Viel Skepsis beim Finale der Berlinale

(c) APA/EPA/BRITTA�PEDERSEN (BRITTA�PEDERSEN)
  • Drucken

Das Publikum konnte sich für den chinesischen Siegerfilm "Schwarze Kohle, dünnes Eis" nicht erwärmen. Die Bilanz bleibt durchwachsen.

Wie blickt man drein, wenn man ein Auge in der Nudelsuppe findet, die man soeben löffelt? Verwirrt vermutlich. Um die Aufklärung mysteriöser Mordfälle, die so spektakulär ans Tageslicht kommen, geht es in dem chinesischen Krimi „Schwarze Kohle, dünnes Eis“, der am Samstagabend bei der Abschlussgala der Berlinale den Goldenen Bären erhielt. Verwirrt wirkten viele, als die überraschende Entscheidung verkündet wurde. Publikum und Kritiker hatten selten einmütig auf einen Sieg für Richard Linklaters „Boyhood“ gehofft, der sich mit einem Trostpreis begnügen musste, dem Silbernen Bären für die beste Regie.

Auffallend matt fiel denn auch der Applaus für den Siegerfilm aus. Dabei ist der Jury, in der auch der österreichische Starschauspieler Christoph Waltz mitvotierte, kein Fehlgriff vorzuwerfen. „Schwarze Kohle, dünnes Eis“ ist atmosphärisch dicht, eine düster-elegante Reverenz an den französischen Film noir und einsame Detektivwölfe wie Philip Marlowe und Sam Spade. Es mag an kulturellen Differenzen liegen, dass er beim europäischen Publikum Schulterzucken auslöste: Die Verschlossenheit der Protagonisten lässt sich kaum dechiffrieren, so wenig wie leicht surreale Sequenzen, die den Erzählfluss funktionslos unterbrechen. Etwa das lustig gemeinte Feuerwerk bei Tageslicht am Schluss, auf das der Originaltitel anspielt.

Skurriler Preis für Resnais

Mit dem Silbernen Bären für Wes Andersons „The Grand Budapest Hotel“ konnten sich hingegen alle anfreunden. Von den vier deutschen Beiträgen holte sich nur Dietrich Brüggemann einen Preis: „Kreuzweg“, das Drama um ein Mädchen, das an seiner fundamental religiösen Erziehung zerbricht, erhielt den Bären fürs beste Drehbuch. Aus gutem Grund, blendet man die überzeichnete Figur der Mutter aus: Vor allem die lange Anfangsszene, der Firmunterricht in der Piusbruderschaft, zeigt meisterhaft die Verführungskraft des Fanatismus. „Kreuzweg“ bekam auch den Sonderpreis der Ökumenischen Jury.

Nur skurril ist eine andere Entscheidung zu nennen: Alain Resnais, der 92-jährige Doyen des französischen Kinos, hätte sich jede Ehrung für sein Lebenswerk verdient. Aber den Bären für „neue Perspektiven“ im altersschwachen „Aimer, boire et chanter“ leider wirklich nicht. Noch Resnais letzter Film, das virtuose „Ihr werdet euch noch wundern“, war innovativ.

Aber hier? Offenbar hat die Jury übersehen, dass die Idee, Filmschauspieler vor Bühnenbild theatralisch sprechen zu lassen, der Meister selbst schon 1993 für „Smoking/No Smoking“ hatte. Hier wirkt sie so holprig wie das Spiel, so wacklig wie die Kulissen.

Doch was soll's, die Kassa stimmt: Mit 330.000 verkauften Karten feiert die Berlinale einen neuen Zuschauerrekord. Künstlerisch geht es nur seitwärts. Das strukturelle Problem bleibt: Rund die Hälfte der 20 Filme im Wettbewerb ist einfach nicht stark genug für ein A-Festival. (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Actor Liao Fan actress Kuroki and director Diao Yinan pose with their prizes during awards ceremony of 64th Berlinale International Film Festival in Berlin
Film

Goldener Bär für einen Film Noir aus China

„Black Coal, Thin Ice“ von Yinan Diao, ein klassischer Detektivfilm aus China, hat überraschend bei der Berlinale abgeräumt. Silber ging an Wes Anderson. Favorit Richard Linklater musste sich für „Boyhood“ mit der besten Regie begnügen.
GERMANY BERLIN FILM FESTIVAL 2014
Film

Berlinale: Goldener Bär für "Black Coal, Thin Ice"

Der Film handelt von einer Mordserie in einer chinesischen Kleinstadt. Preise gab es auch für die Regisseure Linklater, Resnais und Anderson.
Berlinale, Macondo
Film

"Die Berlinale ist ein Festival für das Publikum, das macht sie so lebendig"

Sudabeh Mortezai hat mit ihrem ersten Spielfilm Österreich im Wettbewerb vertreten. Mit auf dem roten Teppich: der elfjährige Ramasan, der die Hauptrolle spielt.
MACONDO
Filmkritik

"Macondo": Leiser Kinozauber aus dem Asylantenghetto

Der österreichische Beitrag für den Wettbewerb der Berlinale kann sich sehen lassen: Sudabeh Mortezai zeigt in „Macondo“ das Leben in einer Flüchtlingssiedlung am Rande Wiens – ohne jedes Klischee und mit großer Einfühlungskraft.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.