Rigoletto ist kein „bucklig' Männlein“ mehr

(c) APA (HERBERT PFARRHOFER)
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George Gagnidze singt anlässlich der Festwochen Verdis traurigen Helden als "Spielmacher" in einer Inszenierung von Luc Bondy im Theater an der Wien. Im Gespräch erzählt der georgische Bariton vom Einstieg ins Sängerleben.

Der „Rigoletto“ hat ihm Glück gebracht. In dieser Partie debütierte George Gagnidze mit durchschlagendem Erfolg an der New Yorker Met. Da war er freilich schon durch die Feuertaufe gegangen, denn eine „Rigoletto“-Serie führte den Bariton zuvor nach Parma. Dort sind erfahrungsgemäß die strengsten Verdianer zu Hause – und sie jubelten.

Spätestens seit der Verleihung dieses „Adelsprädikats“ weiß die Musikwelt, dass mit dem Mann aus Georgien in Sachen Verdi zu rechnen ist. Nicht nur in Sachen Verdi, versteht sich, doch verdankt der Künstler schon seine allerersten Erfolge Interpretationen von Partien des italienischen Meisters.

Erstmals stand Gagnidze in seiner Heimat auf der Bühne, als Renato in „Un ballo in maschera“. Das war 1996, während der Studienzeit am Konservatorium von Tiflis bei Gizi Khelashvili. Gagnidze war gerade Mitte zwanzig. Anfang des neuen Jahrtausends folgten Wettbewerbssiege und erste Engagements – in Osnabrück und Weimar.

Initialzündung unter Maazel

Gagnidzes mächtige Stimme taugte auch für Puccinis schwarzen Baron Scarpia („Tosca“) oder Wagners „Fliegenden Holländer“.

Vielleicht wichtigster Karrieremotor waren dann Aufführungen unter Lorin Maazels Leitung: Als Gagnidze in einer Serie von Verdis „Simon Boccanegra“ in Valencia verpflichtet war, erarbeitete er mit dem Dirigenten auch die Titelrolle dieses Werks – und bereitete sich auf weitere Maazel-Aufführungen vor: das Debüt an der Mailänder Scala (Germont in „La Traviata“) und eine konzertante „Tosca“ in New York.

Die notorisch ruhigen Tempi Lorin Maazels hat Gagnidze kaum bemerkt: „Langsam? Nicht mit mir! Ich habe gemerkt: Er hört genau zu. Wenn man als Sänger zuhört, wie das Orchester spielt, wird es sicher immer langsamer. Wenn man sein Tempo singt, dann ist Maazel sofort dabei. Wenn einer sagt, ein Dirigent wie Maazel sei zu langsam, dann ist er selbst schuld! Er ist einer von denen, die wirklich begleiten können.“

Nun singt Gagnidze den Rigoletto anlässlich der Festwochen im Theater an der Wien (Premiere: morgen, Sonntag) unter der Leitung des Dirigenten-Senkrechtstarters Omer Meir Welber, in einer Regie von Festwochen-Chef Luc Bondy.

Aus Luc Bondys Regiewerkstatt

Verdis Titelheld wird diesmal kein „bucklig' Männlein“ sein. „Ich denke,“ verrät Gagnidze, „Luc Bondy möchte, dass dieser Rigoletto seelisch verkrüppelt ist, er muss nicht humpeln oder einen Buckel haben. Ich bin diesmal als ein Regisseur oder als eine Art Zeremonienmeister des Herzogs schon zum Vorspiel auf der Bühne und lade die Gesellschaft ein, teile die Zimmer zu...“ In der Folge soll „die spezielle menschliche Beziehung zwischen Rigoletto und Gilda herausgearbeitet werden“.

Dass dergleichen vor allem mit musikalischen Mitteln geschehen kann, ist für Gagnidze sozusagen gottgegeben: „In Georgien singen ja alle. Wenn drei oder vier Männer zusammenstehen, dann singen sie. Oft ziemlich komplizierte mehrstimmige Gesänge. Georgien hat eine fantastische Volksmusik.“

„Ich habe dann bei den wichtigsten Gesangslehrern in Tiflis gearbeitet und gleich mit den großen Verdi-Partien. Auf den ,Maskenball‘ folgte bald Giorgio Germont in ,Traviata‘. Natürlich habe ich Anfängerfehler gemacht. Aber ich konnte sieben Jahre lang im lyrischen Fach die nötige Erfahrung sammeln, ob als Jeletzky in Tschaikowskys ,Pique Dame‘ oder als Escamillo in ,Carmen‘“, unterstützt vom damaligen Hausdirigenten in Tiflis. „Er hat mich wunderbar geführt. Er hat auch gesagt: ,Deine Stimme hat enormes Potenzial, du wirst die großen Partien des dramatischen Baritonfachs singen.‘“

Aber man beschloss, die Entwicklung sorgfältig und langsam zu ermöglichen: „Scarpia oder Rigoletto standen damals noch nicht auf dem Programm. Die dramatischeren Partien haben wir noch vermieden. Dafür gab es viel Belcanto, etwa Belcore im ,Liebestrank‘. Und georgische Opern, die man zu Hause noch spielt, aber international nicht kennt.“

Nach dem Abschied von Tiflis – „man ließ mich nicht leicht gehen, sah aber ein, dass ich rausmusste, um weiterzukommen“ – hätte es diverse pädagogische Angebote für Gagnidze gegeben: „Ich hätte an die Akademie der Mailänder Scala gehen können, aber das wollte ich nicht. Die Stimme war, das wusste ich, gut ausgebildet. Ich war kein Schüler mehr. Also war meine Entscheidung: Ich gehe zu Vorsingen bei verschiedenen Agenturen.“ So kamen die Engagements nach Osnabrück und Weimar zustande. „Dort habe ich dann langsam im schwereren Fach begonnen, und ich habe Deutsch gelernt.“

Mozart als Trainingsaufgabe

Nach wie vor – mit den Fixverpflichtungen ist es für den vielfach begehrten Künstler seit dem Vorjahr vorbei – lebt Gagnidze mit seiner Familie in Deutschland. In Weimar hat man ihm noch einen Abschiedswunsch erfüllt: „Ich wollte unbedingt den Don Giovanni singen. Mozart, das tut der Stimme unglaublich gut. Ich denke, dass Verdi nach dieser Erfahrung noch besser geht als vorher. Die vielen flexiblen Legato-Passagen, die man braucht – dafür ist ein Don Giovanni das beste Training.“

Die internationalen Häuser fragen längst nach der „großen Stimme“, und Gagnidze weiß auch, wohin es gehen wird. „Den Jago im ,Otello‘ würde ich mir irgendwann einmal wünschen.“ („Die Anfragen waren sogar schon da, aber du warst nicht frei“, wirft Gagnidzes Wiener Agent, Kurt-Walther Schober ein,...)

Nach Wien kehrt Gagnidze Ende November 2011 zurück: Er wird in der Staatsoper Verdis Nabucco singen, eine Partie, die er während des kommenden Sommers auch schon bei seinem Gastspiel in der Arena von Verona gestalten wird, nebst dem Giorgio Germont in der „Traviata“. Verdi also bleibt das Kraftzentrum.

„Rigoletto“ im Theater an der Wien: 29.Mai, 1., 3., 5.Juni

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2011)

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