Diagonale: „Und jetzt her mit dem Geld“

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Götz Spielmanns Drama „Revanche“ und Marko Doringers Doku „Halbes Leben“ gewannen die Leistungsschau des heimischen Films. Dessen Lage bleibt prekär.

Das Krimidrama Revanche von Götz Spielmann wurde Samstag zum würdigen Gewinner des Großen Spielfilmpreises der Diagonale in Graz: Neben Ulrich Seidls Import Exportzeigte sich Spielmanns – am 16.Mai in den Kinos anlaufender – Film zweifellos als herausragende heimische Fiktion des Vorjahrs.

Gewann beim Spielfilm ein renommierter Regisseur, so wurde der Große Dokumentarfilmpreis einem Newcomer zugesprochen: Mit Halbes Leben wurde die ironische Nabelschau des 1974 geborenen Marko Doringer prämiert. Die beiden Preisträger besetzen auch anschaulich zwei Positionen an entgegengesetzten Enden der heimischen Produktionslandschaft: In Doringers Do-It-Yourself-Generationsporträt ist die Lebenskrise des Regisseurs – er ist 30 geworden und hat den ersten Backenzahn verloren – Anlass, um eine kleine private Feldforschung im Freundeskreis und am Selbst, bis auf die Psychiatercouch, zu vollziehen.

Revanche dagegen ist ein großer Spielfilm und bisheriger Höhepunkt in der Entwicklung des Filmemachers Götz Spielmann. Seine Geschichte von den durch einen Todesschuss zusammengeführten Schicksalen zweier unterschiedlicher Paare ist effektiv aufs Wesentliche reduziert, erinnert nicht nur damit an die Hochblüte des französischen Qualitätskrimis. Sondern auch etwa in der souveränen Nutzung der pastoralen Schauplätze (Diagonale-Preis für Bildgestaltung: Kameramann Martin Gschlacht) und für die durchwegs überzeugenden Leistungen eines hervorragenden Ensembles um den Burgtheater-Mimen Johannes Krisch und Ursula Strauss, die (mit Karl Markovics) zur Eröffnung des Austro-Filmfests den neu geschaffenen Schauspielerpreis bekam.

Spielmann: „Die Lage ist dramatisch!“

„Es lebe der österreichische Film, und jetzt her mit dem Geld“ hatte sie da knapp gesagt und eine willkommene Abkehr vom Bittstellergestus vollzogen, in den die heimischen Filmschaffenden meist gedrängt werden. Auch Spielmann rief anderntags bei der gewohnten Diskussion zur tristen finanziellen Lage des österreichischen Kinos kurzerhand heraus: „Die Lage ist dramatisch!“ Ob solche Rufe im Gefolge des Oscar-Erfolgs von Die Fälscher fruchten oder ob sie zwischen den politischen Bekenntnissen guten Willens verhallen, bleibtabzuwarten: Bildungsministerin Claudia Schmiedkam jedenfalls nach Graz, aber vor allem, um an der Podiumsdiskussion zu Film als Vermittlungsfach an Schulen und Unis teilzunehmen.

Der „Vermittlungsschwerpunkt“ war ein Hauptanliegen der scheidenden Intendantin Birgit Flos: Bevor sie (mit Blumen) ihre Nachfolgerin Barbara Pichler begrüßte, bilanzierte sie „ein sehr gutes Ergebnis“, jedenfalls beim Besuch. Mit 26.000 Zusehern kamen 1600 mehr als im Vorjahr, trotz eines Spieltags (30 Vorführungen) weniger. Pichler hatte noch nichts Konkretes zu berichten, die nach wie vor notwendig scheinende (weitere) Straffung des mit 323 Filmen überbordenden Programms hatte sie bereits in Interviews zu ihrer Bestellung angekündigt.

Das könnte helfen, auch wieder tatsächliche inhaltliche und ästhetische Kontroversen zu führen, nachdem sich in den letzten Jahren unweigerlich dasselbe Bild geboten hatte: das einer Filmszene zwischen notorischem Geldmangel und – trotz widriger Umstände – künstlerischer Vielfalt. Auch im Überangebot ließen sich die Konturen einer Jahresproduktion ausmachen, deren Errungenschaften in vielen Kategorien respektabel sind, was sich erfreulicherweise in einigen der vielen weiteren Preise niederschlug.

Blickerweiternd: „Vertigo Rush“

Etwa der Preis für Innovatives Kino an Johannes Lurf für das an US-Avantgardist Ernie Gehr gemahnende blickerweiternde Experiment Vertigo Rush, in dem zwei gegenläufige räumliche Effekte (wie in der berühmten schwindelerregenden Kamerabewegung aus Hitchocks Vertigo) ein mächtiges Pulsieren erzeugen. Die Auszeichnung wurde geteilt mit dem barocken Performancefilm Running Sushi von Mara Mattuschka.

Geteilt wurde auch der Kamerapreis zwischen Gschlacht und dem nicht minder virtuosen Vielarbeiter Joerg Burger (für Georg Mischs geschätzten Dokumentarfilm Der Weg nach Mekka) und die Schnittauszeichnung: Die ging an Christoph Schertenleib für Import Export und an Martin Hasenöhrl für seine sympathische Dokumentation drent und herent über das salzburgisch-bayrische Brauchtum des „Aperschnalzens“: Der Regisseur, selbst ein „Schnalzer“, bringt das rhythmische Peitschenknallen und seine Bewerbe auf persönliche Art näher, zeigt nebenbei hübsch, wie Traditionsbewusstsein und moderne Technik selbstverständlich zusammengehen: Wie genau geschnalzt wurde, wird heute per Laptop geprüft. Nicht nur das macht Hasenöhrls Blick in eine Subkultur sehr unterhaltsam. Ob er ein Publikum erreicht? Man wird auch daran sehen, ob das österreichische Kino (und sein Festival) im Zuge erhöhter Aufmerksamkeit nach dem Oscar eine reelle Chance hat, für die breite Masse der heimischen Zuseher mehr als eine Subkultur-Veranstaltung zu sein.

BILANZ: „Sehr gutes Ergebnis“

26.000 Zuschauer in 157 Vorstellungen der Filmschau in Graz, 1600 mehr als im Vorjahr (trotz 30 Vorführungen weniger), das war die Bilanz der scheidenden Intendantin Birgit Flos. Barbara Pichler leitet die Diagonale ab 2009 (Termin: 17.–22. März).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2008)

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