Die ironische Version der Madame

Anne Fontaine fabrice luchini Elsa Zylberstein Gemma Arterton gemma bovery CELEBRITES Festival
Anne Fontaine fabrice luchini Elsa Zylberstein Gemma Arterton gemma bovery CELEBRITES Festival(c) imago/PanoramiC
  • Drucken

Anne Fontaine adaptierte Posy Simmonds Graphic Novel „Gemma Bovery“. Die Neuinterpretation des Flaubert'schen Klassikers ist unterhaltsam, aber zahnlos.

Zwei Ehepaare sitzen zusammen: Valérie und Martin Joubert, Gemma und Charles Bovery. Man spricht über Wein und die Märkte in der Umgebung des kleinen Dorfs in der Normandie, in das die aus London stammenden Boverys vor Kurzem gezogen sind. Valérie und Charles machen Small Talk, wie es unter Nachbarn eben üblich ist. Gemma starrt vor sich hin, Martin beobachtet sie fasziniert. Die Stimmen der anderen verblassen, während sein Blick zu ihren Füßen hinuntergleitet, die altertümlich wirkende Stiefelchen kleiden. „In ihrer Seele“, denkt Martin im Voice-over, „wartet sie, dass etwas passiere.“ Immer stärker erkennt er Parallelen zwischen der jungen Frau und einer von ihm vergötterten Figur aus der Feder Gustave Flauberts: „Madame Bovary“.

Gemma sei eine gelangweilte, banale Engländerin, urteilt Valérie, zurück in den eigenen vier Wänden. „Eine banale Frau, die ihre banales Leben nicht aushält, ist nicht banal“, gibt Martin entflammt zurück.

Mit „Gemma Bovery“ adaptierte Anne Fontaine die gleichnamige Graphic Novel der britischen Autorin und Zeichnerin Posy Simmonds. Zuerst als Serie im „Guardian“, 1999 dann in Buchform publiziert, schuf Simmonds damit eine ironische Neuinterpretation des Flaubert'schen Klassikers.

Eine Frau zwischen vier Männern

Martin, der Ex-Bohemien, der nach wenig erfolgreichen Jahren in einem Pariser Verlag Biobäcker wurde, fungiert in „Gemma Bovery“ als Erzähler. Nachdem er in den Besitz eines Tagebuchs von Gemma gerät, wird die Geschichte rückblickend aufgerollt. Wie in Flauberts „Madame Bovary“ erhoffen sich auch der Restaurator Charles und die Zeichnerin Gemma (schmollmundig: Gemma Arterton) von ihrem Umzug aufs Land ein besseres Leben. Als Gemma die Umgebung erkundet, läuft sie Martin (Fabrice Luchini) des Öfteren über den Weg. Mit feinem Humor erzählt Fontaine, wie Martin der Schönen verfällt: Als sie von einer Biene gestochen wird und nach einer allergiebedingten Ohnmacht an seiner Schulter französische Verben konjugiert – „Ich hätte gewollt, du hättest gewollt“ –, geht es Martin ganz genauso.

Gleichsam mit Faszination wie mit Schrecken stellt er jedoch bald fest, dass Gemma, mit deren Ehe es nicht zum Besten steht, sich zu dem jungen Adeligen Hervé hingezogen fühlt. Diese weitere Parallele zu „Madame Bovary“ lässt Martin zur Überzeugung kommen, einer Real-Life-Wiederholung der literarischen Ereignisse beizuwohnen. Um das vorausgeahnte fürchterliche Ende Gemma Boverys zu verhindern, beginnt er, sich in ihr (Liebes-)Leben einzumischen, in dem schließlich noch ein weiterer Mann eine Rolle spielt.

Auch wenn es – wie bereits der Anfang des Films andeutet – mit der Protagonistin kein gutes Ende nimmt, ist „Gemma Bovery“ von der Trostlosigkeit der literarischen Inspiration weit entfernt. Fontaines Film ist vielmehr eine Genremischung aus Komödie und Satire, die wenigen tragischen Einsprengsel fallen kaum ins Gewicht. „Gemma Bovery“ ist schauspielerisch überzeugend; die Handlung um eine Frau, deren Verderben die fatalen Besitzansprüche der Männer sind, oder eine Verkettung unglücklicher Umstände, ist pointiert, aber zahnlos; das Ende kommt schnell und fast beiläufig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.