Spiel schön im konformistischen Legoland

(c) Courtesy of Warner Bros. Picture (Courtesy of Warner Bros. Picture)
  • Drucken

Der am Freitag anlaufende Animationsfilm führt unterhaltsam durch die Welt der berühmten Bauklötze: Im Gag-Dauerfeuer steckt aber auch ein Plädoyer für den Lego-Grundwert Kreativität - und eine Anklage gegen Kapitalismus.

Es war einmal eine Zeit, da waren Bauklötze einfach nur Bauklötze: bunte Plastikteile, die man entweder nach Anleitung oder kreativ zu Strukturen zusammenstecken konnte. Und dann ist das passiert, was im Spätkapitalismus jede erfolgreiche Marke noch erfolgreicher gemacht hat: Lego wurde mit Lebensgefühl angereichert.

Geht man 2014 in einen Spielwarenladen und kauft ein Produkt des traditionsreichen dänischen Unternehmens, sind die Steinchen selbst nur mehr der erste Schritt in Richtung Glück. Mit dem Kauf wird man Teil einer Community, die sich selbst Namen wie Brickheads oder Brick Lovers gibt: Tonangebend in diesen Zirkeln sind Begriffe wie Kreativität und Selbstverwirklichung, auch wenn die meisten dieser Bastler die Steinchen dann doch streng nach Anleitung zusammenstecken und das Resultat wie eine Skulptur im Wohnzimmer (oder noch besser: im Lego-Zimmer) ausstellen.

Gehirnwäschelied für Lego-Bürger

Einer der faszinierendsten Aspekte von „The Lego Movie“ ist dann auch, wie intelligent die Animation über die Geschichte der Kultklötze selbst nachdenkt: Das Regieduo Phil Lord und Chris Miller erweist darin längst vergessenen, von Hardcore-Sammlern verehrten Serien wie etwa dem auf Kleinkinder ausgerichteten „Fabuland“ oder auch den klassischen Lego-Weltraumsets der 1980er die Ehre. Vor allem feiert der Film jene altmodische Lego-Philosophie ab, die von der gegenwärtigen multimedialen Strategie des Konzerns überdeckt wird: nämlich, dass man vor allem zusammenstecken soll, was nicht zusammengehört. „Leg godt“, die dänische Phrase, die Unternehmensgründer Ole Kirk Christiansen 1934 zum Firmennamen „Lego“ zusammengeführt hat, heißt ja auch „Spiel schön“ und nicht „Sammle brav“.

Dieses Credo steht im Zentrum von „The Lego Movie“: Bauarbeiter Emmett (im Original gesprochen von Chris Pratt), ein braver Vielarbeiter, der jeden Morgen exakt nach der Anleitung („how to fit in and be happy“) startet und schon auf dem Weg zur Arbeit das Gehirnwäschelied „Everything Is Awesome“ mitsingt, ist Idealbild des konformistischen Lego-Bürgers. Genauso will Präsident Business (diabolisch komisch: Will Ferrell) sein Volk haben: Mit poppiger Propaganda mund- und hirntot gemacht, gehen alle „Minifigures“ in Franchise-Restaurants essen, kaufen anschließend überteuerten Franchise-Kaffee und sehen sich endlose Wiederholungen des immer selben Fernsehprogramms an, das einem sämtliche negativen Gedanken aus dem Hirn schabt.

„Wolkenkuckucksland“: Wie Lady Gaga

Zufällig findet Emmett eines Tages ein mythisches Artefakt, das „piece of resistance“, das ihn hinter die bunten Kulissen des totalitären Regimes blicken lässt. Von der Rebellin Lucy und dem Magier Vetruvius (fantastisch: Morgan Freeman) erfährt Durchschnittsfigur Emmett dann, dass er gemäß einer Prophezeiung derjenige sein soll, der Präsident (oder wie er sich als Bösewicht nennt: Lord) Business stürzt. Es beginnt ein Abenteuer, das durch verschiedene Themenwelten, darunter eine Wildwest-Stadt und das Lady-Gaga-artige „Wolkenkuckucksland“, führt und dem Zuschauer einiges abverlangt: Schmähs und Sprüche fliegen einem im Sekundentakt um die Ohren: „The Lego Movie“ wirkt häufig wie ein anarchischer popreferenzieller Wirbelsturm, in dem Batman plötzlich im Millenniumfalken aus „Krieg der Sterne“ Platz nimmt und ein pinkfarbenes Einhornkätzchen in einem Wutanfall Terminator-gleiche Kampfroboter in Stücke beißt.

Mitverantwortlich für die Tonlage des Humors ist Chris McKay, Erfinder der betont untergriffigen, wahnsinnig komischen Animationssketchparade „Robot Chicken“, die ebenso wie „The Lego Movie“ Figuren aus verschiedenen Universen in den Mixer wirft und schaut, was am Ende herauskommt. Das ist in diesem Fall ziemlich reichhaltig: Die hohe Frequenz der Gags ermüdet einen zwar schnell, allerdings wird das quirlige Geschehen von der großartig retro-elektronischen Filmmusik von Mark Mothersbaugh, vor allem aber von einem beherzten dramaturgischen Konzept zusammengehalten.

So unglaublich es klingt, aber Lord und Miller machen aus einem neunzigminütigen Lego-Werbefilm eine glaubhafte Anklage gegen Kapitalismus und Konformismus und plädieren für einen freien Geist, Individualität und Kreativität – ganz entsprechend der Markenphilosophie. Will man sich davon überzeugen, wie inspirierend die Steinchen tatsächlich wirken, reicht ein Blick ins Internet: Auf Plattformen wie brickfilms.com finden sich hunderte Kurzfilme aus Lego. Mit Stop-Motion-Technik animiert, inszenieren die Amateurregisseure kleine Horror-, Science-Fiction- und Fantasy-Geschichten, für gewöhnlich gewürzt mit viel Humor. Sogar Lego-Pornos finden sich auf diversen Videoportalen im Internet.

Ein konsumkritischer Werbefilm

„The Lego Movie“ selbst ist dagegen computeranimiert: Die extra programmierte Software, für die sogar Steinchen mikroskopisch gescannt worden sind, um Staubpartikel und kleine Kratzer in die Oberflächentextur rechnen zu können, sorgt dafür, dass die Maschinen die physische Beschaffenheit des Kultspielzeugs so gut wie möglich simulieren. Immerhin: Der sehenswerte Abspann wurde traditionell animiert, und fasst zur Musik von „Everything is Awesome“ nochmals zusammen, was nicht zusammengehört. Nämlich, dass man gerade einen konsumkritischen Werbefilm gesehen hat und danach sofort in den nächsten Laden laufen will, um sich ein Lego-Set zum „Lego Movie“ zu kaufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kramar

Lego, audio, video, disco, quatio, ...

Als Aufräumer im Kinderzimmer kann man einer Volksetymologie aufsitzen. Beim Einkaufen auch.
''The Lego Movie''

Phänomen statt Pleite


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.