt. Ansuchen von „vorgeblichen Künstlern“, den Container zu bemalen, würden abgelehnt: „ADP verfolgt den Grundsatz, dass Vandalismus toleriert wird, Kunst jedoch nicht.“

Cauty selbst, ein klassischer britischer Querkopf, wurde dem Boulevard seiner Heimat vor allem dadurch bekannt, dass er 1994 öffentlich eine Million Pfund verbrannte. Verdient hatte er das Geld vor allem mit dem Duo The KLF, das u. a. den Hit „What Time Is Love“ hatte und darüber das Buch „The Manual (How to Have a Number One the Easy Way)“ veröffentlichte. In letzter Zeit pflegt Cauty seine Obsession für den „riot“: Dieses Wort steht bedeutungsmäßig zwischen Krawall, Aufruhr und Aufstand; Joe Strummer, Sänger von The Clash, träumte etwa schon 1977 vom „white riot, a riot of my own“. Als die Band erfolgreich wurde, fand ein Popkritiker einen höhnischen Titel: „Bei Schlechtwetter findet der Aufstand im Saal statt“.

Auch der nun in Ottakring aufgestellte Container – er war bereits an etlichen Orten, u. a. im „Dismaland“ des Konzeptkünstlers Banksy – hat mit „riots“ zu tun. Doch Cauty glorifiziert sie hier nicht, im Gegenteil: Im Inneren des Containers hat er eine triste Modellstadt gebaut, eine urbane Wüste, offenbar hinterlassen von einem niedergeschlagenen Aufruhr. Die Exekutive hat die Kontrolle übernommen, die Lichter von Alarmanlagen und Polizeiautos zucken auf den verheerten Straßen. Dieses Szenario sieht man nur durch kleine Löcher im Container, man kann rätseln: Was war das für ein Aufruhr? Wer hat sich wogegen empört? Links? Rechts? Weiß? Schwarz? Rot? Grün? Politisch? Unpolitisch? „Niemand weiß, was zu dieser Zerstörung führte oder wo sich die Zivilbevölkerung befindet“, steht auf einem Begleitblatt.

„Denkmal des Widerstands“?

Dennoch wird die Installation im Katalog der Festwochen so pathetisch wie unsinnig als „popkulturelles Denkmal des Widerstands“ bezeichnet. Dazu schlug eine Tafel eine lokale Assoziation vor: den „Wiener Blutsonntag“ am 17. Juni 1911, bei dem vorstädtische Massen nach einer Demonstration randalierten. Damals wurde über Ottakring der Ausnahmezustand verhängt. Man ist wahrlich kein Spießer, wenn man auf Cautys Werk mit einem Seufzer reagiert: Gut, dass wir heute in Ottakring, Bobohütten hin oder her, von Aufruhr und Ausnahmezustand sehr weit entfernt sind!

Stationen: Bis 22. Mai am Yppenplatz, 23. Mai bis 1. Juni im Karl-Marx-Hof, 2. bis 18. Juni am Praterstern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2017)

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