Rotkäppchen verloren im Wald von Paris

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Die französische Komödie "Unter dem Regenbogen" spielt mit Märchenmotiven und der Sehnsucht nach dem Wunderbaren: eine zauberhafte Entzauberung in der Regie von Agnès Jaoui.

Da kam ein Prinz und flog mit ihr davon ... Als Märchen im dunklen Tann beginnt „Unter dem Regenbogen“, aber – es war nur ein Traum der schwärmerischen Hauptfigur, und gleich stürzt die Wirklichkeit als Kindertheaterprobe daher. Dort küsst der Bub das Mädchen nicht, wenn er soll, Requisiten werden von den Kindern zweckentfremdet, und Theaterleiterin Marianne nimmt sich als Fee mit Zauberstab ziemlich machtlos aus ...

Menschen, die an das Wunderbare, Magische, Übersinnliche glauben, und solche, die es nicht tun, stoßen in dieser französischen Komödie zusammen. „Au bout du conte“, „Am Ende des Märchens“ heißt der Film im Original, ein Spiel mit dem Ausdruck „au bout du compte“ für „im Endeffekt, letztendlich“. Ja, was bleibt letztendlich vom Leben als Märchen? Warmherzig und verspielt wie immer antwortet Regisseurin Agnès Jaoui, in dem sie dem Glauben, Irren und Treiben ihrer Figuren folgt. Da ist Mariannes Nichte Laura (Agathe Bonitzer), als junge Suchende eine archetypische Märchenprotagonistin. Kurz nach ihrem Traum erlebt die Tochter aus reichem Haus die Liebe auf den ersten Blick. Auf dem „Ball der Prinzen“ sieht sie den mittellosen Musikstudenten Sandro (Arthur Dupont), der nach innigen Tänzen davonstürzt, ein männliches Aschenputtel, das auf der Treppe den Schuh verliert. Er hat vergessen, dass er seine Mutter abholen muss ...

Ein Beziehungshindernis ist auch Lauras übermächtiger Vater, wortlos flankiert von der chirurgisch um 30 Jahre verjüngten Mama, hinter deren starrer Jugendmaske man den Neid auf die Tochter errät. Und dann ist da noch der „böse Wolf“, dem Laura im Wald begegnet: Maxime, der gut aussehende Musikkritiker (Benjamin Biolay), verführt Laura mit dem Charme eines Mephisto.

Hilfe, sie will die Erstkommunion!

Auch der liebe Gott gehört hier in die Märchenwelt. Mariannes Tochter liest ständig in der Bibel und will die Erstkommunion machen, was ihre geschiedenen Eltern ratlos lässt. Pierre (Jean-Pierre Bacri), der ebenfalls geschiedene Vater von Lauras „Märchenprinz“ Sandro, fühlt sich überfordert von den Kindern seiner neuen Partnerin; auf deren Fragen, wo sein verstorbener Vater nun sei, antwortet er: „Na, unter der Erde!“ Aber obwohl er glaubt, an nichts zu glauben, wartet er panisch auf seinen angeblichen Todestag, den ihm eine Astrologin prophezeit hat.

An besagtem Tag passiert natürlich nichts, Pierre ist von seinen Ängsten erlöst. Dazu hat auch die Schauspielerin Marianne beigetragen, die ausgerechnet beim orientierungslos gewordenen Pierre Fahrstunden nimmt. Jean-Pierre Bacri und Agnès Jaoui, die langjährigen Lebensgefährten und Drehbuchschreiber des Films, sind wie immer perfekt aufeinander eingespielt. Ebenso wie ihre wunderbaren Auftritte lebt „Unter dem Regenbogen“ insgesamt von der Fülle des liebevoll ironisch Angespielten. Mit kindlicher Freude wird mit Märchenmotiven gewürfelt, ein Spiel mit psychologischen Bedeutungen und Erwartungen getrieben.

Und was bleibt letztendlich nun vom Märchenhaften? Wenig, aber genug. Als Ordnungslieferant, als Flucht und Zuflucht enttäuscht es, aber es taucht auch unerwartet auf. So gelingt der Kuss in der Kinderaufführung wieder nicht, hinter dem Vorhang gibt es doch noch einen. Auch bei den Erwachsenen gibt es ein Happy End, und wer triumphiert? Die Künstlerin mit Bodenhaftung Clémence. Ihr Name bedeutet Nachsicht, Milde. Diese Tugenden braucht man zwar nicht, um den Film zu genießen – aber sehr wohl um die stümperhafte Theateraufführung liebenswert zu finden, die das Leben ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2014)

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