BÖsterreich: "Wie zünd' i dem des Haus an?"

Nicholas Ofczarek und Robert Palfrader reisen nach 'BOesterreich'
Nicholas Ofczarek und Robert Palfrader reisen nach 'BOesterreich'(c) ORF
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Was macht Österreich aus? Ein Mailwechsel zwischen Fernsehchefin Kathrin Zechner und Nicholas Ofczarek, der gerade in Hamburg dreht, zum Start von »BÖsterreich«.

Lieber Niki,
gerade die ersten zehn Folgen gesehen und sehr gelacht. Bin voller Erwartung, zu wie viel Selbstironie das Land fähig ist. Wir Österreicher lachen doch lieber über die anderen als über uns selbst. Die bitterböse Satire muss man aushalten, ohne sich gleich per Hechtsprung in die Schadenfreude retten zu wollen. Kriegen wir das hin?

In diesem Sinne drücke ich uns die Daumen für den Start und schicke liebe Grüße nach Hamburg,

Kathi


Liebe Kathi,

toi, toi, toi uns allen, möge die Übung gelingen! Möge dieses schöne Land über sich selbst lachen!

Wie sind wir denn? Lachen wir wirklich lieber über die anderen als über uns selbst, so wie die Engländer das so elegant mit steifer Oberlippe machen? „Ach, ihr Ösis“, höre ich hier immer wieder, verbitte es mir allerdings vehementest! (Ich hab dieses scheußliche Wort auch jetzt zum ersten Mal geschrieben. Und auch zum letzten!) Was soll dieser depperte Diminutiv? Es gefällt ihnen schon ganz gut, sie brauchen es, uns klein zu machen, kleinzuhalten, so zu betüdeln, als wären wir niedlich.

Dabei sind wir wenigstens in der Lage, uns ordentliche Namen für die nördlichen Lieblingsnachbarn zu überlegen. Piefke zum Beispiel, oder Marmeladinger. (Woher kommt das eigentlich?! Zweiter Weltkrieg?) Oder das Neueste, das kennen sie selbst noch gar nicht: MOF. Kennst du das? Steht für „Menschen ohne Freunde“. Har, har.

So viel zu: Der Österreicher an sich lacht gern blöd über andere. Was soll man machen, wenn sie komischer sind? Hamburg ist schön,

Niki


Lieber Niki,
bei den Briten und Amis ist die Unterhaltung einfach ein Menschenrecht, eine Selbstverständlichkeit, und nicht etwas, bei dem man bloß nicht erwischt werden will. Bei Publikumsumfragen kommt raus, dass alle immer nur die Oper im Hauptabend und Nachrichten sehen wollen. Erwünschte Antworten scheinen erwünscht zu sein.

Zu uns'rem Selbstbild: Das Kleine, apropos Erster Weltkrieg (apropos weil der Marmeladinger daher stammt: Marmelade statt Butter auf dem Brot der deutschen Soldaten), das quasi Kastrierte, das leicht Eingeschnappte, weil am falschen Fuß erwischt – ist das das Österreichische? Dann tun sich die Lieblingsnachbarn leicht mit dem Kleinhalten, wenn unser Ösi-Bewusstsein schon ganz von allein dem Gartenzwerg in die Augen schaut.

Für den Kollegen Palfrader ist das österreichische Selbstbewusstsein die Selbstüberschätzung. Die Selbstüberschätzung sehe ich ja nur als Theaterschminke, um mangelndes Selbstbewusstsein zuzudecken. Groß ausschauen tun wir, aber vor uns selbst können wir den Gartenzwerg nicht wegschminken. Daher nagt das Diminuieren so, weil wir es den Deutschen mit ihren teilweise grundlos postleitzahlgroßen Egos zum Schluss auch noch GLAUBEN.

MOF – hast Du vielleicht gemeint „Menschen ohne Freunderln“? Die Freunderln samt nachbenannter Wirtschaft und angehängter Seilschaften gibt's doch hie wie da.

