„Twilight“-Finale: Die Sexfantasien der Vampirfans

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„Breaking Dawn– Teil 2“ serviert spießige Romantik für ungewisse Zeiten. Das wahre Potenzial der Erfolgsreihe rund um das Liebesdreieck zwischen Edward, Bella und Jacob wird im Internet erkundet. Ab Donnerstag.

Zwischendrin kommt einem schon immer wieder das Beuschel hoch. Wie monogame Beziehungsentwürfe, Liebesschwüre und konservative Familienaufstellungen von der Leinwand triefen, wie verschämt und gehemmt Sexualität inszeniert wird, wie bieder alle Frisuren, Kleider und Verhaltensweisen sind, das ist schon ein starkes Stück. Beim Gedanken, dass für Millionen von Heranwachsenden und mindestens ebenso viele Erwachsene genau dieser dampfende Romantikhaufen zum Faszinosum und für den Rest zumindest zum Phänomen geworden ist, fühlt man sich schnell über alle Zweifel und „Twilight“-Fans erhaben und hält „Breaking Dawn – Teil 2“ für ein wertloses Stück Kommerzmüll. Eine gravierende Fehleinschätzung.

Film: Schlusskampf, der nicht im Buch ist

Das soll aber nicht heißen, dass der neue Film besser ist als die vorigen: Regisseur Bill Condon vertraut auf das bewährte Mischverhältnis von Kitsch und fantastischen Kreaturen, surft wie auf Autopilot durch das von allen Ecken und Enden ausgeleuchtete und durchanalysierte Universum. Ein Einstieg ist Neuankömmlingen nicht anzuraten: Allein das Konzept, dass sich Werwolfjunge Jacob (Taylor Lautner) gleich zu Beginn auf das gemeinsame Kind von Bella Swan (Kristen Stewart) und Edward Cullen (Robert Pattinson) „prägt“ (im Original spricht Autorin Stephenie Meyer von „to imprint“), dürfte Nichtkenner von Meyers Groschenromanprosa ordentlich verwirren. Gemeint ist, im Sinne einer über allen Turbulenzen existierenden, quasigöttlichen Schicksalsregie, dass Jacob seine Seele an die von Renesmee (wird das nun weltweit ein beliebter Mädchenname?) bindet, sozusagen zu ihrem Lebensmenschen wird.

Eigentlich spielt das aber im Film kaum eine Rolle: Alles dreht sich, alles bewegt sich um die Jungvermählten Edward und Bella, die – man erinnert sich – am Ende von „Breaking Dawn – Teil 1“ bei der Geburt ihrer Tochter starb und nur durch den ohnehin immer unabwendbar erscheinenden Vampirbiss vom Kindsvater Edward gerettet werden konnte. Gerettet heißt hier: Sie ist jetzt Vampirin, daher unsterblich. Regisseur Condon nutzt diesen doch nicht unwesentlichen Lebenseinschnitt zu Beginn für einige die Stimmung aufhellende, mitunter pointierte Humoreinlagen: etwa, wenn die jetzt übermenschlich kräftige Bella ihren Edward so fest umarmt, dass sich dieser zwischen ihren Armen windet. Oder wenn sie versucht, ihre neu gewonnene Fähigkeit für blitzschnelle Bewegungen unter Kontrolle zu bekommen.

Aber bald fällt jeglicher Spaß der dieser Filmreihe eigenen trüben Suppe aus tragischen Entwicklungen mit Pathosüberhang zum Opfer. Die Führungskaste der Vampire, die in der Toskana residierenden Volturi, vermutet in Bellas Kind eine Bedrohung für ihre Gemeinschaft und macht sich auf, dem Treiben ein Ende zu setzen. Alles steuert auf eine finale Auseinandersetzung zu, die im Film, anders als im Roman, tatsächlich stattfindet. Dass diese zweistündige, kompetent gefilmte, brav gespielte Pflichtübung noch irgendjemanden begeistert, der diesem dunkelromantischen Universum nicht ohnehin bereits verfallen ist, glaubt niemand mehr.

Insofern erfüllt „Breaking Dawn – Teil 2“ dieselbe Funktion wie die Vorgängerfilme: nämlich die kommerziell fast endlos abschöpfbare Begeisterung der sogenannten Twi-hards auf einen Punkt zu konzentrieren und von dem ausgehend wiederum jahrelang Merchandise-Lizenzen für teures Geld verkaufen zu können. Die „Twilight“-Reihe, die sich selbst gern „Saga“ nennt, ist daher vor allem ein Einmaleins der kapitalistischen Filmverwertung. Aber eben auch ein Lehrstück darin, dass man zu kurz denkt, wenn man ein kulturelles Phänomen auf seine sichtbarste Seite reduziert. Denn das Liebesdreieck zwischen Edward, Bella und Jacob wird im Internet seit Jahren ausgebaut und umgedeutet: Dort eignen sich die eifrigsten „Twilight“-Fans das von Stephenie Meyer entworfene Figurengerüst und dessen Schauplätze an und erweitern es um all die Elemente, die weder in den Romanen noch in den Filmen vorkommen.

Versaute Visionen von Twi-hards

Also vor allem um Sex. Das reicht von jungmädchenhaft wirkender Blümchenromantik hin zu schwulem Sex mit sadomasochistischen Untertönen und literweise Körperflüssigkeiten. Ein Beispiel: „Jasper schien mich mit seinen Blicken zu verfolgen, und jedes Mal, wenn ich sie erwiderte, wurde mir heiß. Es ging so weit, dass ich Bellas Hand abrupt losließ, als hätte ich mich an ihr verbrannt. Ihre Gegenwart wurde mir zuwider.“ Nur um keine Verwirrung zu stiften: Die Kurzgeschichte wird aus der Perspektive von Edward Cullen erzählt.

Es hilft also alles nichts: „Breaking Dawn – Teil 2“ wird sich wie die vorigen Filme dieser Reihe im popkulturellen Langzeitgedächtnis einnisten. Es steht zu befürchten, dass man noch in Jahrzehnten auf diese Geschichte als eine romantische Vision zurückblickt, wie gemacht für das beginnende 21. Jahrhundert mit all seinen zerfallenden Sozialkonstruktionen und zerbröselnden Sicherheiten. Wohl unerwähnt bleiben wird, für wie viele Jugendliche das Städtchen Forks und seine Einwohner das Rohmaterial zum Erkunden der eigenen Fantasie geliefert hat. Und diese ist, nach allem, was sich dazu im Internet finden lässt, weit weniger spießig, schmalzig und konservativ als die Romane und Filme selbst. Sondern ziemlich frech. Und sehr versaut.

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Erfolgsbücher und -filme

Der Roman „Twilight“ von Stephenie Meyer erschien 2005, die deutsche Übersetzung als „Bis(s) zum Morgengrauen“ 2006. Es folgten „New Moon“ („Bis(s) zur Mittagsstunde“, 2007), „Eclipse“ (Bis(s) zum Abendrot“, 2008), „Breaking Dawn“ („Bis(s) zum Ende der Nacht“, 2009). Die Verfilmung des ersten Teils kam 2008 in die Kinos, auch da folgten die Fortsetzungen im Jahrestakt. Nur aus dem vierten Buch machte man zwei Filme.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2012)

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