"Pädophiler": Schweizer Politiker gegen Ehrung für Polanski

Der Regisseur wird beim Festival in Locarno mit einem Spezialpreis geehrt. Die Christlichdemokratische Volkspartei in Tessin zeigt sich darüber empört.

Die Tessiner CVP (Christlichdemokratische Volkspartei) zeigte sich empört über die Einladung des polnischen Regisseurs Roman Polanski zum 67. Internationalen Filmfestival in Locarno. Sie forderte nun ihre Abgeordneten im Kantonsparlament dazu auf, dem offiziellen Empfang am Festival fernzubleiben.

CVP-Politiker: Polanski sei ein "Pädophiler"

Laut einer Medienmitteilung der CVP vom Dienstag könne Polanskis künstlerisches Schaffen nicht völlig losgelöst von seinem Privatleben betrachtet werden. Ebenso wie die Tessiner SVP (Schweizerische Volkspartei) lehnte die Partei deshalb eine Einladung Polanskis entschieden ab. Weitaus drastischer hatte sich der Tessiner CVP-Abgeordnete Fiorenzo Dadò am Sonntag auf seinem Facebook-Profil geäußert. Er bezeichnete Polanski als einen "Pädophilen, der ein Mädchen unter Drogen gesetzt und vergewaltigt hat und nun mit allem Pomp und Ehren empfangen wird".

Myriam Caranzano-Maitre von der Tessiner Kinderschutzstiftung ASPI wies in einem Leserbrief in der Mittwochsausgabe der Tageszeitung "La Regione" darauf hin, dass die Tessiner sich bei zwei Volksinitiativen von 2008 und 2014 entschieden für eine härtere Bestrafung von Pädophilen ausgesprochen hätten. Dass nun ein Mensch mit einem ähnlichen Täterprofil beim Filmfestival als Ehrengast ausgezeichnet werde, halte sie nur für wenig kohärent. Dies könne auch den sozialen Zusammenhalt im Kanton gefährden, so Caranzano-Maitre in "La Regione".

Roman Polanski gehört neben Andrzej Wajda, Agnieszka Holland und Krzysztof Kieslowski zu den bedeutendsten polnischen Filmemachern. Am 18. August feierte der Regisseur, der seit Jahren in der Schweiz wohnt, seinen 80. Geburtstag. DiePresse.com blickt zurück auf bewegte acht Jahrzehnte im Leben Polanskis: (c) EPA (SEBASTIEN NOGIER)

Geboren wurde er 1933 als Rajmund Roman Liebling in Paris. Vier Jahre später zog er mit seinen Eltern, die Polanski einst als "ganz assimiliert" bezeichnete, wegen des wachsenden Antisemitismus nach Krakau. Dort sollte es noch schlimmer kommen. Polanskis schwangere Mutter wurde nach Ausschwitz deportiert und ermordet. Sein Vater wurde nach Mauthausen gebracht, er überlebte. (c) EPA (IAN LANGSDON)

Polanski selbst konnte 1943 aus dem Krakauer Ghetto fliehen und versteckte sich bei katholischen Polen. Das Kindheitstrauma verarbeitete er im Weltkriegsdrama "Der Pianist". Im Film mimte Adrien Brody den polnischen Komponisten Wladyslaw Szpilman.Das Biopic erhielt 2002 nicht nur die Goldene Palme in Cannes, sondern auch drei Oscars - ein Academy Award ging an Polanski für die beste Regie. (c) ORF (Films Transit International)

Erste Erfahrungen im Film machte er in den 40er Jahren als Kinderdarsteller. An der Filmhochschule in Lodz machte er 1959 seinen Abschluss. Als Startpunkt für seine Regiekarriere gilt der Psychothriller "Das Messer im Wasser" (1962). Zwei Jahre später drehte Roman Polanski seinen ersten internationalen Streifen ("Die Frauen sind an allem schuld"). 1967 folgte die Horrorkomödie "Tanz der Vampire" mit Sharon Tate, die Polanski 1968 heiratete (zuvor wurde er von der polnischen Schauspielerin Barbara Kwiatkowska geschieden) . Ein paar Monate später wurde sie ein prominentes Opfer der Manson-Sekte: Die hochschwangere Mimin wurde in ihrem Haus durch 16 Messerstiche ermordet. (c) ORF (Warner)

Mit dem Filmdrama "Macbeth" versuchte er 1971 den Verlust zu verarbeiten. Es folgten gelungene Kriminal-Thriller wie "Chinatown" oder "Frantic" und durchwachsenere Werke wie die Piratenkomödie ("Piraten").Im Bild: Polanskis Romanverfilmung "Oliver Twist", 2005. (c) EPA (Sergio Barrenechea)

1989 heiratete der Filmemacher zum dritten Mal. Wieder eine Schauspielerin, und zwar die Französin Emanuelle Seigner. Die beiden haben zwei Kinder. (c) REUTERS (REGIS DUVIGNAU)

1992 spielte sie im Erotik-Thriller "Bitter Moon" (1992) eine Hauptrolle.Sieben Jahre später wirkte sie neuerlich in einem Film ihres Mannes - "Die neuen Pforten" (mit Johnny Depp) - mit. (c) REUTERS (YVES HERMAN)

Im September 2009 stand der Filmemacher aus einem weniger positiven Grund in den Schlagzeilen: Polanski wurde am Flughafen von Zürich in Handschellen abgeführt. Im Vorfeld des Filmfestivals hatten die USA einen formellen Antrag auf Auslieferung gestellt.Hintergrund: 1977 wurde Polanski in den USA wegen Vergewaltigung unter Verwendung betäubender Mittel einer 13-Jährigen (Samantha Gailey; heute Geimer) angeklagt. Er bekannte sich schuldig. (c) REUTERS (Lucas Jackson / Reuters)

90 Tage musste der Regisseur in Haft. Nach 42 Tagen wurde er vorzeitig entlassen. Seitdem hatte Polanski die Einreise in die USA vermieden.Zuletzt drehte er mit dem österreichischen Oscar-Preisträger Christoph Waltz das Kammerspiel "Carnage" ("Der Gott des Gemetzels"). Polanski und Autorin Yasmina Reza erhielten für das Drehbuch den "César". Beim diesjährigen Cannes-Festival stellte der Regisseur sein von Leopold von Sacher-Masoch inspiriertes Drama "Venus in Fur" vor. (c) EPA (ENNIO LEANZA)

Der operative Leiter des Festivals, Mario Timbal, reagierte am Dienstag auf dem Tessiner Newsportal "Libera TV" auf die Kritik: "Wir haben einen großartigen Regisseur eingeladen und ausgezeichnet. Das ist ein künstlerisches Urteil. Alle juristischen Urteile überlassen wir den dafür zuständigen Instanzen. In der Schweiz ist Polanski aktuell ein freier Mann", sagte Timbal.

2009 am Flughafen in Zürich festgenommen

Dem 80-jährigen Polanski wird zur Last gelegt, 1977 eine 13-jährige in den USA missbraucht zu haben. Nach einem kurzen Gefängnisaufenthalt setzte er sich damals nach Großbritannien und Frankreich ab. Seitdem droht ihm die Auslieferung in die USA. 2009 wurde er in diesem Zusammenhang bei seiner Einreise in die Schweiz am Flughafen Zürich festgenommen. Anstatt den Preis für sein Lebenswerk am Zurich Film Festival entgegennehmen zu können, wurde Polanski damals in Haft genommen, die anschließend in Hausarrest umgewandelt wurde.

Polanski wird am 67. Festival del film mit einem Spezialpreis geehrt, den er am 14. August entgegennimmt.

(APA)