NSA: Hollywood hat uns weichgeklopft

Hollywood weichgeklopft
Hollywood weichgeklopft(c) Filmmuseum
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Die lückenlose Überwachung durch den Staat ist in Filmen seit Jahrzehnten Realität. Das mag der Grund sein, warum sich die Aufregung über das Lauschprogramm der NSA in Grenzen hält.

Es war einer der besseren Filme, der den Chef des US-Geheimdienstes NSA zur Lachnummer der Nation machte. Man wolle nicht, erklärte Michael Hayden dem TV-Sender CNN, dass „die Öffentlichkeit ihr Bild von uns durch einen Film bekommt“. Daher gewährte er dem Nachrichtensender erstmals Einblicke in die Arbeit der National Security Agency. „Kann es Missbrauch geben?“, fragte sich Hayden in dem Interview selbst, um sich gleich darauf die Antwort zu geben. „Natürlich. Wird es Missbrauch geben?“ Hayden blickte direkt in die Kamera. „Ich schaue ihnen und dem amerikanischen Volk in die Augen und sage: Wird es nicht.“

Das war 2001 und schon damals glaubte niemand, was Hayden auf CNN zur besten Sendezeit erklärte. Der Film, um den es ging und der den Geheimdienst zu dem einmaligen Schritt veranlasste, war „Der Staatsfeind Nr. 1“ („Enemy of the State“), durch den eine breite Öffentlichkeit erst überhaupt von der Existenz der NSA erfuhr (bis dahin übersetzte man das Akronym gern mit „No Such Agency“ oder „Never Say Anything“).

Die Sorgen des mittlerweile pensionierten Hayden waren verständlich. Es ist nicht der beste Eindruck, den man durch den Film von seiner Behörde bekommt – aber wie wir jetzt wissen, ein sehr akkurater: ein allmächtiger Apparat, der dank modernster Technik alles über jeden Einzelnen weiß. Ein E-Mail? So lesbar wie eine Postkarte. Ein Telefongespräch? Ein Knopfdruck und es wird aufgezeichnet. Ein Spaziergang im Wald? Ein Satellit, der in 36 Kilometern Höhe jeden Schritt verfolgt. Und Dokumente auf dem Computer? Die sind ungefähr so geheim wie das Privatleben von Lindsay Lohan.


Kein Datenschutz. Als die englische Tageszeitung „The Guardian“ am 6. Juni erstmals berichtete, dass die NSA „fast alles speichert, was jemand im Internet macht“, war das für zwei Personengruppen keine wirkliche Überraschung: für Geheimdienstexperten – und für Kinogeher. Dass der Staat macht, was laut Edward Snowden die National Security Agency in den USA jeden Tag macht, ist in Filmen seit Jahren Realität. Und das hat ganz besondere Konsequenzen.

„Hollywood hat uns für die NSA weichgeklopft“, meint der Filmkritiker John Patterson im „Guardian“. Er scheint nicht unrecht zu haben, wenn man sich die ernüchternden Ergebnisse einer Umfrage der „Washington Post“ ansieht: Nur 39 Prozent der US-Amerikaner haben demnach ein Problem damit, dass sie von der NSA ausspioniert werden. Für den Großteil ist die massenhafte Verletzung der Privatsphäre eine akzeptable Nebenerscheinung der Aufgaben des Staates.

Das mag einerseits damit zu tun haben, dass Datenschutz in den USA noch nie den großen Stellenwert hatte wie in Europa (in den lokalen Bezirksblättern wird beispielsweise wöchentlich eine Liste samt Fotos jener Personen veröffentlicht, die die Polizei wegen Trunkenheit am Steuer abgestraft hat; Spenden an politische Parteien müssen in ein Register eingetragen werden, das man nach Ort, Name und Straße durchsuchen kann und so weiß, welche Partei der Nachbar unterstützt). Das mag auch mit der steigenden Bereitschaft zu tun haben, Privatheit für Annehmlichkeit aufzugeben: die Möglichkeit, sich vom Handy nahe gelegene Lokale empfehlen zu lassen; die Prozente, die man für eine Kundenkarte bekommt, die dem Supermarkt im Gegenzug ein detailliertes Einkaufsprofil gibt; die unkomplizierte Bestellung beim Onlinehändler, der einem dafür wochenlang gezielt Werbemails schickt. Zudem verschwimmt in Zeiten von Facebook und Twitter die Grenze zwischen privat und öffentlich.