Soweit aus Wien,

Kathi
Madame la Directrice,
die Kleinheit unseres Landes macht zwar irgendwie alles sympathischer, aber entschuldigt nichts. Schon gar nicht die Korruption und den Machtmissbrauch, der bei uns vielleicht sichtbarer ist. Stichwort Burgtheater. Hier in Hamburg erreicht mich die Nachricht, dass auf Herrn Hartmanns Porsche geschossen wurde! Hallo? Wenn der Schalko sich so etwas ausgedacht und in „BÖsterreich“ geschrieben hätte, hättet ihr es wahrscheinlich mit dem Hinweis „unglaubwürdige Übertreibung“ rausgestrichen.

Das mit der Unterhaltung ist wirklich eine Spezialität des deutschen Raumes. Bei den Engländern oder Amis hat sie einen ganz anderen Stellenwert als bei uns. Daher brauchen sie auch die übellaunige Unterscheidung in U- und E-Kultur nicht. Die haben die sinnvolle Unterscheidung in gute und schlechte Unterhaltung.

Was uns unterscheidet von den Briten und Amis und den Deutschen sowieso ist natürlich der Humor. Nach ein paar Tagen hier fehlt er mir schon, dieser österreichische Schmäh und der Charme und das Nölende, Goscherte, Drüberg'schmierte. Also keine Sorge, ich werd‘ schon nicht zu Deutschland halten bei der WM wie meine ganzen Bobo-Freunde.

Stets der Deine, N.


Servus Gaukler,
immer wieder Österreich? Zeigt sich das Österreichische beim Grölen am Fußballplatz z'letzt am deutlichsten? Córdoba ist lang her, auch wenn wir immer noch so tun, als wär's gestern gewesen, und jetzt rächt sich Deutschland subtil. Junge statt Bub und Kartoffel statt Erdäpfel: Lehrer glauben laut in der „Presse“ gelesener Umfrage, dass die bundesdeutschen Bezeichnungen die richtigeren sind, die österreichischen nur Umgangssprache. Solange die Erdäpfel nicht mit Vogel-V geschrieben werden, ist für mich alles gut und vom Klang ungleich poetischer.

Ich sperr‘ mich nicht gegen den Fortschritt der Sprache, den muss es geben, sondern will dem weiter nachforschen, was uns ausmacht. Und da gehört doch die Eigenständigkeit im Ausdruck als identitätsstiftend dazu.

Pfiat di und baba, Kathi


Ser's!
Waren die jemals im Theater, die so einen Bledsn behaupten? Standardsprache ist Standardsprache, und der Rest ist Lokalkolorit und Soziolekt, je nachdem, woher man stammt, halt charmant oder unerträglich.

„War ich nicht bei“, „weiß ich nichts von“ und „kann ich nichts für“ sollen korrekt sein? Korrekter als „Holzpyjama“, „offenbrunzlert“ oder „Reparaturseidel“? Geh bitte! Das Eigenständige ist nicht rückschrittlich, im Gegenteil. Mit dem fälschlich Karl Kraus unterstellten Zitat: Das Einzige, das uns trennt, ist unsere gemeinsame Sprache.

Hawedehre, Nicholas


Salut!
Die Trennlinie der gemeinsamen Sprache – und des Humors. Gerade auch weil Letzterer gern und gerade im Fall Deutschland/Österreich am Grenzbalken abprallt. Oder findest Du Mario Barth komisch? Eben.

Da brauchen wir ja nicht mal bis zu Doderer und Kraus zurückblatteln, da genügt ein Blick in Richtung „Braunschlag“. Bei uns gegangen wie die Eisenbahn – verkaufen nach China brauchst Du's aber nicht. So wie das ganze Land halt: irgendwie eigen, aber uns'res. Quasi die kleine Selbstbefreiung zwischen den globalisierten desperaten Hausfrauen und Kartenhäusern.

