„The World's End“: Der Weltuntergang ist ein Pub in der Provinz

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Eine britische Sauftour als intelligente Parodie auf Hollywoods endlose Blockbuster-Apokalypse: Edgar Wright und Simon Pegg rebellieren gegen die Gleichschaltung im globalisierten Netzwerk. Morgen im Kino.

Nicht schon wieder Weltuntergang! Oder vielleicht doch? Nämlich als Persiflage. Nachdem sich das Kino seit Dekaden an der Apokalypse nicht sattsehen kann, plagen Hollywood bekanntlich selbst Untergangsvisionen: Buchstäblich als „Summer of Doom“ wird die Blockbuster-Saison 2013 bezeichnet, weil so viele Großproduktionen gefloppt sind. Zwar malen nicht alle das Ende der Welt aus, aber es macht kaum einen Unterschied, das ist das Problem: Es regiert ein Übermaß an (apokalyptischer) Action bei einem Mangel an originellen Ideen. Und wo immer mehr Produktionen nach demselben Muster „zielgruppenoptimiert“ sind, wird die Grundidee vom vermarktbaren Film-Event ad absurdum geführt: Was soll das Ereignis sein, wenn es jede Woche praktisch dasselbe ist?

Da hilft nur mehr Selbstparodie. Aus dem Action-Dauerfeuer dieses Sommers ragen zwei Weltuntergangsfarcen heraus, eine davon wird trotz Starbesetzung nicht in Österreich anlaufen: In „Das ist das Ende“ spielen Seth Rogen, James Franco und zahlreiche andere bekannte Darstellerkollegen fiktive Versionen ihrer selbst, die in bester Partylaune zunächst gar nicht merken, dass draußen der jüngste Tag angebrochen ist

Das Motto: „And we wanna get loaded!“

Einen ähnlichen verschleppten Erkenntnisprozess beschreibt die morgen in die Kinos kommende Komödie „The World's End“, deren Titel ein Wortspiel ist: Einerseits verheißt er Endzeitfilm(satire), andererseits mit trockenem britischen Humor zumindest ein bisschen Beschäftigung mit einer Wirklichkeit, die Hollywood aus seinen Marketing-Konzepten verdrängt hat. „The World's End“ ist nämlich nur der Name eines Pubs.

Und zwar des zwölften (und letzten) der „Goldenen Meile“ im verschlafenen englischen Provinzstädtchen Newton Haven: Ein Bier, gelegentlich mit Schnaps, in jedem Pub – an dieser Sauftour durch das volle Dutzend sind fünf Teenager im Jahr 1990 knapp gescheitert. Das zeigt anfangs eine Rückblende, die sich als Erzählung von Anführer Gary (Simon Pegg) bei den Anonymen Alkoholikern entpuppt. Über 20 Jahre später plant er den zweiten Anlauf: Er aktiviert die alten Freunde, die stimmen nur widerwillig zu.

Sie haben sich nämlich in respektablen Jobs und braven Familienleben eingerichtet, während sich Gary noch immer wie ein Pubertierender gebärdet: Mit Sonnenbrillen und Ledermantel erinnert er an Andrew Eldritch, den Sänger der Gothic-Rocker Sisters of Mercy, die auch auf dem Soundtrack erklingen, der nostalgisch und kenntnisreich den Insel-Rock von Garys Jugendzeit ausspielt. „Loaded“ von Primal Scream liefert das Motto (zitiert aus dem Rockerfilm „The Wild Angels“): „We wanna be free to do what we wanna do. And we wanna get loaded!“

Auch das schwingt ironisch mit: Die Buben(film)-Endzeit ist mit dem Eintritt ins bürgerliche Leben erreicht. Arbeit, Familie, Routine – was soll noch kommen außer dem Untergang? Mit Entsetzen sieht Gary mit an, wie sein bester Freund Andy (Nick Frost) auf der Pubtour erst nur Wasser trinkt! Aber die Heimkehrer sind lebendiger als die Einheimischen. Das zweite Pub, pointierterweise „The Old Familiar“ genannt, sieht genauso aus wie das erste, es gibt das gleiche Bier und ebenso apathische Gäste. Selbst die Jugend hat die verbale Kommunikation aufgegeben.

Menschen werden durch Roboter ersetzt

Garys aggressive Kontaktaufnahme führt in der fünften Pub-Station zu einer Schlägerei, da offenbart sich der wahre Witz dieses Films: Die Menschen sind durch Roboter ersetzt worden, eine außerirdische Organisation mit dem bezeichnenden Namen „Das Netzwerk“ sorgt für Gleichförmigkeit, die bald global werden soll. Eine „Invasion of the Body Snatchers“ für die Ära von politischer Korrektheit, iPhones und vom Internet geprägten Leben sowie der deprimierenden Uniformität von Shopping Malls, Franchise-Ketten und Hollywood-Blockbustern.

Mit „The World's End“ beschließen der britische Regisseur Edgar Wright, sein Koautor-Hauptdarsteller Pegg und dessen Komiker-Kollege Frost nach „Shaun of the Dead“ und „Hot Fuzz“ eine Trilogie von Genreparodien mit sozialsatirischer Stoßrichtung und feiner Anglo-Charakterkomik (in Nebenrollen amüsieren u.a. Martin Freeman und Timothy Dalton). Dass die Action-Zwischenspiele und das Finale wieder etwas holprig daherkommen, tut dem Vergnügen kaum Abbruch. Denn hinter der Fantasy steckt ausnahmsweise ein intelligenter Ansatz: Egal wie besoffen und verantwortungslos – besser, etwas dagegen zu tun als in der Apathie des virtuellen Daseins unterzugehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2013)

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