"Bling Ring": 90 Minuten Ruhm für eine Yuppie-Gang

Bling Ring Minuten Ruhm
Bling Ring Minuten Ruhm(c) Tobis (Merrick Morton)
  • Drucken

Sofia Coppola zeigt in „The Bling Ring“ eine Bande von wohlhabenden Jugendlichen, die aus Langeweile Villen ausräumen – darunter das echte Haus von Paris Hilton. Doch unter dem Zeitbild gähnt pure Leere.

Schattenhafte Figuren umkreisen in der Nacht ein Haus mit Glaswänden: Die Tür ist offen. Sie marschieren schnurstracks zum Schlafzimmer und treten in das Licht, während Gitarrenrock einsetzt: Es ist eine Gruppe Teenager, die sogleich den Schrank plündert und luxuriöse Schuhe, Taschen und Perlenketten an sich reißt.

Sofia Coppolas „The Bling Ring“ beginnt in medias res: Der Titel ihres Films verdankt sich dem Beinamen, den die Medien der Highschool-Gang gaben, die vor einigen Jahren längere Zeit erfolgreich auf Raubzug in den Hollywood Hills ging. Während Stars wie Paris Hilton, Lindsay Lohan oder Orlando Bloom Reisen unternahmen, räumten die Jugendlichen deren Villen aus. Dank übereifrigem Studium von Celebrity-Webseiten kannten sie die Abwesenheitsdaten, per Internetsuche war die Wohnadresse sofort zur Hand, der Rest war leichtes Spiel. Im Film schauen sie einmal einfach nur unter die Fußmatte eines leer stehenden Hauses – und voilà: Da ist der Ersatzschlüssel!

Nach einer wahren Geschichte

„Based on actual events“, steht im Vorspann statt der bevorzugten Formulierung „nach einer wahren Geschichte“: Das mag man als Bekenntnis der Regisseurin lesen, die sich mit Filmen wie „Lost in Translation“ weniger als Erzählerin denn als Gestalterin verträumter Atmosphären empfohlen hat. So bietet auch „The Bling Ring“ kein Exposé eines Verbrechens, sondern eher die Skizze eines Lebensgefühls. In diesem Fall einer Generation von gut situierten Jugendlichen, die ein obsessives Verhältnis zur Celebrity-Kultur entwickelt haben: Fast religiös folgen sie dem TV-Dauerfeuer und pausenlosen Internetmeldungen über die superreichen Stars und stolpern darüber, dass sie sich wenn schon nicht deren Leben, so doch deren heiß begehrte Luxusgüter aneignen können. Gemäß ihrer konsumorientierten Weltsicht ist das ohnehin praktisch dasselbe.

Abgesehen von Emma Watson, der Hermine Granger aus den Harry-Potter-Filmen, hat Coppola ein junges Ensemble von fast Unbekannten in den Hauptrollen besetzt, die allesamt der Aufgabe gewachsen sind, Oberflächlichkeit und moralische Verantwortungslosigkeit zu präsentieren. Ob Katie Chang als Anführerin, Israel Broussard als frisch hergezogenes, einziges männliches Mitglied der Gang oder eben Watson als Tochter einer Proponentin unerträglichen New-Age-Gewäschs: Sie alle sind Menschen ohne eigene Ziele und ideale Studiensubjekte der Banalität im L.A. Valley, mit der Coppola zweifelsohne vertraut ist. Aber dieser ethnografische Ansatz löst sich in ätherischer Erzählweise auf: Wie ein Traum oder eine bewusstseinsverändert wahrgenommene Welt wirken die schön komponierten Bildfolgen (Kameravirtuose Harry Savides starb während der Dreharbeiten; Christopher Blauvelt hat nahtlos übernommen).

Zudem gibt es einen erheiternden realsatirischen Anteil: Nicht nur die Szene, in der eine der Diebinnen auch noch den Hund von Paris Hilton mitnehmen will, ist direkt aus dem Leben gegriffen. Hilton selbst absolviert nicht nur einen der Star-Gastauftritte im Film, sie hat auch ihre echte Villa zur Verfügung gestellt: Da gibt es nicht nur ein riesiges Kleiderkabinett zu sehen, in dem man die Orientierung verlieren könnte, sondern auch einen ganzen Schwung gerahmter Bilder, die nichts anderes zeigen als Titelblätter von Magazinen mit niemand anderem als Paris Hilton auf dem Cover. Ironie und wohl auch Selbstironie sind da, aber tiefere Bedeutung? Coppola gibt sich betont neutral. Manchmal tendiert sie zur Parodie – gegen Ende gibt es ein hochkomisches Frühstückstableau aus dem Luxusniemandsland einer wohlsituierten Familie. Anderswo inszeniert sie emphatisch, etwa wenn sich ein Mädchen beim Einbruch teures Parfum auf den Hals spritzt, bis er schimmert: So stellt sich eine konsumorientierte Generation also die Offenbarung vor.

Wie in vielen Yuppie-Zeitgeistromanen der 1980er bleibt unklar, ob der Wohlstandsennui der Figuren dekonstruiert oder illuminiert werden soll – ein Problem, das auch bei Coppola nicht neu ist. Als Tochter von Francis Ford Coppola führt sie selbst ein Leben in der Hollywood-Aristokratie, ihre Filme kreisen um Figuren, die sich den Rückzug in „splendid isolation“ leisten können – ob die historische „Marie Antoinette“ oder zuletzt der in leerem Luxus lebende Hollywoodstar in ihrem Venedig-Sieger „Somewhere“. Da lud Coppola bis zur Mitleidigkeit zur Identifikation mit ihrem ach so armen reichen Helden ein, in „The Bling Ring“ geht sie mehr auf Distanz, aber nicht weit genug: Unter dem Zeitbild gähnt pure Leere – inwieweit das kritisch gemeint ist, lässt sich aber nicht sagen. Das passt zu einer weiteren Ironie: Indem die Gang nach ihrer Verhaftung in die Schlagzeilen kam, waren ihren Mitgliedern doch noch 15 Minuten Ruhm vergönnt. Mit Coppolas Film sind jetzt anderthalb Stunden dazugekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.