Deutschland: Wogen des Widerstands gegen "Walküre"

(c) AP (Kevork Djansezian)
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Das Filmprojekt von Tom Cruise über den Hitler-Attentäter Stauffenberg entfacht eine Kontroverse um Scientology. Drehgenehmigungen bleiben aus.

Berlin. Manche beschlich bereits eine düstere Ahnung, als der Hollywood-Star vor wenigen Wochen samt Tross geheimniskrämerisch in Berlin einfiel, um sein neues Filmprojekt vorzubereiten, das Ende Juli im Studio Babelsberg starten soll. Tom Cruise als Hitler-Attentäter, das gelackte Flieger-Ass aus „Top Gun“, der an den Rollstuhl gefesselte Vietnam-Veteran aus „Geboren am 4. Juli“ als Claus Schenk Graf von Stauffenberg – der adelige Offizier, der sich vom Nazi-Mitläufer zum Widerstandskämpfer wandelte und am 21. Juli 1944 mit dem Leben büßte?

Das passte nicht zusammen – am allerwenigsten für Stauffenbergs Sohn Berthold. „Da kommt sicher nur Mist raus“, sagte der pensionierte Generalmajor der deutschen Bundeswehr unumwunden. In ihm sträubte sich alles gegen den „grauenvollen Kitsch“.

Zudem empfinde er es als befremdlich, dass ein Anhänger der Scientology-Sekte seinen Vater verkörpere. Doch er fügte sich in die Einsicht, dass der Film nicht zu verhindern sei, da es sich bei der Hauptfigur um eine Person der Zeitgeschichte handle.

„Ort der Erinnerung“

Dies sollte indes nur das Vorspiel sein für die Wogen des Widerstands, die dem Film unter dem Arbeitstitel „Valkyrie“ – nach der historischen „Operation Walküre“ – seither entgegenschlagen. Dabei hätte es Cruise besser wissen können: Schon vor drei Jahren, bei „Mission Impossible III“, versagte ihm der Bundestag die Drehgenehmigung für Szenen in der Reichstagskuppel. Jetzt verweigerten Finanz- und Verteidigungsministerium dem Team die Dreherlaubnis für den Bendlerblock, die Hinrichtungsstätte der Widerstandskämpfer des 20. Juli.

„Dieser Ort der Erinnerung und der Trauer würde an Würde verlieren, wenn wir ihn als Filmkulisse instrumentalisieren“, lautete die Begründung. Dass der deutsche Regisseur Jo Baier vor vier Jahren ebenda die Hinrichtungsszene nachstellen durfte, tat offenbar nichts zur Sache. Auch die Stadt Berlin, die sonst mit Drehgenehmigungen großzügig ist, verwehrte den Zutritt zu einer Polizeikaserne, die als Ersatzort fungieren sollte.

Die Diskussion dreht sich vorrangig um das umstrittene Engagement des Superstars bei Scientology. Cruise hat sich vermutlich keinen guten Dienst erwiesen, als er bei seiner Stippvisite kürzlich zu mitternächtlicher Stunde die Berliner Scientology-Zentrale inspizierte. Thomas Gandow, Sektenbeauftragter der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, urteilte scharf: „Als hoher Scientology-Funktionär steht Cruise für eine neue Form eines totalitären Systems. Alles, was Cruise macht, ist Werbung für Scientology.“ Der Part des Nationalhelden des deutschen Widerstands sei daher völlig untauglich.

Schützenhilfe von Kollegen

Seit längerem agiert Cruise als offizieller Scientology-Botschafter und agitiert gegen die „Diskriminierung der Religionsgemeinschaft“. Regisseur Bryan Singer („Die üblichen Verdächtigen“) versteht die Welt nicht mehr: „Ich bin Jude, mein Drehbuchautor ist Katholik, die Produzentin ist Protestantin. Das alles hat aber nichts mit unserem Film zu tun.“

Prominente Schützenhilfe erhielt er von Oscar-prämierten deutschen Kollegen. Volker Schlöndorff schimpfte über die „Posse peinlichster Art“. Und Florian Henckel von Donnersmarck („Das Leben der anderen“) hielt im FAZ-Feuilleton auf einer ganzen Seite ein flammendes Plädoyer für die Trennung von Glauben und Beruf. Tom Cruise, der „Superstar der Siegernation“, könne in seiner Rolle als „Übermensch“ Stauffenberg mehr für das Ansehen Deutschlands bewirken als zehn Fußballweltmeisterschaften, appellierte der Regisseur, der gerade erst in die USA gezogen ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2007)

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