Das mag aber auch nicht zuletzt mit der Darstellung in Filmen zu tun haben, die mehr Einfluss darauf haben, wie die Menschen die Realität sehen, als man glaubt. Das beklagen etwa die Mitarbeiter der Präsidentenbibliothek von John F. Kennedy in Boston, die Besuchern noch immer erklären müssen, dass Oliver Stones Darstellung des Attentats auf Kennedy im Film „JFK“ eben nicht der Realität entspricht, sondern nur eine von vielen Theorien ist (dass Lee Harvey Oswald als Einzeltäter Kennedy erschossen hat, scheint offenbar ohnehin niemand mehr zu glauben). Und das wusste auch schon J. Edgar Hoover, der Einfluss auf Hollywood nahm, um „sein“ FBI möglichst positiv darzustellen – in „Der FBI-Agent“ („G-Men“, 1935) etwa, später mit der Paradefigur des Guten, James Stewart („Geheimagent des FBI“/„The FBI Story“, 1959), und in Dutzenden Krimis und Agentenfilmen während des Kalten Krieges, in denen jedes Abhörgerät direkt zur Verhaftung eines brandgefährlichen Kommunisten führte.

Dass der Staat seine Bewohner überwacht, wird in den Hollywood-Filmen als Faktum dargestellt. Das System ist dabei nicht von sich aus schlecht, es sind meist nur Einzelpersonen, die seine Möglichkeiten missbrauchen. In „Staatsfeind Nr. 1“ etwa ein Abteilungsleiter, der einen Kongressabgeordneten töten lässt, weil sich der – ein interessanter Plot 15 Jahre nach Premiere des Films – gegen mehr Macht für die NSA wehrt. Im Interesse einer klaren Geschichte sind es meist nur die „Bösen“, die das System böse machen. Das System selbst ist neutral oder wird am Ende dank der „Guten“ sogar wieder gut.

Wenn es doch einmal kippt, dann weiß sogar das System selbst, was es zu tun hat, etwa in „Die Echelon-Verschwörung“ („Echelon Conspiracy“, 2009). Darin entwickelt ein NSA-Computer ein Eigenleben und versucht, im Namen der Sicherheit die Kontrolle über alle Computer der Welt zu erlangen. Der Protagonist bringt Echelon (übrigens der tatsächliche Name eines Abhörprogramms der NSA in Europa) jedoch kurz vor der völligen Machtübernahme bei, dass es selbst die größte Gefahr für die Freiheit der Bürger der USA ist. Das System denkt kurz nach – und schaltet sich dann ab.

Oder man hat eine vertrauenswürdige Person, der man die Kontrolle übergibt – in der Person von Morgan Freeman etwa, der in „The Dark Knight“ (2008) Lucius Fox spielt. Als Batman alle Mobiltelefone von Gotham hackt und in ein gigantisches Sonarsystem verwandelt, um so ein Bild der Stadt zu generieren und den Joker zu finden, warnt Fox vor dem System. Es gebe zu viel Macht in die Hand eines Einzelnen. Nur dieses eine Mal werde er Batman helfen, dann aber aus ethischen Gründen zurücktreten und das System zerstören (als der NSA-Skandal aufflog, twitterten manche sarkastisch, man solle Freeman die Kontrolle über Prism übergeben).


Von „Metropolis“ bis „24“. Es ist der letzte Zyklus einer sich in den vergangenen Jahrzehnten mehrmals ändernden Perspektive auf ein allmächtiges System, das als Erster Fritz Lang in „Metropolis“ (1927) zeichnete. Später war es Charly Chaplin mit „Modern Times“ (1936), in dem der Fabrikdirektor mit Kameras die Tätigkeit seiner Mitarbeiter kontrolliert. In dieser Zeit, 1948, schrieb George Orwell auch seinen dystopischen Klassiker „1984“ über einen Überwachungsstaat, in dem ein Einzelner vergeblich gegen den Großen Bruder kämpft. Gleich zweimal wurde das Buch verfilmt (sehr frei 1956, sehr originalgetreu 1984).

