Hoffman-Nachruf: "Keine Angst vor der Subtilität"

Phillip Seymour Hoffman Oscar Capote
Phillip Seymour Hoffman Oscar Capote(c) Reuters (MIKE BLAKE)
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Der überragende US-Schauspieler Philip Seymour Hoffman ist mit 46 Jahren tot aufgefunden worden. Sein Beruf war für ihn so schön wie qualvoll. Ein bestürzender Verlust.

Mit zwölf Jahren, hat Philip Seymour Hoffman erzählt, war es um ihn geschehen: Im örtlichen Theater seiner Heimat Rochester, New York, saß er in Arthur Millers Stück „All My Sons“ – und dachte: „Ich kann nicht glauben, das so etwas existiert. Es war wie ein Wunder.“ Seine Liebe zum Schauspiel entflammte und brannte hell, aber kurz. Hoffman, einer der überragenden US-Schauspieler der Gegenwart, ist am Sonntagvormittag mit 46 Jahren tot in seiner Wohnung gefunden worden. Offenbar starb er an einer Überdosis: Laut Polizei steckte noch eine Nadel in seinem Arm, neben ihm lag ein Umschlag mit Heroin. Die Polizei hat laut CNN Dutzende Spritzen und verschreibungspflichtige Medikamente in seiner Wohnung gefunden, zudem etwa 50 Umschläge, die vermutlich Heroin enthalten hätten, berichtete der Sender.

Über seinen Kampf mit der Abhängigkeit hatte Hoffman 2006 in der populären CBS-Interviewsendung „60 Minutes“ erzählt, als ihn sein ungewöhnlicher Karriereverlauf zum Hauptdarsteller-Oscar für „Capote“ geführt hatte: Bis zum Alter von 22 Jahren habe er „alles genommen, was ich in die Finger kriegte“. Dann unterzog er sich einer Therapie: Über zwei Dekaden lang entsagte Hoffman Drogen und Alkohol, bis er im Mai 2013 für zehn Tage ins Therapieprogramm zurückkehrte: Über Medikamentenabhängigkeit war er wieder ans Heroin gekommen.

„Er ist furchtlos“, staunte Meryl Streep

War sein ständiger Kampf mit der Qual die Ursache für den Rückfall? „Schauspielen ist für mich qualvoll“, sagte Hoffman kategorisch, „weil es so schön ist.“ Das sei die dunkle Seite seines Erweckungserlebnisses als Zwölfjähriger gewesen: Fortan rang er mit sich auf der Bühne und dann im Film, nachdem er seine andere Liebe, den Ringkampf, wegen einer Verletzung als Teenager aufgeben musste. Und wohl nicht zufällig etablierte sich Hoffman als Spezialist für abgründige Rollen. „Mein Gott, dieser Schauspieler ist furchtlos“, sagte Meryl Streep, nachdem sie Hoffman in „Der talentierte Mr. Ripley“ (1999) gesehen hatte: „Er spielte diesen reichen, verwöhnten Snob und gab dieser schrecklichen Figur den Respekt, den sie verdiente: Er hat sie faszinierend gemacht.“

Zu dem Zeitpunkt war Hoffman gerade am Sprung in die vordere Liga: Nach Bühnenanfängen in New York kamen Anfang der 1990er erste Rollen in Kino und Fernsehen, vor allem als Nebendarsteller in „Der Duft der Frauen“ (1993) fiel er in der Branche auf – Regisseur Paul Thomas Anderson besetzte Hoffman deshalb in „Boogie Nights“ (1997) als unglücklich in einen Pornostar verliebten, schwulen Tonassistenten und schrieb ihm die Rolle des sensiblen Krankenpflegers in „Magnolia“ (1999) auf den Leib. Dazwischen beeindruckte Hoffman in „The Big Lebowski“ und vor allem als dauermasturbierender obszöner Anrufer in „Happiness“.

Solche Getriebenen, auch den spielsüchtigen Bankmanager in „Owning Mahoney“ (2003) und vor allem den überambitionierten Regisseur in „Synecdoche, New York“ (2008), stattete Hoffman ebenso mit reichen Nuancen aus wie seine positive Ersatzvaterfigur in „Almost Famous“ (2000), den legendären Rockkritiker Lester Bangs. Mit seinem dicklichen Aussehen und gar nicht stargemäßen Auftreten – abgerissene Kleidung, introvertierte Interviews – war Hoffman rasch ein führender Charakterdarsteller geworden. Dann kam der Oscar-Schub für seine meisterhafte Mimikry als exzentrischer Schriftsteller in „Capote“. Man hätte noch viele weitere Oscars für diesen scheinbar unfehlbaren Schauspieler erwartet – nun bleibt seine letzte, insgesamt dritte Nominierung diejenige als bester Nebendarsteller im Vorjahr für „The Master“, wo er noch mal für Paul Thomas Anderson als Sektenführer auftrumpfte.
Es war eine überlebensgroße Figur, die Hoffman aber zu erden wusste, auf subtile Weise. „Unsere Kultur hat viel zu oft Angst vor der Subtilität“, erklärte sich Hoffmann: „Sie wollen sicher sein, dass es jeder begreift. Aber wenn die Subtilität verloren geht, bestürzt es mich.“ Der Verlust von Hoffmans spezieller Subtilität bestürzt nun die Welt.

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