Adolf Wohlbrück: "Ich verdanke alles meinem Bart"

Adolf Wohlbrück
Adolf Wohlbrück Österreichisches Filmmuseum
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Der unwiderstehliche Charme eines einzigartigen Schauspielgenies aus Wien: Adolf Wohlbrück war der Inbegriff soignierter Eleganz auf der Leinwand. Bis 5. Mai.

Wenn jemals jemand Polizeischutz vor allzu leidenschaftlichen weiblichen Fans brauchen sollte“, schrieb das britische Branchenblatt „Picturegoer Magazine“ im März 1940, als es gelang, ein rares Interview mit dem Schauspieler Anton Walbrook zu ergattern, „dann ist es dieser scheue, sechs Fuß große, gut aussehende junge Wiener Schauspieler mit seinem bezaubernden Akzent und aufrichtigen Grauen vor Publicity.“ Die Schlussfolgerung des Artikels: Der vor Kurzem exilierte Darsteller sei „die öffentliche Bedrohung Nummer eins, soweit es sein weibliches Publikum betrifft“ – von seiner Homosexualität durfte die Öffentlichkeit damals nichts wissen.

Als engagierter Nazi-Feind emigriert

Anton Walbrook war zudem ein engagierter Feind des Nazi-Regimes, das ihn als „Halbjude“ einstufte. Er emigrierte Mitte der Dreißiger, nachdem er es in Deutschland auf der Bühne wie im Film längst zu großer Bekanntheit gebracht hatte – als Adolf Wohlbrück. „Kein sehr populärer Vorname im Moment“, kommentierte er im „Picturegoer“-Interview trocken seine Namensänderung mit dem Umzug nach England: Doch so oder so war der als Adolf Anton Wilhelm Wohlbrück 1896 geborene Sohn eines Zirkusclowns der Inbegriff soignierter Eleganz auf der Leinwand. Als der Mann von Welt, ideal besetzt etwa in Max Ophüls' virtuoser Schnitzler-Verfilmung „La ronde“ (1950) als allwissender und allmächtiger Spielleiter des Reigens, verströmte Wohlbrück gleichermaßen überlegene wie unaufdringliche Selbstsicherheit und unwiderstehlichen Charme.

So besetzte man ihn zunächst auch vor allem in romantischen Rollen: Nach dem ernsten Akrobaten-Dreiecksdrama von E.A. Duponts erstaunlichem Zirkusfilm „Salto mortale“ (1931) brillierte Wohlbrück zunächst vor allem im komischen Fach. Für Willi Forst erlag er als verführter Verführer im Wien-Wunder „Maskerade“ (1933) Paula Wessely oder bestand in „Allotria“ (1936) in bester Screwball-Manier amouröse Verwicklungen. In Reinhold Schünzels flottem Travestie-Klassiker „Viktor und Viktoria“ (1933) hatte er als „Londons berühmtester Frauenkenner“ seine liebe Not mit der Enttarnung eines Damenimitators, dessen Part tatsächlich eine Dame übernommen hat – nicht das einzige Wohlbrück-Werk, das zu Spekulationen über seinen speziellen Charme Anlass gab, als seine zeitlebens weltmännisch-dezent verschwiegene, wiewohl nicht verheimlichte Homosexualität offengelegt wurde.

In stets wie angegossen sitzenden Maßanzügen wirkte Wohlbrück zugleich vornehm-distanziert und doch anziehend: Ihn umgab das Geheimnis des Genies, auch wegen des besonderen Zaubers seiner Stimme mit dem exquisit gehandhabten Wiener Akzent, den er – trotzt gegenteiliger Beteuerungen – auch in England weiter kultivierte.

Da verwundert auch nicht, dass Wohlbrück – Max-Reinhardt-Schüler aus zehn Generationen alter Theaterfamilie (Wohlbrücks Papa galt wegen seiner Flucht zum Zirkus als das schwarze Schaf) – trotz Bühnenbekanntheit erst im Tonfilm den Durchbruch schaffte. Es verblüfft nur seine Behauptung, es habe daran gelegen, dass er auf Schnappschüssen nicht fotogen wirkte – so wurde er bei Besetzungen übergangen, bis er sich den charakteristischen Bart wachsen ließ, als er für die Rolle von Johann Strauß vorsprach: „Ich verdanke alles meinem Oberlippenbart – außer meinem Talent“, sagte Wohlbrück später.

Ein Sadist mit makellosem Betragen

Wie vielfältig dieses Talent trotz seiner unverwechselbaren Aura war, zeigte er als Walbrook: Die Schärfe, die sich meist hinter seinem sanften Schmelz verbarg, demonstrierte er augenfällig als sadistischer Gatte, der seine Neigungen unter makellosem Betragen verbirgt, in Thorold Dickinsons britischem Thriller „Gaslight“ (1940), der weniger bekannt, aber eigentlich genauso gut ist wie George Cukors üppigere Hollywood-Version mit Charles Boyer und Ingrid Bergman. Walbrooks vier Rollen für Englands Meisterduo Michael Powell und Emeric Pressburger wurden gemeinsame Höhepunkte – als guter Deutscher im Epos „The Life and Death of Colonel Blimp“ (1943) durfte er, besonders in einer atemberaubenden langen Monologszene, zweifellos als Sprachrohr für vieles dienen, was dem ebenfalls emigrierten Pressburger am Herzen lag; Walbrooks so unnachgiebiger wie charismatischer Ballett-Impressario im Technicolor-Farbenrausch von „The Red Shoes“ (1948) lässt sich auch als Alter Ego für Powell auf seiner Suche nach dem „Totalen Kino“ verstehen.

Zusammenbruch auf der Bühne

Die Retrospektive des Filmmuseums präsentiert neben solchen zentralen Wohlbrück-Filmen auch nunmehr vernachlässigte Klassiker wie „The Queen of Spades“ (1949) nach Puschkin und letzte Triumphe wie „Saint Joan“ (1957) von Otto Preminger. Der chronologisch letzte Film der Schau ist das westdeutsche TV-Remake von Premingers Noir-Klassiker „Laura“, adaptiert 1962 mit Hildegard Knef und Wohlbrück in der Rolle, die einst Vincent Price spielte: eine angemessene Umbesetzung von einer unvergleichlichen Kino-Ikone zur anderen. 1947 war Wohlbrück britischer Bürger geworden, tourte seither vor allem durch Europas Theater, kam auch wieder nach Deutschland – wo er im März 1967 auf einer Münchner Bühne zusammenbrach und am 9.August in Bayern starb. Seine Asche wurde weisungsgemäß nach England überführt, aber die einzigartige Magie dieses Kosmopoliten wirkt weiter in alle Welt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2014)

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