Manker: "Alma hat sich durch Heirat emanzipiert"

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Regisseur Paulus Manker und sein neuer Star in der Titelrolle, Jutta Hoffmann, reden über unheimliche Facetten der Mahler-Werfel-Witwe, über Eros, Monster und Genies sowie das Versagen der Wiener Kulturpolitik.

Frau Hoffmann, warum haben Sie bei Paulus Manker die Hauptrolle in Joshua Sobols „Alma – A Show biz ans Ende“ angenommen?

Jutta Hoffmann:Ich habe bereits in den 1990er-Jahren die Aufführung in Purkersdorf gesehen. Mir hat das sehr gut gefallen damals, es war außergewöhnlich und toll. Da war ich aber für die junge Alma zu alt, und für die alte Alma zu jung – aber heuer ist es wie für mich gemacht!

Das Stück ist ein Polydrama. Viele Szenen spielen parallel, mitten im Publikum. Ist Ihnen das neu?

Hoffmann: Das wird mir sicher in gewisser Hinsicht fremd sein – vielleicht aber auch nicht. Vielleicht kann man es mit dem Kino vergleichen. Da quatscht man während dem Dreh auch mit den Leuten um einen herum. Und es gibt diese große Intimität mit der Kamera. Beim Drehen ist man Nähe gewöhnt.

Gibt es tatsächlich essentielle Unterschiede zwischen Spielen vor der Kamera und auf der Bühne?

Hoffmann: Das ist doch alles Quatsch, darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren. Egal, ob das Publikum weit weg ist oder nah, ich will etwas erzählen.
Paulus Manker: Ich glaube auch nicht, dass das Klischee vom Unterschied zwischen Theater und Film stimmt. Das ist nur eine Beruhigung für schlechte Schauspieler. David Hasselhoffs Gesicht zum Beispiel sagt absolut nichts aus. Aber die Emotion kommt dazu, wenn im Gegenschnitt Pamela Anderson mit wippendem Busen über den Strand läuft oder ein totes Kind angeschwemmt wird. Da braucht der gar nichts zu machen. Der schauspielerische Moment entsteht durch die Montage.

War Alma für Sie die „Witwe im Wahn“ oder sind Ihnen andere Aspekte der Persönlichkeit wichtig?

Hoffmann: Es gibt Menschen mit einer besonderen Aura, die hatte diese Frau offenbar. Sie spürte Begabungen auf, war eine grandiose Beobachterin und war auch selbst hochbegabt. Oberflächlich gesagt, hat sie sich durch die Heirat mit tollen Typen emanzipiert. Gruselig ist ihr Antisemitismus, den hatte sie aber nicht allein.
Manker: Sie hatte ein Sensorium für Genies. Und es ist falsch, dass sie sich nur mit VIPs ins Bett gelegt hat, wie oft behauptet wird. Denn die Leute, die sie erwählt hat, wurden ja erst später berühmt – Gropius, Kokoschka, Werfel waren noch nicht erfolgreich, als sie sich mit ihnen einließ. Und Gustav Mahler war zwar als Operndirektor und Dirigent ein Star, nicht aber als Komponist.

War sie triebhaft?

Manker: „Sie war eine große Dame und gleichzeitig eine Kloake“ – so hat sie Marietta Torberg beschrieben. Diese Amplitude ist für ein Theaterstück natürlich wunderbar. Wir wollen Alma ja weder glorifizieren noch in den Dreck ziehen. Aber wir versuchen, sie theatralisch zu erobern.

Sie haben im Vorjahr gesagt: „Nie wieder Wien!“ für Ihre seit 17 Jahren weltweit erfolgreiche Aufführung, weil Sie verärgert waren, dass Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny keine Subventionen gab. Hat er eingelenkt?

Manker: Nein. Von Wien kommt nichts. Kein Groschen. Wir bereisen mit „Alma“ seit 17 Jahren die ganze Welt, auf drei Kontinenten, mit 420 Vorstellungen vor ausverkauften Häusern. Aber in Wien werden wir boykottiert. Obwohl wir einen Eigendeckungsanteil von 93 Prozent haben! Das ist singulär. Wir sind heuer bereits vor der Premiere ausverkauft und schieben schon zusätzliche Termine ein. Am 14., 24. und 25. August. Der Publikumsandrang ist sagenhaft! Woanders wäre das eine Sensation – bei uns wird man dafür geächtet. Das ist typisch österreichisch: Auf eine Produktion mit diesem Erfolg wäre jedes andere Land stolz, unsere Kulturpolitiker nicht. Aber die fahren ja auch nicht nach Cannes, wenn dort zwei Österreicher den Wettbewerb dominieren.

