Fiktion und Wahrheit: "Die ersten 15 Minuten des Films sind reine Erfindung"

(c) AP (Jonathan Olley)
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Die rothaarige Agentin Maya gibt es wirklich, doch im echten Leben bekommen CIA-Informanten keine Lamborghinis.

Wie viel von dem, was Kathryn Bigelow in ihrem Film „Zero Dark Thirty“ über die Jagd der CIA auf Osama bin Laden zeigt, entspricht den Tatsachen?

„Die ersten 15 Minuten sind reine Erfindung. Niemand wurde geschlagen, an den Armen aufgehängt, an einer Hundeleine herumgeführt“, sagte der frühere hohe CIA-Beamte Jose Rodriguez bei einer Veranstaltung des konservativen American Enterprise Institute zur „Presse“. Rodriguez war ab Mai 2002 Chef des Anti-Terror-Zentrums in der CIA; das ist jene Abteilung, deren Werken Bigelow im Film zeigt.

In seine Amtszeit fielen die Festnahmen mehrerer Spitzenterroristen, allen voran jene von Khalid Sheikh Muhammed, des Planers von 9/11; er steht derzeit in Guantánamo vor einem Militärrichter. Und er wurde – mit Rodriguez' Wissen und Billigung – jenen „erweiterten Verhörtechniken“ ausgesetzt, die nach Ansicht des Roten Kreuzes Folter darstellen und von Präsident Barack Obama verboten worden sind.

Doch auch Geheimdienstexperten, die anders als Rodriguez kein persönliches Interesse an einer beschönigten Darstellung dieser Verhöre haben, erklären die Anfangssequenz für erfunden. „Der Film legt nahe, dass Zwangshandlungen zu spezifischer Information führten, die der Schlüssel zum Aufspüren Bin Ladens waren. Das ist vermutlich mehr, als sich durch die Tatsachen erhärten lassen wird“, erklärte Benjamin Wittes von der Brookings Institution.

„Nur ich verdiene diesen Orden“

Falsch sei auch die Darstellung der Verhöre, gibt er zu bedenken. „Dass ein Verhörer direkt vom Reden zum Waterboarding übergeht: Das ist nicht passiert. Das wurde von verschiedenen Gruppen gemacht. Der Verhörer versuchte ja, eine Beziehung zum Verhörten aufzubauen.“

„Die Vernehmungen liefen nie nach dem Schema: ,Sag die Wahrheit, oder ich tue dir weh‘“, sagte Ex-CIA-Chef Michael Hayden. „Wir haben nie etwas gefragt, was wir nicht aus anderen Quellen schon wussten.“

Doch wer ist die hartnäckige CIA-Agentin Maya, die aus diesem Hinweis den richtigen Schluss auf Bin Ladens Versteck zieht? „Diese Figur setzt sich aus mehreren Personen zusammen. Aber wir alle kannten die eine oder andere Maya“, wich Hayden der Frage der „Presse“ aus. Doch eine Recherche der „Washington Post“ kam zum Ergebnis, dass es tatsächlich eine Ermittlerin gibt, die Bigelow als Vorbild für die Rolle von Jessica Chastain diente. Die anonyme Mittdreißigerin ist wie im Film vor 9/11 zur CIA gestoßen, rothaarig und hat in Pakistan gearbeitet. Und sie ist ziemlich ehrgeizig: Als ihre Abteilung für das Aufspüren Bin Ladens im Frühjahr 2012 eine hohe Auszeichnung erhielt, feuerte sie eine zornige E-Mail an ihre Kollegen ab: „Ihr habt mich zu behindern versucht. Nur ich verdiene diesen Orden.“

Brookings-Experte Wittes hält jedoch die Darstellung Mayas als einsame Kämpferin gegen die Instanzen für falsch: „Vor 9/11 hatte das ein Körnchen Wahrheit – danach aber gab es in der CIA keine Zeit mehr, in der Agenten mit Filzstift auf die Wände schreiben mussten, dass schon x Tage vergangen sind, seit wir dieses und jenes erfahren haben und ihr nichts damit angefangen habt.“ Das Filmpublikum solle sich Maya besser als Stellvertreterin eines großen, interdisziplinären Teams vorstellen, rät Wittes.

Die Kiste ist traurige Wahrheit

Die Kiste, in die der Terrorist Ammar am Anfang des Films strafweise gesteckt wird, hat es (wenn auch etwas größer) wirklich gegeben – mit Plazet der Juristen von US-Präsident George W. Bush.

Reine Erfindung hingegen sei die Art der Bestechung, durch die der CIA-Agent Dan im Film von einem kuwaitischen Mittelsmann die Telefonnummer der Mutter des Kuriers erhält: „Ich erinnere mich nicht daran, jemals den Kauf eines Sportwagens genehmigt zu haben“, sagte Rodriguez.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2013)

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