Oscar-Verlierer: Mary Poppins, aber zum Weinen

(c) François Duhamel
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Die dubiose Disney-Selbstfeier "Saving Mr. Banks" mit Tom Hanks und der biedere Theaterfilm "Im August in Osage County" mit Meryl Streep sind ab Freitag im Kino.

Zeichentrickpinguine? Eine Frechheit! Und singen soll Mary Poppins auch noch? Undenkbar! Findet jedenfalls P.L. Travers: Die Schöpferin des zauberhaften Kindermädchens ist erbittert angesichts der Pläne Walt Disneys für die Verfilmung ihres Erfolgsbuches. Das wiederum scheint undenkbar für spätere Generationen, die mit Disneys Musical „Mary Poppins“ (1964) aufgewachsen sind: Die Titelfigur, von Julie Andrews gespielt, wird seither fast automatisch als „singendes Kindermädchen“ bezeichnet.

Wohl bitter für Travers, aber sie schloss später ihren Frieden mit der Filmversion – wohl auch, weil sie eine Beteiligung an den Einspielergebnissen zur Multimillionärin machte. Letztlich hatte sie die Adaption wegen Geldsorgen erlaubt: Denn die Tantiemen an ihren Poppins-Romanen waren empfindlich gesunken, als sie sich 1961 von ihrem Agenten überreden ließ, nach Los Angeles zu fahren, um mit Disney zu verhandeln.

Das folgende zweiwöchige Gerangel hinter den Kulissen steht im Zentrum des Films „Saving Mr. Banks“, der freie Geschichtsschreibung aus der Perspektive des Siegers betreibt: Diese Disney-Produktion soll nicht nur – flankiert von einer Neuauflage der „Mary Poppins“-Blu-Ray – generationenübergreifende Synergieeffekte im Verkauf produzieren, sondern vor allem die sprichwörtliche Disney-Magie bestätigen. So gibt es auf der einen Seite Walt höchstselbst in einem keimfreien Porträt, das zweifelsohne von allen Angehörigen wie Rechts- und Marketingabteilungen des Micky-Maus-Konzerns abgesegnet wurde. Gespielt wird er idealerweise von einer anderen amerikanischen Ikone des Familiären: Tom Hanks als sanfter, doch unermüdlicher Kämpfer für seinen Poppins-Film, den er schließlich schon seit zwei Dekaden seinem Töchterlein versprochen hat.

„Zynismus der Disney-Sentimentalität“

Auf der anderen Seite ist Travers, von Emma Thompson so virtuos wie eindimensional gespielt: Es gilt die anstrengende, hochnäsige Widerspenstige zu zähmen – was dank der klebrigen Süße des Disney-Zuckers auch gelingt. Aus der karikaturistischen Kunstfigur wird ein Mensch. Aber was für einer? „Oh, er ist schlau, dieser Disney! Der ganze Kern seines Geheimnisses ist die Vergrößerung der Tierwelt und ein damit einhergehender Abbau aller menschlichen Werte. Es steckt ein tiefer Zynismus in der Wurzel seiner, wie aller, Sentimentalität“, schrieb die echte Travers 1937 (zu Disneys „Schneewittchen“).

„Saving Mr.Banks“ gibt ihr spätestens am Ende recht, als die zunächst feindselige Autorin bei der „Mary Poppins“-Kinopremiere von Rührung übermannt wird. In Wirklichkeit weinte Travers aber deswegen, „weil alles so verzerrt war. Ich war so schockiert, dass ich glaubte, nie wieder schreiben – oder gar lächeln – zu können.“ Immerhin macht „Saving Mr. Banks“ gute Miene zum bösen Spiel: Schon der Titel verrät, dass es um Küchenpsychologie und nicht Komplexität geht – Rückblenden zu Travers' Jugend in Australien, vom Alkoholismus ihres Vaters (Colin Farrell) überschattet, erklären ihre Inspiration für die Erfindung der Märchenwelt von Mary Poppins (die als Retterin zur Familie Banks kommt) – und liefern die Schwachstelle, bei der Disney ansetzen kann. Ansonsten wird viel Zeit damit verbracht, die Autorin durch nette Darbietungen der geplanten Musical-Nummern zu überzeugen: Als konventionelles, überlanges und vor allem altmodisches Entertainment für die ganze Familie – obwohl: Wird Kinder diese Hintergrundgeschichte wirklich interessieren? – war „Saving Mr. Banks“ der designierte Oscar-Film von Disney, wurde aber übergangen – bis auf eine Nominierung für die Musik.

„Im August in Osage County“, ein Familienfilm der anderen Art – beim Wiedersehen kommen wieder einmal Lügen und Geheimnisse des Clans ans Tageslicht –, ging auch eben bei den Oscars leer aus: Meryl Streep und Julia Roberts waren als Haupt- bzw. Nebendarstellerin nominiert. Vor allem Streeps völlig groteskes Porträt einer gehässigen, krebskranken Matriarchin erinnert dabei daran, dass die schwarzen White-Trash-Komödien von Tracy Letts (auf dessen gleichnamigem Stück der Film basiert) binnen kurzer Zeit schon veraltet wirken. Im übrigen auch das ein gut besetzter (Benedict Cumberbatch, Ewan McGregor u.v.m), brav inszenierter Film ohne tieferen Existenzgrund.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2014)

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