Drehbuchautoren streiken: Apocalypse now in Hollywood

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Die Geschichten-Lieferanten der Traumfabrik legen ihre Arbeit nieder. Sie wollen an DVD-Einnahmen stärker beteiligt werden. Die Industrie zittert - leicht. Noch hat sie neue Geschichten auf Lager.

Schuld sind DVD, Internet und Mobil-Telefone. Über sie wird die geistige Arbeit von Autoren verbreitet, Geld für die Schöpfer gibt es aber kaum. Ihr Zorn entlädt sich ab heute, Montag, in einem Streik. Es ist der erste Ausstand der Drehbuchautoren Hollywoods seit 20 Jahren. Damals streikten sie 22 Wochen, was die Film-und TV-Industrie 500 Mio. Dollar kostete. Auch diesmal spricht man von vielen hundert Millionen Dollar Verlusten. „Apocalypse now“ titelte in Anlehnung an Francis Ford Coppolas Vietnam-Film (1979) das Branchen-Magazin „Daily Variety“.

Wie drastisch und wie schnell sich die Konsequenzen bemerkbar machen, ist allerdings umstritten. Einige Groß-Studios verfügen über beträchtliche Material-Reserven. Auch bei Soaps dürften die abgedrehten Folgen länger reichen. Der „Spiegel“ schreibt, dass die Studios schon seit dem Frühjahr auf Hochtouren arbeiten, weil sie seit langem von der Streik-Gefahr wissen. Tägliche Shows freilich können ohne ihre Ladung an tagesaktuellen Gags so wenig auskommen wie ein Süchtiger ohne Droge.

Letterman: „Lümmel, Halsabschneider!“

„Lümmel, Halsabschneider, hinterhältiges Pack“, schimpfte einer der prominentesten US-Showmaster, David Letterman, die Autoren. Der 60-Jährige war Vorbild von Harald Schmidt und verdient bei CBS nach Branchen-Schätzungen über 30 Mio. Dollar jährlich. Wiewohl selbst Produzent und Komiker, sind die meisten von Lettermans Sprüchen von Autoren erdacht. Der Wichtigste unter ihnen, Bill Scheft, hat sogar ein Buch über die besten „Witze und Weisheiten“ der Show geschrieben. Mitte Oktober drohte Scheft den Sehern von Lettermans „Late Show“ unverhohlen: „Ihr wollt doch nicht auf frische Gags verzichten! Sagt der Industrie, sie soll die Autoren fair behandeln.“

Aufgerufen zum Streik hat die Writers Guild of America (WGA), die 12.000 Mitglieder hat. WGA-Sprecherin Sherry Goldman erklärte am Freitag, der Vorstand der WGA habe sich einstimmig für einen Beginn der Kampfmaßnahmen eine Minute nach Mitternacht am Montag US-weit ausgesprochen. In Los Angeles sprachen sich 3000 Drehbuchschreiber für den Arbeitskampf aus. Die bisherigen Tarifverträge waren letzten Mittwoch um Mitternacht ausgelaufen. Über einen neuen Vertrag wird schon seit Monaten verhandelt. Die Alliance of Motion Picture and Television Producers (AMPTP) als Vertreter der Arbeitgeber-Seite kritisierte den Streikaufruf als überstürzt und verantwortungslos. Sonntag früh sollte noch einmal verhandelt werden. Man trennte sich aber offenbar ohne Ergebnis.

30 Mrd. Dollar im Jahr mit TV, Film

AMPTP-Boss Nicholas Counter warf der WGA vor, falsche Angaben gemacht und Lügen verbreitet zu haben. „Jeder weiß, was eine DVD kostet und ein Autor bekommt vier bis fünf Cent je verkaufter DVD“, beklagte Drehbuch-Autor Bryce Zabel, ehemaliger CNN-Korrespondent und Vorsitzender der Academy of Television Arts and Sciences. „Ich möchte eine Lösung, damit wir das weiter machen können, was wir wollen: Filme drehen“, so Schauspiel-Star Tom Cruise im Fernsehen. Die Filmindustrie ist zwar nicht so profitabel wie andere Bereiche, im Raum L. A. aber ist sie extrem wichtig. In den letzten zehn Jahren stieg die Zahl der Beschäftigten um 80Prozent. Film/TV überflügelten den wichtigsten Arbeitgeber: die Luft-und Raumfahrt-Industrie. BBC-News schätzte vergangenen Sommer, dass ein General-Streik (falls z. B. Mimen mitziehen) die Region rund sieben Mrd. Dollar Einnahmen und 130.000 Jobs kosten könnte. Der Bürgermeister von L.A. rechnet mit einem unmittelbaren Verlust von einer Mrd. Dollar. Am härtesten träfe der Streik kleinere Studios, Zulieferer, auch Immobilien-Makler und Auto-Vermieter. Allein in L. A. County erwirtschaftet die Film-und TV-Industrie 30 Mrd. Dollar jährlich.

Die „L. A. Times“ tröstete am Freitag die TV-Zuschauer mit einer langen Liste, wie sich der Streik auf einzelne Sendungen auswirken könnte. Einige würden Wiederholungen ausstrahlen, andere haben bis zu 20 Episoden auf Lager. Schwierig wird es für neue Sendungen, die noch um Zuschauer kämpfen – auch der Start neuer Formate dürfte sich verzögern. Einen Boom könnten autorenfreie Reality-Formate und Game-Shows erleben. siehe „Im Sucher“, S. 31 bp/apa

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2007)

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