Bariton Georg Nigl: Auf die Schliche

Georg Nigl Schliche
Georg Nigl Schliche(c) Julia Stix
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Bei den Wiener Festwochen singt der Wiener Bariton Georg Nigl den Wozzeck. Im Gespräch erzählt er, wie er Hunger auf zeitgenössische Musik bekommen hat und wie er sich Komponisten nähert.

TIPP

Die Wiener Festwochen veranstalten heuer ein „Fest für Alban Berg“ und zeigen aus Anlass des 125. Geburtstages des Komponisten in jenem Jahr, das gleichzeitig den 75. Todestag markiert, auch beide Opern: einmal den „Wozzeck“ in einer Inszenierung von Stephane Braunschweig, dirigiert von Daniel Harding. Die „Lulu“ kommt mit der unverwüstlichen Laura Aikin in der Titelpartie aus Lyon, wo Peter Stein die von Friedrich Cerha nach Bergs Skizzen vervollständigte Gesamtfassung der Oper inszeniert hat. Die Wiener Wiederaufnahme dieser Produktion wird von Daniele Gatti musikalisch geleitet.

Den Wozzeck im Theater an der Wien singt ein Wiener Bariton, der in seiner Heimat bis dato vor allem im Konzert Maßstäbe gesetzt hat: Georg Nigl. Wiener Musikfreunde schätzen den Schüler Hilde Zadeks als einen klugen, Wort und Ton kunstvoll miteinander zur Deckung bringenden Interpreten, der sich im Dialog auch über den Gang der Musik-, speziell der Operngeschichte Gedanken macht, wenn es darum geht, den Stellenwert eines Werks wie „Wozzeck“ zu bestimmen: „Ich kann mir kaum vorstellen, dass es Komponisten des 20. oder 21. Jahrhunderts gibt, die sich nicht mit diesem Stück auseinandersetzen, oder, sagen wir’s stärker: auseinandersetzen müssen. Wenn ich den Begriff Musiktheater richtig deute, dann geht es dabei doch um die Zusammenführung von Text, Musik und Szene. Wie nun Alban Berg die fragmentarische Vorlage Büchners montiert, wie er sie mit seiner Musik durchwebt und zugleich den Fortgang der Geschichte durch die Komposition vorantreibt, das macht für mich die Partitur des ,Wozzeck‘ zu einem jener Weltwunder der Musikgeschichte, die wie Monolithen herausragen.“

Ringelreihen. Georg Nigl hat seine ersten Erfahrungen mit diesem „Weltwunder“ bereits als Halbwüchsiger sammeln dürfen, zu einem Zeitpunkt, da man sich noch nicht so viele Gedanken über kulturhistorische Prozesse gemacht, sondern die Kraft des Musiktheaters eher spontan zu erfassen gesucht hat: „Als ehemaliger Wiener Sängerknabe“, erzählt er, „durfte ich den Ringelreihen der Kinder am Ende der Oper an der Wiener Staatsoper singen. Damals noch mit Walter Berry als Wozzeck!“ Ein gewiss prägender Moment, doch ergänzt der Sänger gleich: „Wirklich gefallen hat mir die Musik damals aber nicht, sie war mir fremd.“

Was nicht heißt, dass Georg Nigl sich den Hervorbringungen der jüngeren Musikgeschichte prinzipiell verschlossen hätte. Da sorgte der damalige Sängerknaben-Leiter vor. Nigl erinnert sich: „Schon als Kind hat mir die Chorliteratur von Kodaly unglaublich gut gefallen. Hans Gillesberger konnte mich dafür sogar richtiggehend begeistern.“ Ein Erlebnis im Konzertsaal öffnete dem Maturanten Nigl dann die Ohren für die Welt der musikalischen Moderne: „Heinrich Schiff spielte damals Musik von Anton von Webern. Das hat mich erschlagen, ich wusste mit einem Mal: Es gibt noch so viel mehr.“
Bei den Wiener Festwochen hat Georg Nigl bereits musiktheatralische Spuren hinterlassen: „Die Festwochen waren auch für meine künstlerische Entwicklung dahingehend wichtig, als ich eine kleine Rolle in der Orpheus-Oper ,L’Anima del filosofo‘ von Haydn unter Nikolaus Harnoncourts Leitung singen durfte. Was der zu erzählen wusste! Ab diesem Zeitpunkt wollte ich auch den Komponisten auf die Schliche kommen und habe mich dann sozusagen im Rückwärtsgang durch die Musikgeschichte gefressen.“

Was ist mit dem Rest? In der umgekehrten Richtung wurde dann die zeitgenössische Musik für den Interpreten Nigl wichtig: „Das hat einen ganz profanen Grund. Ich habe mich gefragt: Wie geht es jetzt weiter? Was kommt? Mich interessiert ja die Repertoiregeschichte viel mehr als die Interpretationsgeschichte. Wir hören doch eigentlich nur einen Bruchteil, sagen wir, der Schubert-Lieder im Konzertsaal. Ist der Rest nur Mist?“ Der neugierige Künstler Georg Nigl hat sich denn auch auf originelle Weise in Richtung Barock zu „informieren“ gewusst: „Ich wollte wahnsinnig gern die Bach-Kantaten kennenlernen, und zwar wollte ich sie nicht im Konzertsaal oder gar auf CD anhören, sondern lieber gleich selber singen und musizieren. Jetzt gehen wir bereits in die dritte Saison damit am Wiener Konzerthaus.“

Seine Opernlorbeeren hat Georg Nigl bisher aber nicht in Wien geerntet, sondern an ersten Häusern wie der Mailänder Scala; und zwar ebenfalls mit einem weitgespannten Repertoire: „Als ich letztes Jahr dort Monteverdis ,Orfeo‘ singen durfte, war das auch so ein Wunschtraum, der in Erfüllung ging, wie im Jahr zuvor mein Rollen- und Hausdebüt als Wozzeck am selben Ort. Das war sicher ein Ritt über den Bodensee, aber ich wollt das halt so gern singen. Dass es dann noch die Scala war, war sozusagen das Sahnehäubchen . . .“

Nun singt Nigl den Wozzeck im Theater an der Wien: „An den Ort zurückzukehren, an dem sozusagen alles mit der Haydn-Oper begonnen hat, das ist auch so eine schöne Fügung. Ich freue mich unglaublich auf die Aufführungen, auch weil ich in Angela Denoke eine wunderbare Partnerin habe.“

Wiener Festwochen 14. 5.–20. 6.
Wozzeck: 15., 17., 19. 5. Theater an der Wien
Liederabend Georg Nigl: 30. 5. Konzerthaus www.festwochen.at

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