Wenn Sie Kulturstadtrat wären – wie würden Sie denn das Geld verteilen?

Manker: Mutig! Mich stört der Kleinmut der Entscheidungen. Feigheit ist jedes Politikers zweiter Vorname. Klimt oder Kokoschka zu loben ist heutzutage keine Kunst mehr. Aber damals urteilte der Thronfolger, Kokoschka sollte man jeden Knochen einzeln im Leibe brechen. Und Klimt musste mit der Waffe in der Hand seine Bilder gegen die Behörden verteidigen, die seine Universitätsbilder abholen und verbrennen wollten. Glauben Sie, eine Kulturministerin oder ein Kulturstadtrat würde sich heute trauen, sich für solche Künstler einzusetzen? Keine Sekunde! Da verliert er doch Wählerstimmen. Und schon sind wir wieder bei Alma – die hat diese Genies erkannt.

Alma hat ein Geheimnis. Sie scheint auch gefährlich. Was würden Sie ihr als beste Freundin raten, wenn es um Männer geht, um Werfel etwa?

Hoffmann: So eine Szene spielen wir ja! Genau dafür gibt es Theater. Ob ich es erklären kann, weiß ich nicht, aber darstellen kann ich es: ihre Zärtlichkeit und Zuneigung, ihre Opferbereitschaft, ihr forderndes Wesen. Was weiß man denn schon davon, wie es zwischen zwei Leuten zugeht? Alma, das Monster, ist nur ein winziger Aspekt ihrer Persönlichkeit. Kommen Sie, schauen Sie sich das an und malen sich selber aus, wie das war, als diese 65-jährige Frau den todkranken Werfel packte und auf der Flucht vor den Nazis über die Pyrenäen schleppte.

Sie haben in Hamburg lange Schauspielschüler unterrichtet. Was konnten Sie denen beibringen?

Hoffmann: Essentials. Wie man sitzt und geht und steht und liest.

Wenn es um die Auswahl Ihrer Regisseure geht, sind Sie ein „Snob“. Sie geben sich nur mit den besten zufrieden. Was zeichnet denn Paulus Mankers Regiearbeit aus?

Hoffmann: Er hat Geduld und ist sehr empfindsam. Und ich finde es bewundernswert, wie er diesen ganzen Apparat in der Hand hat. Es gibt viele andere Regisseure, die nur so rumfummeln und nichts im Griff haben. Mich interessiert, wie etwas gemacht wird, bei Peter Zadek und Einar Schleef. Der war auch ein wunderbarer Bühnenbildner und Kostümbildner. Er hat auch 6000 Zeichnungen hinterlassen – fehlerlos!

Was fasziniert Sie an Frau Hoffmann?

Manker: Sie ist eine Schauspielerin, die imstande ist, ihre Emotionalität defensiv einzusetzen. Sie schont sich nicht, aber sie verschwendet sich auch nicht. Das ist selten. Dadurch entsteht ein ganz großes Geheimnis. Auch Filmschauspieler wie Marlon Brando entziehen sich, wenden sich weg, wie ein Tier, das gejagt wird – bis der Zuseher sehnsüchtig fleht: „Bitte zeig mir doch endlich deine Augen!“ Dann dreht er sich einmal zur Kamera, und es haut einen aus dem Kinosessel. Jutta Hoffmann macht das auf der Bühne.

„A Show“ zurück in Wien

Paulus Manker ist mit Joshua Sobols Polydrama „Alma – A Show biz ans Ende“ 1996 ein Hit gelungen, der seither 420 Mal aufgeführt wurde. Nun ist das Stück wieder in Wien zu sehen, mit Jutta Hoffmann als alter Alma.

Termine: Wegen des Andrangs zusätzliche Abende im alten k.k. Post- u. Telegrafenamt: 14., 24. und 25. August, 20:15 h, Börseplatz 1. [APA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2012)

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