„Parker“: Krimikino mit Klasse

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Nach Jahrzehnten kommt der Antiheld der großartigen Richard-Stark-Romane erstmals unter seinem originalen Namen ins Kino: als Qualitätsvehikel für Jason Statham. Von Pulp-Fiction und Pseudonymen.

Misstrauen ist immer angebracht. Etwa die fünf unverdächtigen Typen beim Volksfest: drei Clowns, ein Feuerwehrmann, ein Priester. Sie sind verkleidete Gangster mit einem explosiven Plan, um sich die Einnahmen der Veranstaltung unter den Nagel zu reißen. Der vermeintliche Priester heißt Parker (Jason Statham): ein Mann mit einem klaren, wenn auch nicht eben gesetzestreuen Regelkodex, auf dessen genaue Befolgung er strengstens achtet. Als einer vom genau ausgetüftelten Plan abweicht, wird Parker grantig. Woraufhin der Anführer der Gang (Michael Chiklis) ihn nach dem Coup beseitigen lässt. Und den Fehler macht, den Parkers Widersacher häufig begehen: Er lässt ihn vermeintlich tot neben der Straße liegen. Aber Parker ist zäh.

Eine Erfolgsserie, die so nie geplant war

Das hat er in 24 Romanen unter Beweis gestellt, die der große Krimi-Vielschreiber Donald A. Westlake (1933–2008) unter dem Pseudonym Richard Stark veröffentlicht hat. Westlake war so produktiv, dass viele seiner über hundert Bücher unter Künstlernamen erschienen: Es galt als „verwirrend für den Markt“, wenn ein Autor zu viel publizierte. Westlake begann in den 1950ern zu schreiben, seine erste Spezialität waren Krimis mit komischem Einschlag. Als Stark versuchte er sich an einem anderen Stil: „die Sprache reduziert, ohne Adverbien – kahl“.

Daher das Pseudonym: kahl, auf englisch „stark“; dazu der Vorname eines Idols von Westlake, Richard Widmark. 1962 erschien Richard Starks Debüt „The Hunter“ – der Auftakt zur Parker-Serie. Die Westlake nie geplant hatte: „Wie alle glaubte ich, dass die Guten belohnt und die Bösen bestraft werden sollten, daher schickte ich Parker am Ende ins Gefängnis.“ Es hagelte Ablehnungen von Verlegern – bis einer vorschlug, Parker zuletzt davonkommen zu lassen: Dann könne er einen Vertrag für drei Parker-Bücher pro Jahr garantieren. Ein Glücksfall in der Geschichte der Pulp-Fiction: Wenig in der (US-)Kriminalliteratur kann sich mit der knappen, brutalen Eleganz der Stark-Bücher messen. Der Verlegervorschlag befreite den Autor zudem vom Zwang zur herkömmlichen Gerechtigkeit: Vorläufer wie Dashiell Hammett oder Raymond Chandler schätzten zwiespältige, harte Helden, aber die hielten letztlich eine mehrheitsfähige Moral hoch.

Parkers Moral kennt aber nur ein Gesetz: die eigenen Regeln. Werden sie gebrochen, ist er zu allem bereit, um die Dinge zu richten. Dafür bricht er sogar mit seinem sonstigen Pragmatismus: Denn seine Raubzüge gelten nur Reichen (oder gut Versicherten) – wenn nichts passiert, wächst schnell Gras über die Sache. Parker kann auch mit gnadenloser Härte zuschlagen – aber tut es ausschließlich, wenn es die Situation erfordert.

Ein Vorläufer von Clint Eastwood

Ein Antiheld war geboren, der Clint Eastwoods Kopfgeldjäger in Sergio Leones Italo-Western um einige Jahre vorwegnahm. Parker war eine ideale Filmfigur – und wurde Star einer Reihe von Thrillern. Unter wechselnden Pseudonymen, weil Westlake den Namen erst freigeben wollte, wenn eine ganze Filmserie in Angriff genommen wurde. (Als Mann mit Humor – viele seiner Krimis abseits der Stark-Romane sind wie Illustrationen von Murphys Gesetz – amüsierte den vielfachen Pseudonym-Autor sicher die Ungreifbarkeit seiner berühmtesten Kreation.)

Jean-Luc Godard adaptierte Stark zuerst, für „Made in U.S.A.“ (1966): In dessen typischem Zitatemix steckte wenig Parker, der wurde obendrein zur Frau (Godard-Muse Anna Karina). Den Standard setzte 1967 John Boorman mit dem modernen Klassiker „Point Blank“, durch den Lee Marvin mit stählerner Miene marschierte – unter dem Namen Walker. Übertroffen wurde das nur von John Flynns angemessen unglamourösem Unterwelt-Meisterwerk „The Outfit“ (1973) mit Robert Duvall: Westlake selbst bevorzugte Duvalls pragmatische Darstellung von Parker – der freilich Macklin hieß.

Vom schwarzen Sportler Jim Brown (als McClain in „The Split“, 1968) bis zu Mel Gibson (als Porter in „Payback“, 1996) durften die Parker-Darsteller nicht Parker heißen. Mit „Parker“ (nach dem neunzehnten Parker-Buch „Flashfire“) will man nun doch eine Filmreihe starten – in der Titelrolle der Brite Jason Statham als US-Ikone! Der bringt aber das rechte Maß an Sehnigkeit, schweigsamer Autorität und unterspieltem Witz mit. Sodass sich „Parker“ von einer anderen Serie – den Statham-Actionvehikeln, üblicherweise mehrere pro Jahr – als Klassekrimi abhebt, wie zuletzt 2008 „The Bank Job“. Das verdankt sich nicht nur der Vorlage, sondern auch dem Regisseur: Veteran Taylor Hackford („Ein Offizier und Gentleman“) ist ausgewiesener Richard-Stark-Fan und inszeniert mit gebotener, klassizistischer Straffheit von einer Konfrontation zur nächsten.

Nicht Gefühle zählen, nur die Effizienz

Parker folgt der Verräterbande nach Florida, verkleidet sich als texanischer Ölmillionär (mit Cowboyhut!) und verwickelt eine Immobilienmaklerin in den Plan: Jennifer Lopez bietet Statham gar nicht schlecht Paroli. Eine richtige Romanze ist laut Parkers Regelkodex sowieso undenkbar, aber beim gegenseitigen Abtasten entsteht einige Screwball-Energie. Was nichts daran ändert, dass Parker seine Mission mit eiserner Logik durchzieht: Soll er sie als Mitwisserin beseitigen – oder zur Partnerin machen? Wie beim literarischen Vorbild ist das eine Frage, die nichts mit Gefühlen zu tun hat. Nur mit Effizienz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2013)

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