"Hiob": Ein Hiob ohne Botschaft

Hiob Hiob ohne Botschaft
Hiob Hiob ohne Botschaft(c) APA/ANGELIKA WARMUTH (ANGELIKA WARMUTH)
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Koen Tachelets Theaterfassung von Josef Roths Roman "Hiob" geriet brav, blass und meditativ. Günter Franzmeier ist als Mendel ideal besetzt.

So wie dieses Ende, so könnte Theater für das Volk funktionieren. Der dem Leben zurückerstattete Mendel Singer (Günter Franzmeier) liegt auf einem Hotelbett, umstrahlt von den Lichtern New Yorks, und macht, trunken vor Seligkeit, Pläne für den nächsten Tag. Auf die Straße gehen, spazieren will er. Wozu, fragt seine zänkische Deborah (Maria Bill) noch aus dem Jenseits des Zuschauerraums. „Ich möchte die Welt begrüßen.“ Und es wird dunkel über dieser hübsch drapierten Szenerie wohldosierter Rührung. Für einen Moment ist vergessen, dass man gute zwei Stunden lang nicht recht wusste, wie sich diese Fabel aus einer versunkenen Welt ins Volkstheater verirrt hat.

Es war freilich immer schon ein seltsam Ding um diesen Hiob. In der Bibel darf er Gott anklagen, ihn als grausam und ungerecht entlarven, und wird dafür noch reich belohnt. Joseph Roth machte daraus seinen Mendel-Hiob im zaristischen Russland. Er zerbricht fast an der Moderne und am Exil in Amerika, verliert Frau, Kinder und Glauben – bis ihn sein tot geglaubter, einst als geisteskrank zurückgelassener jüngster Sohn vor der Verzweiflung rettet. Roths Roman „Hiob“ wurde und wird als tiefgründiges Meisterwerk geliebt und als meisterlicher Edelkitsch belächelt.

Koen Tachelet schrieb – problematisch genug – eine ehrfürchtige Theaterfassung des Ganzen. Nichts hat er ausgelassen. Die üppig strömenden Beschreibungen quellen aus den Mündern der Protagonisten und schaffen eine abstrahierende Distanz, die das epische Theater Brechts wie einen verblassten Geist beschwört.

Dem Bühnenleben einzuflößen, fiel selbst einem Feuerkopf wie Johan Simons bei den Wiener Festwochen schwer. Dass es Volkstheater-Intendant Michael Schottenberg zwei Jahre später noch einmal wissen will und dazu Regisseur Michael Sturminger in die Schlacht schickt, fordert fast schon den Theatergott heraus.

Und der scheint sich schnell zu rächen. Ein Trio schrammelt besinnlich vor sich hin. Die Kinder, die doch ihrem epileptischen Bruder Menuchim (intensiv: Arne Gottschling) in juvenilem Sadismus den Tod wünschen, stupsen ihn nur harmlos über eine Stufe. Zu freundlich und blass geraten Jonas (Patrick Beck), Schemarjah (Till Firit) und die mannstolle Mirjam (Andrea Bröderbauer). Aber konsequent auf ihre Seite stellt sich die Inszenierung auch nicht. Das hätte den Stoff „ausgemendelt“ – assimilierte Jugendliche und integrationsscheue Eltern ergäben ein recht heutiges Thema.

Maria Bill als ideenarme Mutter Courage

Bleibt das auseinandergelebte Ehepaar. Aber auch hier: Maria Bill deutet die sinnliche Energie der Deborah nur zaghaft an, wenn sie ihre welken Brüste bestaunt oder Mirjams Eskapaden lauscht. Die meiste Zeit stapft sie, wortreich und ideenarm, als Mutter Courage des verlorenen Familienglücks, über eine Bühne, die Ralph Zeger – immerhin – ebenso reduziert wie sinnfällig gestaltet hat.

Also ruht alles auf Günter Franzmeier. Er ist als Typ eine Idealbesetzung für Mendel. Sein Tonfall bleibt zurückgenommen, seine Klage ein monotones Gebet. So rettet er einen fast missglückten Abend hinüber in eine leise Meditation über ein fast missglücktes Leben. Zu einem Kronzeugen im Gericht über Gott taugt dieser Hiob nicht. Aber für eine schöne Charakterstudie reicht es allemal. Er will ja nur spazieren gehen, um die Welt zu begrüßen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2010)

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