Später veralberten die Produzenten das Thema, nicht zuletzt mit den James-Bond-Filmen und der hübschen Agentenkomödie „Jagt Dr. Sheefer“ („The President's Analyst“, 1967): Der Berater des US-Präsidenten wird wegen der ständigen Überwachung ein Fall für den Psychiater (weil er im Schlaf spricht, muss er sogar getrennt von seiner Freundin übernachten), wird dann von allen Geheimdiensten der Welt gejagt – und am Ende ist, damals sehr passend, die Telefongesellschaft das wahre Böse.

Mit dem Watergate-Skandal um den damaligen Präsidenten Richard Nixon Anfang der 1970er-Jahre wendet sich das Genre, es beginnt ein neuer Zyklus von kritischen Filmen. Alan Pakula produziert eine „Paranoia-Trilogie“: „Zeuge einer Verschwörung“ („The Parallax View“, 1974) gehört dazu, in der ein Journalist einem politischen Komplott auf die Spur kommt, „Klute“ (1971) und natürlich „Die Unbestechlichen“ („All the President's Men“, 1976) über die Reporter der „Washington Post“, die Watergate aufdeckten und zum Sturz Nixons beitrugen (siehe Bericht unten).

Parallel dazu laufen in der ScienceFiction mehrere Filme, die die Überwachungsgesellschaft zum Thema haben. George Lucas' Filmdebüt etwa, „THX 1138“ (1971) oder „Flucht ins 23. Jahrhundert“ („Logan's Run“, 1976) über einen Staat, der die Pensionsprobleme auf eine ganz eigene Art löst: Das Alter der Bewohner ist auf 30 Jahre begrenzt.

Zuletzt sorgte die US-TV-Serie „24“ für eine Diskussion darüber, was der Staat darf. Kiefer Sutherland foltert als Jack Bauer mit Akkubohrer und Stromkabel Terroristen, um die Verstecke von Bomben zu erfahren. Das sorgte in den USA der späten 2000er-Jahre, die noch unter dem Eindruck der Anschläge vom 11. September 2001 standen, für eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit des Folterverbots (Republikaner meinten offen, man brauche jemanden wie Jack Bauer im Geheimdienst. Unter diesem Eindruck versteht man auch, warum manche in den USA Waterboarding nicht als Folter sahen).


Der Blues im Wohnzimmer. Wie soll die Welt nun mit der Abhör- und Aufzeichnungswut der amerikanischen NSA umgehen? Wahrscheinlich bleibt nur der Griff zum Saxofon, wie am Ende eines der Klassiker des Genres, Francis Ford Coppolas „Der Dialog“ („The Conversation“, 1974).

Einsam sitzt Gene Hackman als Harry Caul in einem völlig zerstörten Appartement: Der Parkettboden ist herausgerissen, die Wände sind aufge-stemmt, die Jalousien liegen auf dem Boden, Stromleitungen hängen lose von der Decke, Bilder sind aus ihrem Rahmen gerissen. Doch die Mikrofone, die Caul so verzweifelt gesucht hat, die sein Leben belauschen und alles aufzeichnen, was er in seiner so streng abgeschirmten Wohnung macht, hat er nicht gefunden. Hackman gibt sich seinem Schicksal hin, greift zum Saxofon und spielt einen Blues, so traurig, dass man weinen möchte.

Die Filme

„Der Staatsfeind Nr.1.“ In dem 1998 gedrehten Actionthriller verfügt Gene Hackman über alle Waffen der NSA, um Will Smith zu jagen.

„Jagt Dr. Sheefer!“Sheefer arbeitet in dem 1967 gedrehten Film als Analyst im Weißen Haus. Bald darauf gerät er ins Visier von Spionen.

„THX 1198“.
1971 vollendete George Lucas seinen ersten Streifen in Spielfilmlänge. Er handelt von einer technisierten, zentralistischen Gesellschaft der Zukunft.

„Zeuge einer Verschwörung“. In dem Politthriller (1971) kommt Journalist Joseph Frady – gespielt von Warren Beatty – einem politischen Komplott auf die Spur.

„Die Echolon-Verschwörung“.Shane West bekommt in der Rolle des Informatikers Max Peterson mysteriöse Textnachrichten. Der Actionfilm kam 2009 in die Kinos.

„V wie Vendetta“.
In der Comicverfilmung (2006) plant V einen Umsturz im zukünftigen, totalitären England.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2013)

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