Kampusch bei Jauch: "Sie wollen mich einfach ausmerzen"

(c) AP Fabian Bimmer
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Natascha Kampusch war in Deutschlands bekanntester Talkshow zu Gast. Jauch stellte harte Fragen an das Entführungsopfer. Die Sendung war Auftakt für eine Flut an Berichten rund um den Kinofilm über ihre Leiden.

Entweder Günter Jauch hält sich nicht an Vereinbarungen oder aber es gab keine Vereinbarungen. Hart, zum Teil kritisch, aber einfühlsam befragte der deutsche Moderator das Entführungsopfer Natascha Kampusch über ihre acht Jahre Gefangenschaft in einem fünf Quadratmeter großen Kellerraum. Die Fragen waren offenbar nicht abgesprochen.

Vielleicht hat Jauch dabei die Distanz des ausländischen Beobachters geholfen oder die Tatsache, dass er Kampusch, anders als ORF-Mann Christoph Feurstein, zum ersten Mal interviewte. Unbehagen hat die spätabendliche Fragestunde – ausgerechnet an Kampuschs 25. Geburtstag – dennoch ausgelöst: Die blasse, junge Frau wirkte diesmal verschreckter und verkrampfter als bei früheren Auftritten, auf einige Fragen antwortete sie zaghaft, auf viele nur sehr kurz.

Das lag natürlich auch an den atemberaubend direkten Fragen. Jauch sprach sie etwa auf die eindeutigen Missbrauchsszenen im Film „3096 Tage“ an, der kommende Woche Premiere hat: „Sind diese Szenen mit Ihnen abgesprochen?“ Kampusch: „In meinem Land ist es so, dass die Vernehmungsprotokolle allen Parlamentariern zugänglich gemacht werden und so auch an die Presse gelangt sind. Es war zwar veranlasst, dass sie gelöscht werden, aber das ist nicht passiert.“ Jauch hakte nach: „Ist das jetzt das Signal für die Öffentlichkeit – so ist es gewesen, aber lassen sie mich bitte damit jetzt auch in Ruhe?“ „Genau so“, sagte Kampusch.

Ganz zu Beginn fragte Jauch Kampusch, wie ein normaler Tag für sie aussehe („Ich versuche jeden Tag positiv zu begehen.“) und wie sie ihre Geburtstage in der Gefangenschaft erlebt habe: „Auf gewisse Art brachten mich diese Geburtstage meinem 18. Geburtstag näher und das war auch positiv. Dass man eben immer stärker und kräftiger wird, um sich dem Täter zu widersetzen.“

Grenze der Geschmacklosigkeit übertreten

Mit einer Frage überschritt Jauch die Grenze der Geschmacklosigkeit, als er drei Kommentare aus dem Online-Forum der „Kronen Zeitung“ vorlas. In einem wird Kampusch als unglaubwürdig bezeichnet, in einem anderen wird ihr ein Job als Prostituierte nahegelegt. Die Beispiele sind entwürdigend, aber sie führen zu einer berechtigten Frage: „Welche Erklärung haben Sie für diesen ungeheuren Hass?“ In Kampuschs Antwort liegt vielleicht ein Grund für den Hass der Masse: Sie stellt sich nicht als Opfer dar, sondern als besonnene, ja überlegene Beobachterin der Situation. Menschen, die so etwas schreiben, hätten selbst so viele Verletzungen erlebt, die nie abgearbeitet wurden, meint sie. „Vielleicht können sie mit dem, was mir passiert ist, nicht umgehen. Sie wollen mich einfach ausmerzen oder treffen.“

Günter Jauch war erst der Anfang. Seit Tagen schon bringt die „Krone“ ein Kampusch-Interview in Serie. Bis zum Start des Films „3096 Tage“ wird noch einmal der große Medienhype rund um sie ausbrechen. Der Boulevard zittert schon seit Tagen aus lauter Vorfreude auf den Film.

Am Sonntagabend, bei Jauch, waren zwei weitere Entführungsopfer zu Gast. Einer der beiden, Johannes Erlemann, war 1981 zwei Wochen in einem Sarg eingesperrt. Als es um den Umgang mit den Tätern ging, sagte er: „Wir sind diejenigen, die lebenslänglich bekommen.“ Natascha Kampusch hat wohl acht Jahre nach ihrer Befreiung eine Ahnung, was dieser Satz bedeutet.

Der Film: Ab 28.2. im Kino

„3096 Tage“ kommt am 28. 2. in die Kinos. Die Constantin Film inszeniert den Filmstart geschickt: Weltpremiere ist am 25. 2. in Wien, einen Tag nach der Oscar-Verleihung – da herrscht generell größere Aufmerksamkeit für Filme. Die Pressevorführung beginnt nur wenige Stunden vor der Premiere, sodass vor den vielleicht auch kritischen Filmrezensionen nur die – vermutlich – positiveren Premierenberichte in Druck gehen können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2013)

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