Shirley Temple: Depressionszeit-Darling der USA

Shirley Temple
Shirley Temple(c) APA/dpa/- (-)
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Temple war der Inbegriff des Kino-Kinderstars:.Lächelnd führte sie ihr Land durch die Wirtschaftskrise. Nach dem frühen Rückzug ging sie selbst in die Politik.

Solange unser Land Shirley Temple hat, geht es uns gut“, sagte US-Präsident Franklin D.Roosevelt. Die Statistik gibt der staatsmännischen Einschätzung recht: Zwischen 1935 und 1938 war die 1928 geborene Shirley Temple Hollywoods populärster Star, noch vor Clark Gable. Sie wurde damals öfter fotografiert als Präsident Roosevelt und erhielt mehr Fanbriefe als Greta Garbo. „Sie ist das achte Weltwunder“, schwärmte ihr Studioboss Daryl F.Zanuck, und Roosevelt dankte dem kleinen Mädchen dafür, dass es „Amerika mit einem Lächeln durch die Depressionszeit führt“. Kassenschlager wie „The Littlest Rebel“ (1935) oder Allan Dwans Spyri-Verfilmung „Heidi“ (1937) machten sie zum süßen Kindertraum, an den sich die Nation in der Wirtschaftskrise klammerte.

Das Volk nagte am Hungertuch, doch Temple war noch vor der Pubertät Multimillionärin. Davon sah sie 13 Dollar pro Monat als Taschengeld. Wie oft bei Kinderstars entsprach die Wirklichkeit nicht dem Image, für das ihr Film „Curly Top“ – „Lockenköpfchen“ – 1935 das Schlagwort lieferte: Im selben Jahr erhielt die siebenjährige Shirley bereits den Ehren-Oscar (ihren einzigen) und versteckte sich vor „Lockenjägern“. Während unter ihrem Namen ein (selbstverständlich antialkoholischer) Drink kreiert wurde, tobte hinter den Kulissen ein Rechtsstreit um ihr Gehalt.

Graham Greene: Für Filmkritik verklagt

Temples ehrgeizige Mutter hatte sie mit drei Jahren in eine Tanzschule gesteckt, dort entdeckte sie Regisseur Charles Lamont für die Kurzfilme „Baby Burlesks“ (1932/33): „Eine zynische Ausbeutung unserer kindlichen Unschuld“, meinte Temple später über diese kleinen, seichten, „gelegentlich rassistischen und sexistischen“ Satiren der Produktionsfirma Educational Pictures. Die Drehumstände waren nicht bloß Kinder-, sondern Sklavenarbeit: Für die zweiwöchigen Proben gab es kein Geld, benahmen sich die Kleinen daneben, sperrte man sie in die berüchtigte „punishment box“, wo es buchstäblich das Mütchen auf einem Eisblock zu kühlen galt.

Educational ging bankrott: ein Schicksal, vor dem Temple den angeschlagenen Major 20th Century Fox bewahrte, der sie als „Poor Little Rich Girl“ (1936) unter Vertrag nahm. Doch wie warnte Autor Graham Greene in einer verhängnisvollen Filmkritik? „Die Besitzer eines Kinderstars sind wie Pächter – ihr Eigentum verliert jedes Jahr an Wert.“ Für die Rezension von John Fords „Wee Willie Winky“ (1937) wurde Greenes Magazin „Night and Day“ vom Studio in den Ruin geklagt, und der Schriftsteller floh nach Mexiko, was die Grundlage für seinen Roman „Die Kraft und die Herrlichkeit“ lieferte.

„Der Fall Shirley Temple ist von besonderem Interesse: Kindheit ist bei ihr eine Verkleidung, ihr Reiz ist geheimer und erwachsener“, hieß es bei Greene. „In ,Captain January‘ trug sie Hosen mit der reifen Zweideutigkeit einer Dietrich: Ihr hübsches und gut entwickeltes Hinterteil verdrehte sich beim Steptanz, ihre Augen hatten eine seitwärts suchende Koketterie.“ Umstritten war vor allem Greenes Bilanz von Temples (Sex-)Appeal: „Männer mittleren Alters und Geistliche reagieren auf ihre dubiose Koketterie, auf den Anblick ihres gut geformten, begehrenswerten kleinen Körpers, der enorme Vitalität ausstrahlt, nur weil der Brandschutzvorhang von Handlung und Dialog zwischen ihrer Intelligenz und ihrem Verlangen herabfällt.“ Aber in einem behielt der Autor recht: „Es ist clever, aber es kann nicht so bleiben.“

1939 glitt Temple von Platz eins auf Platz fünf der Box-Office-Stars ab, als Teenager verlor sie an Zugkraft: Ihr Rückzug von der Leinwand folgte bald nach der letzten großen Rolle in John Fords Meister-Western „Fort Apache“ (1948) an der Seite ihres ersten Gatten, John Agar, von dem sich Temple kurz danach scheiden ließ. 1950 heiratete sie den Geschäftsmann Charles Alden Black und führte ein ruhiges Leben, in den 1960ern startete Temple eine politische Karriere bei den Republikanern, wurde Botschafterin in Ghana und der Tschechoslowakei.

Für öffentliches Aufsehen sorgte sie noch einmal, 1973, als sie nach ihrer Brustkrebsoperation als eine der ersten Prominenten offen darüber redete. Das Bild des Kinderstars war endgültig weggewischt, sie hatte es schon früher so empfunden: „Ich war die älteste 14-Jährige der Welt.“ Am Montag ist Temple 85-jährig im Familienkreis gestorben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2014)

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