Cannes: Goldene Palme bleibt in Frankreich

Cannes Goldene Palme bleibt
Cannes Goldene Palme bleibt(c) EPA (GUILLAUME HORCAJUELO)
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Abdellatif Kechiches lesbischer Kino-Entwicklungsroman „Blue is the Warmest Colour" gewann gegen starke Konkurrenz - allerdings ohne Meisterwerke.

Der Franzose Abdellatif Kechiche hat mit seiner Comic-Adaption „Blue is the Warmest Color" (La vie d'Adèle - chaiptre 1 + 2") in Cannes die Goldene Palme gewonnen. Das 66. Filmfestival an der Croisette hatte trotz einer starken Konkurrenz die überragenden Filme vermissen lassen. Mit dem Hauptpreis für den in Tunis geborenen Kechiche und dem (als zweiten Platz geltenden) Großen Preis der Jury für „Inside Llewyn Davis" von Joel und Ethan Coen aus den USA haben sich aber die beiden Filme durchgesetzt, die auch bei der Kritik am besten abschnitten.

Der Preis für Kechiches mit drei Stunden etwas überlangen lesbischen Entwicklungsroman mit ausgiebigen Sexszenen ist dabei wohl auch als politische Geste zu verstehen: In Frankreich hatte es zuletzt heftige Proteste gegen die homosexuelle Ehe gegeben. Dagegen lieferten die Coen-Brüder mit ihrem Porträt eines erfolglosen Musikers in der Greenwich-Village-Folkszene der 60er eine psychologische Groteske im typischen Stil.

Als bester Schauspieler gewann doch nicht der sentimentale Favorit Michael Douglas für sein Porträt des heimlich homosexuellen Entertainers Liberace, sondern ein anderer Hollywood-Veteran: Bruce Dern wurde für seine Darstellung eines alten Überlandreisenden in Alexander Paynes tragikomischem Schwarz-Weiß-Road-Movie „Nebraska" prämiert. Als beste Darstellerin setzte sich Bérénice Bejo für das mitfavorisierte, etwas überkonstruierte Scheidungsdrama „The Past" vom Iraner Asghar Farhadi durch. Eher überraschend ging der Regiepreis an Amat Escalante für „Heli", eine bitterböse, streng inszenierte, aber inhaltlich eher perspektivlose und damit bald ermüdendes Studie zum mexikanischen Drogenkriegs. (Escalantes Mentor Carlos Reygadas hatte denselben Preis im Vorjahr erhalten.)Der auch als Favorit gehandelte Japaner Horokazu Kore-eda musste sich für sein Drama „Like Father, Like Son" (über vertauschte Babys) mit dem Jurypreis begnügen.

Polanski provozierte mit Pillensager

Bis zuletzt hatte der Wettbewerb zwar für Zuspruch, aber nicht Furore gesorgt: Jim Jarmuschs Vampirfilm „Only Lovers Left Alive" war als Stilübung elegant schmähstad, aber nicht sehr tiefgründig, der Franzose Arnaud des Pallierès bot einen spröden „Michael Kohlhaas" nach Kleist und US-Regisseur James Gray in „The Immigrant" eine stimmungsvolle, düstere Einwandergeschichte aus den 1920ern mit einer starken Marion Cotillard. Zuletzt provozierte Roman Polanski weniger mit dem exzentrischen Zweipersonenstück „La Vénus à la fourrure" („Venus im Pelz") als mit der Bemerkung, dass er die Gleichstellung von Männern und Frauen für „völlig idiotisch" halte: „Ich denke, das ist das Ergebnis des medizinischen Fortschritts. Die Pille hat die Frauen unserer Zeit sehr verändert, indem sie sie vermännlicht hat."

Einer der besten Filme von Cannes 2013 gewann indes den Zweitbewerb „Un certain regard": In der Dokumentation „The Missing Image" verarbeitete der Kambodschaner Rithy Panh mit Tonfiguren-Tableaux und „Wochenschau"-Bildern so unkonventionell wie vielschichtig seine Erinnerungen an die Schreckensherrschaft der Roten Khmer. Viele der wahren Höhepunkte dieses Jahrgangs fanden abseits der Konkurrenz statt: So präsentierte der 84-jährige chilenische Kultfilmer Alejandro Jodorowsky sein Comeback nach 23 Jahren nur in einer Nebensektion. Mit „The Dance of Reality" legte er eine gewohnt barocke und bestechende Fusion von Autobiografie und surrealer Fantasie vor. Eine Zuseherin war so ergriffen, dass sie bat, auf die Bühne kommen zu dürfen, um Jodorowsky aus Dank zu küssen. Was im Festivalpalais unmöglich wäre, aber im Parallelveranstaltungskino mit Freuden gestattet wurde: ein Happy End fernab des Wettbewerbs.

Die wichtigsten Auszeichnungen

Die Filmfestspiele von Cannes 2013 sind am Sonntag mit der Preisverleihung zu Ende gegangen. Die wichtigsten Auszeichnungen des 66. Festivals, dessen Jury-Präsident der amerikanische Regisseur Steven Spielberg war, im Überblick:

  • GOLDENE PALME: "La vie d'Adèle" von Abdellatif Kechiche (Frankreich)
  • GROSSER PREIS DER JURY: "Inside Llewyn Davis" von Ethan Coen & Joel Coen (USA)
  • PREIS DER JURY: "Like Father, Like Son" von Kore-Eda Hirokazu (Japan)
  • BESTE SCHAUSPIELERIN: Bérénice Bejo in "The Past" von Asghar Farhadi (Iran)
  • BESTER SCHAUSPIELER: Bruce Dern in "Nebraska" von Alexander Payne (USA)
  • BESTES DREHBUCH: Jia Zhangke für "A Touch Of Sin"
  • BESTE REGIE: Amat Escalante (Mexiko) für "Heli"
  • GOLDENE PALME für den besten KURZFILM: "Safe", Südkorea

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