„Cäsar muss sterben“: Ehrenwerte Mörder

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Die Taviani-Brüder folgen einer Shakespeare-Inszenierung mit Schwerverbrechern: Wo endet die Kunst, wo beginnt das wirkliche Leben? Im Kino.

Die ehrenwerten Männer, die Cäsars Rächer Mark Anton in Shakespeares Drama mit brillanter Rhetorik als gemeine Mörder entlarvt, sind im Kinofilm der Brüder Taviani tatsächlich Mitglieder der „ehrenwerten Gesellschaft“: „Cäsar muss sterben“ ist ein intensives Dokudrama, bei der „Julius Cäsar“ ganz real großteils von Mafiosi und anderen Schwerverbrechern gespielt wird, die am Rande Roms in der Hochsicherheitsanstalt Rebibbia einsitzen. Paolo und Vittorio Taviani gelingt es in nur 76 Minuten, all die Ambition und die Gewalt, das Drängende und Politische der Tragödie aus der Tudor-Zeit wie auch die aktuellen Strukturen des Verbrechens offenzulegen. Dieser Film, 2012 in Berlin mit dem Goldenen Bären prämiert und heuer für einen Oscar nominiert, bringt Mörder, Dealer, Gescheiterte in Nahaufnahme, zugleich wird das Menschliche auch in diesen Antihelden sichtbar.

Aus der Zelle auf die Bühne – und zurück

Gezeigt wird ein Spiel im Spiel. Es beginnt mit dem Schluss auf der Bühne, als Cäsar-Mörder Brutus nach verlorener Schlacht den Tod sucht. Ein Diener sticht ihn ab. Applaus, befreite Gesichter der Schauspieler. Diese Szenen sind in Farbe. Dann aber müssen die Häftlinge zurück ins Gefängnis: Die Rückblende in die Zeit der Proben in den Monaten zuvor sind in Schwarz-Weiß. Einmal aber wird es wieder farbig: Als ein Gefangener von der Insel träumt, die er als Schwarz-Weiß-Bild vor sich hat, blüht sie in der Erinnerung grün. Sonst herrscht graue Strenge.

Zwei Darsteller sind keine Insassen: Salvatore Striano, der den Brutus gibt, hatte seine Strafe längst abgesessen und kehrte nur für den Dreh in die Zelle zurück. Seit seiner Jugend saß er viele Jahre ein. Heute ist er in Italien ein ziemlich bekannter Schauspieler. Und den Regisseur im Film spielt Theaterregisseur Fabio Cavalli, der seit 2002 die Aufführungen in Rebibbia leitet und dabei auch Strianos Karriere im Schaugeschäft förderte.

Im Film sieht man nun, wie Cavalli das Casting durchführt, wie er die Emotionen der Insassen beim Rollenspiel testet: Sie müssen eine Passkontrolle und einen Abschied improvisieren und machen das mit großer Emotion. In Großaufnahme sieht man ihre von Verbrechen und Strafe gezeichneten Gesichter, die von Härte geprägt sind und doch auch so viel Sehnsucht zeigen. Alle haben sie in der Originalversion breiten Dialekt, meist aus dem Süden, aus Neapel, Reggio Calabria und Palermo wo Camorra, 'Ndrangheta und Mafia herrschen.

Die Kunst dieses sehr traditionell gemachten, mit ruhiger Hand gedrehten Werks ist, dass sich unmerklich der Text von Shakespeare und das Drehbuch über die Verhältnisse im Gefängnis mischen. Nie weiß man, ob die latente Gewalt und die Demonstration von Hierarchien nur gespielt oder gar authentisch sind. All diese ehrenwerten Männer führen die Politik als denkbar schmutziges Geschäft vor. Den Regisseuren aber gelingt es, dieser gefährlichen Gruppe, die Verschwörer und Mörder darstellen, auch rührende Züge zu verleihen.

Nach der Premiere muss das Dutzend, das eben noch von den Zusehern frenetisch gefeiert wurde, zurück in den Bau: Hinter Cosima Rega, der den zynischen, klarsichtigen Anführer Cassius gespielt hat, der wohl auch im richtigen Leben ein mörderischer Pate war, schließt sich die massive, metallene Zellentür. Er konfrontiert den Betrachter, dann bringt er die eigene Situation und die des ganzen Projekts auf den Punkt: „Seit ich der Kunst begegnet bin, ist diese Zelle für mich ein Gefängnis geworden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2013)

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