Mahlzeit, Kathrin


Meine Guteste,
weißt Du, was es wirklich nur bei uns gibt? Den Ausdruck „LEIDER GUT“. Das Positive muss hier fast widerwillig, mit einem Seufzer tiefster Verzweiflung, zur Kenntnis genommen werden.

Daher: Ich finde es leider aber so was von gut, dass wir uns das gallische Dorf in Wort, Schrift und Schmäh erhalten haben. Diese Selbstbefreiung ist mir lieber als Selbstverleugnung.

Was wäre denn die Alternative zum Betonen des Eigenen, so klein auch immer es sein mag? Eigentlich nur die Selbstaufgabe. Aaaaber: Das Einzige, das ein Österreicher aufgibt, ist ein Brief (und den auch nimmer lang).

Wer klein ist, kann nämlich leicht goschert und starrköpfig sein. Und mit was? Mit Recht. Weil der Kleine nichts anderes hat. Wer die Welt regiert, kann leicht elegant sein und über sich selbst lachen.

Wer einmal die Welt regiert hat und sich noch heute im Phantomschmerz über die eigene Kleinheit wundert, muss granteln und knurren und wadlbeiß'n.

Goins'

Nicholas


Ach, Niki,
wir sind das einzige Land, in dem auf die Frage „Wie geht's?“ mit drei Verneinungen geantwortet wird: „Na ned schlecht.. Auch gern mit „Wie immer, nur schlimmer“. Das ist Lebensbejahung.

Hinter dem „Leider gut“ steckt doch der Neid. Ist das Nachbarhaus in den USA größer, dann sagt man sich: Das will ich auch schaffen. Bei uns heißt's schlicht: Wie zünd i dem des Haus an? Klugheit und Energie als wichtigster Bausparer werden gleich einmal kategorisch ausgeschlossen. Lottogewinn vielleicht, oder maximal reich geheiratet und/oder geerbt und in jedem Fall ergaunert und nicht verdient. Und wenn der Nachbar schon so groß baut, dann baut man selbst noch größer und stellt das SUV unter den Carport. Nix Garage, da würde ja niemand beim Sonntagsspaziergang den geleasten Neuwagen sehen.

Das Bobo-Gutmenschentum ist auch keine Lösung, aber vielleicht ein Anfang. Das Gemeinwohl wieder ein bisschen in den Vordergrund, den gesellschaftlichen und nicht nur den materiellen Profit. Können Frauen das besser – an die Gruppe zu denken statt ans Ego? Aber was frag ich Dich, Du bist ja ein Alphamann.

Ich muss jetzt langsam Schluss machen. War super, mit Dir so zu mailen. Ganz offen und ohne dass es gleich in der Zeitung steht.

Wie laufen die Dreharbeiten?

Baba und fall ned, K.


Liebe K.,

so ziemlich alles Gescheite können Frauen besser, darauf können wir uns schnell einigen – und das sollte auch öfter in der Zeitung stehen.

Es war sehr schön, unser Ping-Pong, Frau Direktorin, und es hat mich sehr gefreut. Dreharbeiten laufen LEIDER GUT, ich freue mich aber auch schon sehr auf daheim. (Und auf den Start von „BÖsterreich“.)

Auf bald, Niki

Zu den Personen

Kathrin Zechner (r.)
ist Fernsehdirektorin des ORF. Zuvor war sie künstlerische Leiterin und Intendantin der Vereinigten Bühnen Wien.

Nicholas Ofczarek,Jahrgang 1971, ist Schauspieler und Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters. Gemeinsam mit Robert Palfrader, mit dem er bereits die Erfolgsserie „Braunschlag“ drehte, stand er zuletzt für die schwarze Sketchkomödie „BÖsterreich“, die am 1.April um 22.50 Uhr im ORF anläuft, vor der Kamera.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2014)

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